Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstbindung der Revisionsinstanz im zweiten Rechtsgang. Ausfuhrerstattung nur bei Überführung der Ware in den freien Verkehr im Bestimmungsland
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rüge des Klägers im zweiten Rechtsgang vor dem Revisionsgericht, die Vorinstanz habe materielles Recht verletzt, ist insofern erfolglos, als das Revisionsgericht diese Frage im ersten Rechtsgang anders –möglicherweise auch falsch– entschieden hat.
2. Ein Anspruch auf Ausfuhrerstattung entsteht nur, wenn die Ware im Bestimmungsland in den freien Verkehr überführt wurde oder werden würde, die alleinige Absicht der Überführung genügt nicht. Der Verkäufer der ausgeführten Ware ist verpflichtet, sich zu vergewissern und abzusichern, daß die Ware nicht in Länder verbracht wird, für die keine oder eine nur geringere Erstattung vorgesehen ist. Soweit reicht der Verantwortungsbereich des Erstattungsberechtigten.
3. Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln wie die Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Beweisaufnahme gehört zur ordnungsmäßigen Rüge in der Revisionsbegründung, daß ihre Verletzung in der Vorinstanz gerügt wurde.
Normenkette
FGO § 126 Abs. 5, § 120 Abs. 2, §§ 155, 81, 83, 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1; VwVfG § 48 Abs. 4; ZPO § 295
Verfahrensgang
BFH (Urteil vom 19.11.1972; Aktenzeichen VII R 94/72) |
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt von der Rechtsvorgängerin der Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung –BALM–), der Einfuhr- oder Vorratsstelle für Schlachtvieh, Fleisch und Fleischerzeugnisse (EVSt), im Jahre 1965 mehrere Erstattungszusagen für die Ausfuhr von geräuchertem Bauch- und Rückenspeck. Als Verbrauchsland hatte die Klägerin England bzw. Irland angegeben. Mit zwei Erstattungsbescheiden vom 14.April 1965 gewährte die EVSt antragsgemäß eine Erstattung von insgesamt 30 621 DM für die Ausfuhr von 10 000 kg geräuchertem Rückenspeck und 20 000 kg geräuchertem Bauchspeck nach Irland bzw. England. Danach führte die Oberfinanzdirektion (OFD) eine Prüfung bei der Klägerin durch, über die der Prüfungsbericht vom 14.Juni 1965 erstellt wurde. Die Prüfer kamen zum Ergebnis, daß die Ware nicht geräuchert gewesen sei und nicht in das angegebene Bestimmungsland gelangt, sondern in Belgien ausgeschmolzen worden sei.
Mit Rückforderungsbescheid vom 26.Juli 1966 forderte die EVSt die gezahlte Erstattung zurück mit der Begründung, der ausgeführte Speck habe nicht die Merkmale geräucherter Ware im Sinne der Erstattungszusagen besessen, sondern sei als frische Ware anzusehen. Mit der gleichen Begründung lehnte die EVSt durch Bescheid vom 25.Juli 1966 zwei Anträge der Klägerin ab, ihr für die aufgrund von Erstattungszusagen durchgeführte Ausfuhr von 20 000 kg geräuchertem Bauchspeck und 10 000 kg geräuchertem Rückenspeck eine Erstattung zu gewähren. Die Einsprüche der Klägerin gegen Ablehnungs- und Rückforderungsbescheid blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab im ersten Rechtsgang der Klage statt. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus:
Der ausgeführte Speck sei entsprechend den Erstattungszusagen geräuchert gewesen. Auch der Umstand, daß der Speck tatsächlich nicht in die Länder gelangt sei, die in den Anträgen auf Erstattungszusage angegeben worden seien, sondern in Belgien verblieben und dort ausgeschmolzen worden sei, könne die angegriffenen Bescheide nicht rechtfertigen. Der Begriff „Ausfuhr nach dritten Ländern” setze mindestens voraus, daß die Ware in einem Drittland in den freien Verkehr überführt worden sei oder werden würde. Die von der Klägerin ausgeführten Waren seien unstreitig nicht in einem Drittland, sondern in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), in Belgien, in den freien Verkehr getreten. Aus der Tatsache, daß die Erstattungszusagen selbst auf die jeweils geltenden Erstattungsverordnungen verwiesen hätten, ergebe sich, daß sie sich auf solche Ausfuhren bezogen hätten, bei denen das Verbrauchsland im Sinne der hier einschlägigen Erstattungsverordnung Schweine/Eier/Geflügel vom 8.März 1963 (BGBl I 1963, 152, Bundeszollblatt 1963 S.180 –BZBl 1963, 180–) in der Fassung der Fünften Änderungsverordnung vom 8.Oktober 1964 (Bundesanzeiger –BAnz– Nr.190) –im folgenden Erstattungsverordnung– ein Drittland gewesen sei, so daß die Klägerin aufgrund dieser Erstattungszusagen einen Anspruch auf Erstattung erworben habe, wenn sie bei den fraglichen Ausfuhren diese Bedingungen erfüllt habe. Das bedeute, daß die EVSt für die Ausfuhr des geräucherten Specks auch dann die Erstattung zu Recht gewährt habe, wenn der Speck zwar nicht in den freien Verkehr eines Drittlandes überführt worden sei, aber wenn für die jeweils ausgeführte Sendung ein Drittland das Verbrauchsland in dem zuvor genannten Sinne gewesen sei. Diese Voraussetzungen lägen ohne Zweifel vor. Nach ihrem unwiderlegten Vortrag habe die Klägerin die fraglichen Geschäfte mit einer Firma im vorgesehenen Verbrauchsland abgeschlossen und den Speck auch dahin liefern wollen. Die EVSt habe keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß der Klägerin bekannt gewesen sei, daß die Speditionsgesellschaft, der sie auf Anweisung der Käuferin die Ware zum Weitertransport übergeben habe, diese nicht nach dem Verbrauchsland, sondern in Belgien in den freien Verkehr verbringen werde. Eine vertragswidrige, der Klägerin unbekannte Verfügung über die Ware könne dieser jedoch nicht angelastet werden.
Auf Revision der EVSt hob der erkennende Senat mit seinem Urteil vom 19.November 1974 VII R 94/72 im ersten Rechtsgang die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Er führte im wesentlichen folgendes aus:
Die Auffassung des FG zur tariflichen Einordnung der Ware sei nicht zu beanstanden. Es sei jedoch zu prüfen, ob der Erstattungswiderruf bzw. die Ablehnung der Erstattung deswegen gerechtfertigt sei, weil die Ware nicht nach Nordirland gelangt sei.
Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des FG sei die Ware nicht dorthin gelangt, sondern in Belgien verblieben und dort ausgeschmolzen worden. Demnach sei die Angabe des Verbrauchslands Nordirland in den Erstattungszusagen objektiv unrichtig gewesen. Eine Ausfuhr liege nur dann vor, wenn die Ware in dem Bestimmungsland in den freien Verkehr überführt worden sei oder überführt werden würde (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften –EuGH– vom 27.Oktober 1971 Rs. 6/71, EuGHE 1971, 823; Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 13.Dezember 1972 VII R 22/70, BFHE 108,80). Dies habe auch das FG richtig erkannt. Es glaube aber, der Klägerin deswegen einen Erstattungsanspruch zuerkennen zu können, weil ihr Erstattungszusagen durch förmliche Bescheide gegeben worden seien und sie die in den Erstattungszusagen enthaltenen Bedingungen erfüllt habe. Die Bedingung der Ausfuhr nach dem angegebenen Verbrauchsland sei jedoch nicht erfüllt gewesen (vgl. BFH-Urteil vom 9.Mai 1972 VII R 22/69, BFHE 106, 150).
Die Frage, ob der Klägerin bekannt gewesen sei, daß die Ware nicht in dieses Verbrauchsland verbracht worden sei, könne allenfalls für die Entscheidung der Frage bedeutsam sein, ob sie im Hinblick auf die gegebenen Erstattungszusagen auf die Gewährung der Erstattung habe vertrauen dürfen. Hierfür gälten die im Urteil des erkennenden Senats vom 8.November 1972 VII R 98/68 (BFHE 107, 482) aufgestellten Grundsätze. Danach stehe dem Widerruf der Erstattung ein Vertrauensschutz auch dann nicht entgegen, wenn sich die Erstattung aufgrund von Handlungen oder Unterlassungen, die in den Verantwortungsbereich des Begünstigten fielen, als nicht gerechtfertigt erweise. Wegen seiner anderen Auffassung habe das FG hierzu keine Feststellungen getroffen. Um die Ausfuhr nach dem angegebenen Verbrauchsland durchzuführen, genüge es nicht, einen Kaufvertrag mit einer dort ansässigen Firma abzuschließen und die Ware ihr im Inland oder auch in einem anderen EWG-Land zur Verfügung zu stellen. Der für die Erstattungsberechtigung maßgebende Ausfuhrvorgang sei nicht schon mit dem Verbringen der Ware über die Grenze des deutschen Wirtschaftsgebiets oder in einen Freihafen, sondern erst mit ihrer Überführung in den freien Verkehr des Verbrauchslandes beendet. Zwar habe es weder nach der Erstattungsverordnung noch nach den Erstattungszusagen eines Nachweises des endgültigen Verbleibs der ausgeführten Ware bedurft. Solange aber die Ware nicht aufgrund der Anweisung des Ausführers auf den Weg nach dem dritten Land gebracht worden sei und der Käufer über die Ware noch vor der Überführung in den freien Verkehr des Drittlandes anderweit habe verfügen können, habe sich der Verkäufer vergewissern und ggf. dagegen sichern müssen, daß die Ware nicht in Länder verbracht werde, für die keine oder nur eine geringere Erstattung vorgesehen gewesen sei. Soweit reiche der Verantwortungsbereich des Erstattungsberechtigten. Da das FG insoweit die Rechtslage verkannt habe, sei die Vorentscheidung aufzuheben gewesen.
Das FG werde die erwähnten fehlenden Feststellungen zu treffen haben. Außerdem werde es zu berücksichtigen haben, daß –sofern die Erstattung wegen vorsätzlicher Täuschung oder irreführender Angaben nicht gänzlich zu widerrufen sei– im Falle einer Ausfuhr nach Belgien eine geringere Erstattung als die beanspruchte in Betracht käme und daß daher der Widerruf der Erstattung bzw. die Versagung der Erstattung nur in Höhe des übersteigenden Betrages gerechtfertigt wäre (vgl. BFH-Urteil in BFHE 107, 482 und EuGH-Urteil vom 12.Dezember 1973 Rs. 142/73, EuGHE 1973, 1575). Hierbei sei jedoch festzustellen, ob die ausgeführte Ware in Belgien nicht schon in umgeschmolzenem Zustand in den freien Verkehr getreten sei. Denn dann könne eine Erstattung mangels der Identität der ausgeführten Ware mit der in der Erstattungszusage beschriebenen Ware nicht gewährt werden. Der Ausführer könne sich in diesem Fall nicht darauf berufen, daß sich die Ware im Zeitpunkt des Verbringens aus dem Wirtschaftsgebiet in einem erstattungsfähigen Zustand befunden habe (BFHE 106, 150).
Im zweiten Rechtsgang hat das FG die Klage abgewiesen. Im Tatbestand seines Urteils hat es auf das eigene Urteil und das Urteil des BFH im ersten Rechtsgang Bezug genommen. Ferner hat es darauf hingewiesen, daß wegen des Schicksals der Ware in Belgien weitere Ermittlungen angestellt worden seien, deren Ergebnisse sich aus im einzelnen aufgeführten Schreiben des belgischen Finanz- und Wirtschaftsministeriums aus dem Jahre 1977 ergäben. Ferner hat das FG sich auf den bereits zitierten Prüfungsbericht der OFD vom 14.Juni 1965 und auf den Beschluß des Amtsgerichts X vom 29.Juni 1967 in der Bußgeldsache gegen die Klägerin bezogen. Das FG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Nach seiner Überzeugung sei der geräucherte Speck nicht nach Nordirland gelangt, sondern in Belgien zu Schweineschmalz ausgeschmolzen worden. Das ergebe sich einmal aus dem Beschluß des Amtsgerichts X, zum anderen aus den Feststellungen in dem Prüfungsbericht der OFD. Dabei sei von entscheidender Bedeutung, daß der Bericht keine pauschalen Feststellungen enthalte, sondern ganz konkret den Warenweg schildere. Diese genaue Schilderung des Warenweges unter Angabe der in Belgien benutzten Zollpapiere setze aber eine eingehende und sorgsame Prüfung voraus, so daß es, das FG, keine Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung habe. Aus diesem Grund sei es ohne Bedeutung, daß die von ihm veranlaßten Nachprüfungen wegen des Zeitablaufs und der damit verbundenen Vernichtung der entsprechenden Unterlagen keinen Erfolg mehr gehabt hätten. Da somit feststehe, daß die Ware nicht in Nordirland zum freien Verkehr abgefertigt worden sei, habe die EVSt zu Recht die Erstattung widerrufen bzw. versagt.
Auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes könne sich die Klägerin nicht berufen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH genüge es nicht, einen Kaufvertrag mit einer in dem angegebenen Verbrauchsland ansässigen Firma abzuschließen und dieser die Ware im Inland oder einem anderen EWG-Land zur Verfügung zu stellen. Vielmehr habe sich der Verkäufer, solange die Ware nicht aufgrund seiner Anweisungen auf den Weg nach dem dritten Land gebracht worden sei und der Käufer über sie noch vor der Überführung in den freien Verkehr des Drittlandes anderweit habe verfügen können, vergewissern und ggf. dagegen sichern müssen, daß die Ware nicht in Länder verbracht worden sei, für die keine oder nur eine geringere Erstattung vorgesehen gewesen sei. Im Streitfall habe die Klägerin die Ware mit firmeneigenen Lastzügen nach Belgien verbracht und einer dort ansässigen Speditionsfirma übergeben. Sie habe zwar bei der Ausfuhr der Ware aus der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) keine „D.D. 4” ausstellen und bei der Eingangszollstelle nach den Feststellungen der OFD den geräucherten Speck unter Vorlage eines Transitdokuments abfertigen lassen. Dies reiche jedoch nicht aus, um einen anderweitigen Weg der Ware auszuschließen. Die Klägerin hätte sich vielmehr darüber hinaus noch vergewissern bzw. dafür Sorge tragen müssen, daß die Ware auch tatsächlich nach Nordirland verschifft werde. Da sie dies nicht getan habe, falle die Tatsache, daß die Ware in Belgien ausgeschmolzen worden sei, in den Verantwortungsbereich der Klägerin.
Da nach den Feststellungen der OFD weiter feststehe, daß die Ware in Belgien nicht zum freien Verkehr abgefertigt, sondern unter Zollaufsicht umgewandelt (ausgeschmolzen) worden sei, könne der Klägerin auch die Erstattung für eine Ausfuhr nach Belgien nicht gewährt werden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts, insbesondere der §§ 81, 83, 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie der Erstattungsverordnung. Sie macht folgendes geltend:
Die Feststellungen des FG seien unter Verstoß gegen Verfahrensbestimmungen zustande gekommen. Der Beschluß des Amtsgerichts X und der Prüfungsbericht der OFD könnten nicht als ausreichende Verifikation des Sachverhalts angesehen werden. Im Verfahren vor dem Amtsgericht sei es entscheidend um die Frage gegangen, ob die Ware zu Recht als geräucherter Speck bezeichnet worden sei. Das Verbrauchsland des Specks habe für das Amtsgericht eine untergeordnete Rolle gespielt. Im Prüfungsbericht der OFD habe es in der Tz.14 zwar geheißen, aus den Erledigungspapieren der luxemburgisch-belgischen Eingangszollstelle sei hervorgegangen, daß der Räucherspeck nicht nach England oder Irland ausgeführt worden sei. Die dazugehörige Anlage 1 habe aber hinsichtlich der Umwandlung jedenfalls für zwei Dokumente eine Fehlanzeige enthalten.
Die in Belgien erfolgten Nachforschungen hätten gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Beweisaufnahme (§ 81 FGO) verstoßen. Auch dürften Tatsachen aus beigezogenen Akten nur dann zur Sachverhaltsfeststellung herangezogen werden, wenn der Akteninhalt von den Beteiligten als richtig anerkannt werde. Daß die Ware nicht nach Großbritannien gelangt sei, habe sie, die Klägerin, noch mit Schriftsatz vom 16.Oktober 1979 bestritten.
Die Ermittlungen in Belgien seien ferner ohne ihre, der Klägerin, Beteiligung durchgeführt worden. Sie sei von Terminen zur Befragung geeigneter Personen nicht benachrichtigt worden. Sie habe der Beweisaufnahme nicht beiwohnen und selbst keine sachdienlichen Fragen stellen können. Darin liege ein Verstoß gegen § 83 FGO. Das sei erheblich, weil zumindest nicht auszuschließen sei, daß eine vor dem FG unter ihrer, der Klägerin, Beteiligung durchgeführte Beweisaufnahme den Ort, an dem die Ware tatsächlich verbraucht worden sei, zutage gefördert hätte. Die Sachverhaltsfeststellung des FG, die Ware sei in Belgien verblieben, sei daher fehlerhaft. Dagegen lasse sich nicht einwenden, das FG habe ausdrücklich erklärt, es sei ohne Bedeutung, daß die von ihm veranlaßten Nachprüfungen keinen Erfolg mehr gehabt hätten; von entscheidender Bedeutung sei vielmehr, daß der Prüfungsbericht der OFD ganz konkret den Warenweg schildere. Das FG sei offenbar früher selbst der Ansicht gewesen, daß der im Beschluß des Amtsgerichts und im Prüfungsbericht der OFD geschilderte Sachverhalt durch Erhebungen vor Ort zu verifizieren, der tatsächliche Warenweg und -verbleib also gerade nicht ausreichend geklärt sei. Darin liege ein durchaus nicht widerspruchsfreies und deshalb gegen fundamentale Grundsätze rechtsstaatlicher Beweiswürdigung verstoßendes Verfahren.
Die tatsächlich verbliebene Unklarheit über das Verbrauchsland der Ware gehe beim Widerruf der einmal gegebenen Erstattungszusagen zu Lasten der BALM als der insofern beweispflichtigen Behörde (BFHE 107, 482). Die hierfür geltende Ausnahme, daß von ursprünglich ernst gemeinten und zutreffenden Erklärungen durch den Begünstigten selbst oder Handlungen Dritter, die in seinen Verantwortungsbereich fielen, abgewichen worden sei, liege nicht vor.
Die Vorentscheidung sei materiell unrichtig. Die Erstattung sei zu gewähren, wenn die Ware entweder in den freien Verkehr eines Drittlandes verbracht worden sei oder dorthin habe verbracht werden sollen und nur durch solche Umstände nicht dorthin gelangt sei, die nicht im Verantwortungsbereich des Begünstigten lägen. Beide Fälle seien äquivalent. Nach der Entscheidung in BFHE 106, 150, 155, beurteile sich die Frage, was Verbrauchsland sei, nach den Vorschriften über die Statistik des grenzüberschreitenden Warenverkehrs. Diese Vorschriften definierten als Verbrauchsland dasjenige Land, in dem die Waren gebraucht oder verbraucht, be- oder verarbeitet werden sollten. Eine entsprechende Auffassung habe die OFD in einem Brief vom 20.Juli 1965 vertreten, der in Ablichtung vorgelegt werde. Daß die ausgeführte Ware nach England/Nordirland habe verbracht werden sollen, stehe fest.
Gehe man zu ihrem, der Klägerin, Nachteil davon aus, daß der von ihr ausgeführte Speck tatsächlich nicht nach England/Nordirland gelangt sei, so komme es darauf an, ob dies aus Gründen geschehen sei, die in ihrem Verantwortungsbereich gelegen hätten. Das könne jedenfalls im Ergebnis nicht angenommen werden. Nach dem Urteil in BFHE 106, 150 solle die Tatsache, daß die Ausfuhr ohne Warenverkehrsbescheinigung D.D. 4 erfolgt sei, keine ausreichende Gewähr gegen Umgehungen darstellen, da die Ware aus dem belgischen Freihafen wieder hätte importiert werden können. Die Wiedereinfuhr wäre aber ein wirtschaftlicher Unsinn gewesen. Denn der Speck hätte dann als Drittlandware behandelt, d.h. mit erheblichen Eingangsabgaben belegt werden müssen. Mit einer solchen Entwicklung habe sie, die Klägerin, nicht rechnen müssen, so daß weitere Vorkehrungen überflüssig gewesen seien. Die für den luxemburgisch-belgischen Transitverkehr auf ihre Veranlassung gefertigten Transitpapiere hätten zudem nicht nur die englische Firma als Käufer, sondern auch den Seetransportweg über das Meer und den belgischen Hafen als Versandhafen angegeben. Das sei das Äußerste gewesen, was sie unter den gegebenen Umständen zu veranlassen gehabt habe.
Das gelte um so mehr, als die streitigen Erstattungszusagen nicht den geringsten Hinweis darauf enthalten hätten, daß sie als Begünstigte letztlich die Überführung der Ware in den freien Verkehr des angegebenen Verbrauchslandes beweisen müsse. Erst mehrere Jahre nach 1965 sei die Frage der tatsächlichen Verbringung der Ware nach Großbritannien rechtserheblich geworden. Der BFH habe inzwischen in einer Reihe von Entscheidungen die Vorstellung vom „subjektiven Verbrauchsland” nicht genügen lassen. Ihre Argumentation stütze sich jedoch darauf, daß zur Zeit der fraglichen Ausfuhren im Jahre 1965 selbst nach Ansicht der zuständigen Behörden noch der subjektive Verbrauchslandbegriff gegolten habe. Die 1965 herrschende Rechtsansicht sei auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes entscheidend. Ihr, als einem mittelständischen Unternehmen, könne nicht rückwirkend eine andere, vielleicht bessere Auslegung von Rechtsvorschriften zugemutet werden. Das Problem dieses Falles entspreche insofern dem der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit belastender Rückwirkungsgesetze. Auf das EuGH-Urteil vom 27.März 1980 Rs. 66, 127 und 128/79 (EuGHE 1980, 1237, 1261) werde hingewiesen.
Die bei der Zurücknahme fehlerhafter begünstigter Verwaltungsakte im Einzelfall notwendige Abwägung, ob das schutzwürdige Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung oder das öffentliche Interesse an der Beseitigung des Verwaltungsaktes überwiege, müsse deshalb zu ihren Gunsten ausfallen. Nach § 48 Abs.4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) sei die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte schließlich nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Behörde Kenntnis von den Tatsachen erhalte, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigten. Diese Frist sei im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden. Das Verwaltungsverfahrensgesetz sei zwar erst 1977 in Kraft getreten. Es enthalte jedoch die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts, die schon vorher gegolten hätten.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung, des Erstattungsablehnungsbescheides vom 25.Juli 1966, des Erstattungsrückforderungsbescheides vom 26.Juli 1966 und der Einspruchsentscheidung vom 27.Juni 1968 die BALM für verpflichtet zu erklären, 30 621 DM nebst 6 % Zinsen seit Rechtshängigkeit der Sache an sie, die Klägerin, zu zahlen, hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
Die BALM beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Vorentscheidung beruht im Gegensatz zur Auffassung der Revision nicht auf einer Verletzung materiellen Rechts.
a) Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang. In diesem ist das Revisionsgericht an seine Rechtsauffassung gebunden, die es in der zurückverweisenden Entscheidung im ersten Rechtsgang vertreten hat (vgl. BFH-Beschluß vom 18.Januar 1968 V B 4/66, BFHE 91, 509, BStBl II 1968, 382). Ein Fall, in dem ausnahmsweise eine solche Bindung entfällt (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 6.Februar 1973 GmS-OGB 1/72, BFHE 109, 206, 209), liegt hier nicht vor. Soweit also die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts durch die Vorinstanz rügt, kann diese Rüge insofern von vornherein keinen Erfolg haben, als der erkennende Senat diese Frage im ersten Rechtsgang anders entschieden hat. Das gilt auch dann, wenn diese Rügen an sich gerechtfertigt sein sollten, die Entscheidung des erkennenden Senats im ersten Rechtsgang also falsch gewesen wäre.
b) Die Klägerin vertritt in ihrer Revisionsbegründung offenbar die Auffassung, es genüge für die Erlangung eines Erstattungsanspruches, daß die Ware in das dritte Land habe ausgeführt werden sollen. Daß das nicht richtig ist, hat der erkennende Senat im ersten Rechtsgang entschieden. Danach entsteht ein Erstattungsanspruch nur, wenn die Ware im Bestimmungsland in den freien Verkehr überführt wurde oder werden würde (vgl. auch die Entscheidungen des Senats vom 9.April 1975 VII R 12/70, BFHE 116, 211, 215, und vom 19.Januar 1977 VII R 84/73, BFHE 121, 251, 258). Daß unter der letztgenannten Voraussetzung (überführt werden würde) nicht etwa gemeint war, es genüge bereits die Absicht dieser Überführung, ergibt sich aus der vom erkennenden Senat ausdrücklich in Bezug genommenen Entscheidung des EuGH (EuGHE 1971, 823). Dort heißt es (Abs.7 der Urteilsgründe), daß der Begriff „Ausfuhr nach dritten Ländern” voraussetze, „daß die Ware auf dem Markt eines dritten Landes gehandelt wurde, dort also zumindest in den freien Verkehr gelangt sein mußte”.
c) Die Klägerin ist der Auffassung, die – von ihr in Abrede gestellte – Nichtverschiffung der Ware nach Großbritannien sei jedenfalls nicht aus Gründen geschehen, die in ihrem Verantwortungsbereich gelegen hätten. Dadurch, daß sie keine D.D. 4 habe ausstellen lassen, in den auf ihre Veranlassung gefertigten Transitpapieren die englische Käuferfirma sowie den Seetransportweg angegeben habe, habe sie alles von ihr zu Erwartende getan. Ob diese Auffassung richtig ist, kann dahinstehen. Denn sie stimmt nicht überein mit der rechtlichen Beurteilung, die der erkennende Senat in seinem Urteil im ersten Rechtsgang zugrunde gelegt hat und an die er gebunden ist. Dort hat der Senat ausgeführt, der Verkäufer der ausgeführten Ware müsse sich, solange die Ware nicht aufgrund der Anweisung des Ausführers auf den Weg nach dem dritten Land gebracht worden sei und der Käufer über die Ware noch vor der Überführung in den freien Verkehr des Drittlandes anderweit verfügen könne, vergewissern und ggf. dagegen sichern, daß die Ware nicht in Länder verbracht werde, für die keine oder eine nur geringere Erstattung vorgesehen gewesen sei; soweit reiche der Verantwortungsbereich des Erstattungsberechtigten (vgl. auch die zitierten Urteile in BFHE 116, 211, 216, 121, 251, 259; 106, 150, 154).
d) Die Klägerin trägt in der Revisionsbegründung vor, im Zeitpunkt der hier streitbefangenen Ausfuhren habe sie in gleicher Weise wie die Verwaltung davon ausgehen dürfen, daß es auf das „subjektive Verbrauchsland” ankomme; die späteren gerichtlichen Entscheidungen, es komme auf das „objektive Verbrauchsland” an, könnten im vorliegenden Falle nach den Grundsätzen, die hinsichtlich des rückwirkenden Inkrafttretens von belastenden Gesetzen entwickelt worden seien, nicht berücksichtigt werden (vgl. auch Absatz 10 des EuGH-Urteils in EuGHE 1980, 1237, 1261).
Auch damit kann die Klägerin jedoch nicht gehört werden. Diese Frage hat der erkennende Senat ebenfalls bereits im ersten Rechtsgang entschieden. Er hat dort die Rechtsauffassung vertreten, es komme für den vorliegenden Fall darauf an, ob die Waren auch tatsächlich in den freien Verkehr Großbritanniens gelangt seien. Zwar hat der Senat damit zu der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage nicht ausdrücklich Stellung genommen. Ihre Entscheidung geht jedoch der aus den Gründen ersichtlichen Entscheidung logisch voraus. Die Selbstbindung des erkennenden Senats bezieht sich aber auch auf solche Gründe (BFH-Urteil vom 25.Juni 1975 I R 78/73, BFHE 117, 4, BStBl II 1976, 42). Im übrigen ist die Auffassung der Klägerin auch unzutreffend; das ergibt sich aus dem EuGH-Urteil in EuGHE 1980, 1237).
e) Fehl geht auch die Auffassung der Klägerin, der Erstattungswiderruf habe gegen den sich aus § 48 Abs.4 VwVfG ergebenden Grundsatz verstoßen, wonach eine Behörde, die von Tatsachen Kenntnis erhält, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen, den Verwaltungsakt nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zurücknehmen kann. Daß ein solcher Rechtssatz in dem für die Entscheidung des vorliegenden Falles maßgebenden Zeitpunkt nicht bestand bzw. im vorliegenden Fall nicht anwendbar war, hat der erkennende Senat ebenfalls schon –ohne ausdrückliche Ausführungen dazu– in seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang mitentschieden (vgl. auch Begründung unter Buchst. d).
f) Möglicherweise wollte sich die Klägerin mit ihren in den vorstehenden Absätzen wiedergegebenen materiell-rechtlichen Rügen nur gegen die Auffassung des FG wenden, die angefochtenen Bescheide verletzten nicht den Grundsatz von Treu und Glauben. Es kann dahinstehen, ob diese Rügen so zu werten sind. Denn jedenfalls sind sie auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht mit der rechtlichen Beurteilung vereinbar, die der erkennende Senat seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang hinsichtlich der Frage des Vertrauensschutzes zugrunde gelegt hat.
g) Die Auffassung der Klägerin, ihr müßten wenigstens die Erstattungsbeträge gewährt oder belassen werden, die den Abschöpfungsbeträgen entsprächen, die für die angeblich in Belgien zum freien Verkehr abgefertigten Waren gezahlt worden seien oder hätten gezahlt werden müssen, trifft rechtlich nicht zu. Überdies hat das FG festgestellt, daß nicht die ausgeführte Ware, sondern das aus dieser unter zollamtlicher Überwachung hergestellte Fett, also eine ganz andere Ware, in Belgien in den freien Verkehr getreten ist.
2. Das FG hat festgestellt, daß die fraglichen Waren nicht nach Großbritannien gelangt, sondern in Belgien vor deren dortiger Abfertigung zum freien Verkehr zu Schweineschmalz ausgeschmolzen worden sind. An diese Feststellungen ist der erkennende Senat gebunden, es sei denn, daß in bezug auf sie zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht worden sind (§ 118 Abs.2 FGO). Die Klägerin wendet sich auch gegen diese Feststellungen mit verschiedenen Rügen. Diese haben jedoch keinen Erfolg.
a) Der Senat hat in seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang entschieden, die Feststellung des FG, die Ware sei nicht nach Großbritannien gelangt, sondern in Belgien verblieben und sei dort ausgeschmolzen worden, sei nicht zu beanstanden. Er hat dementsprechend die Rechtsauffassung vertreten, das Tatbestandsmerkmal „Ausfuhr nach dritten Ländern” der Erstattungsvorschriften sei nicht erfüllt. Er hat die Vorentscheidung lediglich deswegen aufgehoben, weil das FG keine genügenden Feststellungen zum Problem des Vertrauensschutzes und –wegen der Frage, ob der Klägerin nicht wenigstens die für die Ausfuhr nach Belgien gerechtfertigten Erstattungen zustünden– dazu getroffen hat, ob die Waren in Belgien nicht schon vor ihrer Umschmelzung in den freien Verkehr getreten sind. Aufgrund dieses Urteils stellt sich die Frage, ob das FG aufgrund § 126 Abs.5 FGO insoweit gebunden war, als der erkennende Senat entschieden hatte, die Voraussetzung der Ausfuhr nach Großbritannien sei nicht erfüllt, das FG also nicht mehr befugt war, insoweit neue tatsächliche Feststellungen zu treffen. Wäre das der Fall, so könnten die Rügen der Klägerin gegen die neuerlichen tatsächlichen Feststellungen in dieser Richtung mit dem gleichen Ergebnis wie im ersten Rechtsgang schon aus diesem Grunde keinen Erfolg haben. Da jedoch diesen Rügen ohnehin der Erfolg zu versagen ist, läßt der erkennende Senat diese schwierige Rechtsfrage unentschieden (vgl. z.B. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 1.Juli 1954 1 BvR 361/52, BVerfGE 4, 1, 5; BFH-Urteile vom 17.April 1969 V R 112/67, BFHE 95, 372, BStBl II 1969, 447, und vom 19.November 1970 IV 150/65, BFHE 101, 36, BStBl II 1971, 209; Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts –BVerwG– vom 18.August 1966 VI C 89/64, Buchholz 310, § 144 Nr.11; vom 16.Dezember 1971 I C 5.70, Buchholz 310, § 144 Nr.19; vom 3.April 1974 II C 72.73, Buchholz 310, § 144 Nr.29, und vom 29.Juni 1977 V B 88.76, Steuerrechtsprechung in Karteiform –StRK–, Finanzgerichtsordnung, § 126, Rechtsspruch 54; Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 8.Mai 1952 IV ZR 208/51, BGHZ 6, 76, 79; Urteil des Reichsgerichts –RG– vom 16.Juni 1930 VI 775/29, RGZ 129, 224; Grimm, Bundesfinanzhof und Finanzgerichte, Festschrift des Bundesfinanzhofs, Fünfzig Jahre Deutsche Finanzgerichtsbarkeit, S.126, 135 ff., mit weiteren Nachweisen auf die die Rechtsprechung und Literatur).
b) Die Klägerin rügt, die in Belgien durchgeführten Nachforschungen hätten Verfahrensvorschriften verletzt. Diese Nachforschungen gingen auf eine Verfügung des Berichterstatters des FG vom 17.Februar 1975 zurück, der die BALM bat, „durch die zuständigen Zolldienststellen ermitteln zu lassen, ob der ausgeführte Speck in Belgien zum freien Verkehr abgefertigt worden ist”. Auf Rückfrage der BALM beim Berichterstatter präzisierte dieser, es müsse im Hinblick auf die Entscheidung des erkennenden Senats im ersten Rechtsgang geprüft werden, „ob bereits der Speck oder erst das Schmalz in Belgien in den freien Verkehr getreten sind”. Daraus ergibt sich, daß die Feststellung des FG, die Ware sei nicht nach Großbritannien gelangt, nicht auf diesen Ermittlungen in Belgien beruht und daher mit den entsprechenden Angriffen der Revision nicht erschüttert werden kann. Die Revisionsrügen haben aber überdies auch keinen Erfolg.
c) Die Klägerin rügt, die in Belgien durchgeführten Nachforschungen hätten gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Beweisaufnahme (§ 81 FGO) verstoßen; ihr, der Klägerin, hätte eine Teilnahme an den Terminen in Belgien ermöglicht werden müssen (Verstoß gegen § 83 FGO). Diese Rügen sind nicht ordnungsgemäß erhoben worden (§ 120 Abs.2 FGO). Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln –und um solche handelt es sich hier– gehört zur ordnungsmäßigen Rüge der Vortrag, daß ihre Verletzung in der Vorinstanz gerügt wurde (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung –ZPO–). Zu einer solchen Rüge hatte die Klägerin in der Vorinstanz genügend Gelegenheit. Die vom FG in Bezug genommenen vier Schreiben des belgischen Finanz- und Wirtschaftsministeriums, die das Ergebnis der Ermittlungen in Belgien enthielten, sind der Klägerin zusammen mit den Schriftsätzen der BALM, die sie vorgelegt hatte, jeweils zugegangen. In der mündlichen Verhandlung vom 6.Mai 1980 wurde überdies eines der Schreiben ausdrücklich verlesen, wie sich aus der Niederschrift ergibt. Dennoch hat die Klägerin in ihren anschließenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ausweislich der Niederschrift keinerlei Anträge, Hinweise oder Rügen zur Art und Weise der Durchführung der Ermittlungen in Belgien vorgebracht. Sie hat lediglich der Verwertung der ebenfalls verlesenen Anlage 3 des Berichts der OFD vom 14.Juni 1965 widersprochen, woraus zu entnehmen ist, daß sie gerade nicht der Verwertung der in Belgien erzielten Ermittlungsergebnisse widersprach.
d) Nicht zu folgen ist dem Einwand der Klägerin, im Verfahren vor dem Amtsgericht X sei es entscheidend um die Frage gegangen, ob der Speck geräuchert gewesen sei, und das Verbrauchsland habe eine untergeordnete Rolle gespielt. Der vom FG im Urteil in Bezug genommene und in der mündlichen Verhandlung teilweise verlesene Beschluß des Amtsgerichts vom 29.Juni 1967 ist im einzelnen auf die tatsächliche Durchführung der Ausfuhren eingegangen. Nach den vom erkennenden Senat aufgestellten Grundsätzen (Urteil vom 10.Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311) war das FG berechtigt, diese Feststellungen des Amtsgerichts zu verwerten. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, sie habe sich mit substantiierten Einwendungen gegen die strafgerichtlichen Feststellungen gewandt und entsprechende Beweisanträge gestellt.
e) Gegen die Berücksichtigung der Feststellungen im Prüfungsbericht vom 14.Juni 1965 durch das FG wendet die Klägerin ein, in dessen Tz.14 heiße es zwar, aus den Erledigungspapieren der luxemburgisch-belgischen Eingangszollstelle sei hervorgegangen, daß der Speck nicht nach Großbritannien ausgeführt worden sei; die dazugehörige Anlage enthalte aber hinsichtlich der Umwandlung der Zollpapiere jedenfalls für zwei Dokumente eine Fehlanzeige. Mit dieser Rüge wendet sich die Klägerin offensichtlich gegen die Beweiswürdigung des FG. Diese ist aber nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze vorgekommen sind. Das Revisionsgericht darf nur prüfen, ob die Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung einschließlich gezogener Schlüsse möglich war, ob das FG zu seinem Ergebnis kommen konnte; daß es dazu kommen mußte, ist nicht erforderlich. Der Vortrag der Klägerin belegt nicht, daß solche Fehler in der Beweiswürdigung vorgekommen sind. Das FG konnte durchaus aufgrund der vorliegenden Unterlagen trotz des Fehlens zweier Dokumente hinsichtlich der Umwandlung des Specks in Belgien zu dem Ergebnis gelangen, daß mit den Ausfuhrsendungen einheitlich verfahren worden ist, also auch die Sendungen, für die die genannten Papiere fehlten, das gleiche Schicksal hatten wie die anderen.
f) Unbegründet ist auch die Rüge der Klägerin, das FG hätte seine tatsächlichen Feststellungen nicht allein auf den Prüfungsbericht der OFD und den Beschluß des Amtsgerichts stützen dürfen, nachdem es zunächst die Auffassung vertreten habe, die tatsächliche Basis für die Urteilsfindung sei zu gering und es müßten Ermittlungen in Belgien angestellt werden. Nachdem diese kein greifbares Ergebnis gehabt hatten, hat das FG dadurch, daß es nun doch auf die erwähnten beiden Unterlagen zurückgegriffen hat, gegen Grundsätze der Beweiswürdigung nicht verstoßen. Das FG, das einzige Tatsacheninstanz ist, ist verpflichtet, den Sachverhalt unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehender Beweismittel bis zur Grenze des Zumutbaren zu erforschen (§ 76 Abs.1 FGO). In seiner Beweiswürdigung ist das FG aber frei (§ 96 Abs.1 FGO). Daraus ergibt sich, daß das FG, falls einzelne Ermittlungsmaßnahmen ohne Erfolg geblieben sind, nicht gehindert ist, sich die Überzeugung vom Sachverhalt aufgrund der übrigen Beweismittel zu verschaffen. Der Prüfungsbericht der OFD und der Beschluß des Amtsgerichts waren dafür eine genügende Grundlage. Das FG ist befugt, Vorgänge aus anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten.
Fundstellen