Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Steht mehreren Steuerpflichtigen für dasselbe Kind Kinderermäßigung zu, so ist das Kind mit demjenigen zusammen zu veranlagen, dem nach bürgerlichem Recht die Sorge für die Person des Kindes obliegt. Steht die Kinderermäßigung für ein eheliches Stiefkind einem Stiefelternteil und einem Pflegevater zu, so ist das Kind demgemäß mit dem Pflegevater zusammen zu veranlagen.
Normenkette
EStG § 27 Abs. 1, § 32 Abs. 4 Ziff. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beschwerdegegnerin (Bgin.) mit ihrem Stiefsohn zusammen zu veranlagen ist.
Die Bgin. hat am 9. November 1946 einen Witwer geheiratet, der aus seiner ersten Ehe einen am 23. März 1938 geborenen Sohn hatte, der seit dem Tode seiner leiblichen Mutter im Jahre 1941 bei seiner Großmutter und einem Onkel lebt. Am 16. Februar 1948 ist der Ehemann der Bgin. gestorben. Sein Sohn blieb auch nach seinem Tode weiterhin bei dem Onkel, der zum Vormund bestellt wurde. Im Jahre 1951 hatte die Bgin. als Kontoristin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 3.365 DM und außerdem Mieteinkünfte von 487 DM aus der Erbengemeinschaft, die sie mit dem Sohn ihres verstorbenen Ehemannes bildete. Bei der Veranlagung für 1951 wurden die Einkünfte des Stiefsohnes in Höhe von 1.222 DM bei der Bgin. mitversteuert. Dabei wurde die Bgin., deren Lohneinkünfte nach Steuerklasse I der Lohnsteuer unterworfen worden waren, nach Steuerklasse III/1 versteuert.
Das Finanzgericht gab der Sprungberufung der Bgin. statt und hob den Einkommensteuerbescheid ersatzlos auf. Es nahm an, daß der Stiefsohn mit seinem Vormund zusammen zu veranlagen sei, da er in dessen Haushalt lebe. Da die nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte der Bgin. niedriger gewesen seien als 600 DM, sei sie gemäß § 46 Abs. 1 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht zu veranlagen, so daß der ergangene Einkommensteuerbescheid aufzuheben sei.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, das Urteil des Finanzgerichts widerspreche der Regelung in Abschn. 191 Abs. 4 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1951. Danach sei, wenn ein Stiefelternteil und Pflegeeltern wegen des gleichen Kindes Anspruch auf Kinderermäßigung hätten, das Kind mit dem Stiefelternteil zusammen zu veranlagen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Der Senat hat in dem Urteil IV 102/54 U vom 17. März 1955 (Slg. Bd. 60 S. 419, Bundessteuerblatt 1955 III S. 161) entschieden, daß die Zusammenveranlagung gemäß § 27 EStG Haushaltszugehörigkeit des Kindes nicht voraussetze. An dieser Auffassung wird festgehalten. Voraussetzung der Zusammenveranlagung gemäß § 27 EStG ist danach lediglich, daß dem Steuerpflichtigen für das Kind Kinderermäßigung gemäß § 32 Abs. 4 Ziff. 2 EStG zusteht. Der Stiefsohn der Bgin., der ein eheliches Kind aus der ersten Ehe ihres verstorbenen Ehemannes ist, gehört gemäß Ziff. 4 Buchst. b dieser Vorschrift zu den Kindern in diesem Sinn. Daß die Ehe der Bgin. durch den Tod des Vaters des Stiefkindes im Jahre 1948 aufgelöst wurde, hat hierin nichts geändert; denn das EStG enthält keine Bestimmung des Inhalts, daß eheliche Stiefkinder diese Stellung gegenüber ihren Stiefeltern verlieren, wenn die das Stiefkindschaftsverhältnis begründende Ehe aufgelöst wird. Dies ergibt sich aus dem auch für das Steuerrecht maßgebenden § 1590 Abs. 2 BGB. Es ist deshalb für den vorliegenden Fall davon auszugehen, daß der Bgin. Kinderermäßigung gemäß § 32 Abs. 4 Ziff. 2 EStG 1951 für ihren Stiefsohn zusteht, da dieser im Veranlagungszeitraum 1951 das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
Eine Zusammenveranlagung der Bgin. mit ihrem Stiefsohn ist jedoch, wie das Finanzgericht zutreffend angenommen hat, trotzdem nicht vorzunehmen. § 27 Abs. 1 EStG bestimmt zwar, daß ein Steuerpflichtiger mit einem Kind, für das ihm Kinderermäßigung gemäß § 32 Abs. 4 Ziff. 2 EStG zusteht, zusammen zu veranlagen ist, sofern beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Das EStG enthält aber keine Regelung, wie zu verfahren ist, wenn mehrere Personen hinsichtlich desselben Kindes Anspruch auf Kinderermäßigung haben. Abschn. 191 Abs. 4 Satz 2 EStR 1951 sieht für diese Fälle vor, daß das Kind grundsätzlich mit dem Steuerpflichtigen zusammen veranlagt werden soll, der das Recht und die Pflicht hat, für die Person des Kindes zu sorgen. Dem ist zuzustimmen. Der engen persönlichen Verbindung, die sich aus der bürgerlich-rechtlichen Verpflichtung, für die Person eines Kindes zu sorgen, ergibt, muß bei der Zusammenveranlagung der Vorrang zukommen gegenüber den familienrechtlichen Beziehungen des Kindes zu anderen Personen. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Haushaltsbesteuerung gemäß § 27 EStG. Der Verwaltungsanweisung in Abschn. 191 Abs. 4 letzter Satz EStR 1951, die eine Zusammenveranlagung mit dem Stiefelternteil vorschreibt, wenn sowohl ein Stiefelternteil als auch ein Pflegevater für dasselbe Kind Kinderermäßigung beanspruchen kann, tritt der Senat daher nicht bei. Da der Stiefsohn der Bgin. seit dem Tode seiner leiblichen Mutter im Jahre 1941 bei seinem Onkel lebt, der jetzt als sein Vormund für ihn zu sorgen hat, ist der Stiefsohn nicht mit der Bgin., sondern mit seinem Onkel und Vormund zusammen zu veranlagen. Die Rb. ist daher unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 408339 |
BStBl III 1956, 16 |
BFHE 1956, 41 |
BFHE 62, 41 |