Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
übersteigt der Umsatz des Pächters eines landwirtschaftlichen Betriebs im ersten Wirtschaftsjahr nach Pachtbeginn die in § 1 Ziff. 3 der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft - VOL - vom 2. Juni 1949 (WiGBl 1949 S. 95) bezeichnete Umsatzgrenze, so ist der tatsächlich erzielte Gewinn dieses Wirtschaftsjahres der Besteuerung zugrunde zu legen.
Trägt der Verpächter eines landwirtschaftlichen Betriebs Reparaturaufwendungen, die im allgemeinen der Pächter zu machen hat, so muß bei einer Schätzung des Gewinns des Pächters in Anlehnung an die VOL der Umstand berücksichtigt werden, daß der Pächter Ausgaben erspart.
Normenkette
AO § 217; EStG § 4 Abs. 4; VOL § 1 Ziff. 3, § 5/1
Tatbestand
Streitig ist bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1952 bis 1958
von welchem Zeitpunkt an bei einem beginnenden Landwirt (Pächter) wegen überschreitens der Umsatzgrenze von 40 000 DM (§ 1 Ziff. 3 der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft - VOL - vom 2. Juni 1949 - Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949 S. 95 - ) der Gewinn nicht mehr nach der VOL, sondern durch Schätzung (§ 217 AO) zu ermitteln ist, und
ob die Geltendmachung von Reparaturaufwendungen durch den Verpächter als Werbungskosten zu einer Kürzung der abzugsfähigen Betriebsausgaben des Pächters führt.
Der Steuerpflichtige pachtete ab 1. Juli 1952 von seinem Vater einen landwirtschaftlichen Betrieb von 56,16 ha Fläche. Davon nahm der Vater ab 1. Juli 1956 8 ha Weidefläche in Eigenbewirtschaftung zurück.
Bis einschließlich 1953 lagen die erklärten Umsätze unter 40 000 DM jährlich. Das Finanzamt ermittelte zunächst bis einschließlich 1954 den Gewinn nach der VOL. Ab 1955 schätzte es den Gewinn. Im Einkommensteuerbescheid für 1955 vom 5. April 1957 teilte das Finanzamt dem Steuerpflichtigen mit, daß die VOL nicht mehr angewendet werden könne, da der geschätzte Umsatz 1954 45 120 DM betrage.
Bei einer im Jahre 1959 durchgeführten Betriebsprüfung nahm der Prüfer an, daß die Umsätze bereits seit 1. Juli 1952 (Beginn der Pachtung) mehr als 40 000 DM jährlich betragen hätten. Das Finanzamt berichtigte deshalb die Einkommensteuerveranlagungen für 1952 bis 1954, indem es den Gewinn schätzte. Außerdem berichtigte es die Veranlagung für 1953 bis 1956, indem es bei der Gewinnermittlung die Pachtzinsen um die vom Verpächter als Werbungskosten geltend gemachten Reparaturaufwendungen kürzte. Ebenso verfuhr das Finanzamt bei den Erstveranlagungen für 1957 und 1958. Die sich durch diese Behandlung der Reparaturkosten ergebenden Gewinnerhöhungen betrugen für 1953 1 564 DM, 1954 3 439 DM, 1955 2 187 DM, 1956 463 DM, 1957 302 DM und 1958 151 DM.
Die Einsprüche, mit denen der Steuerpflichtige Gewinnermittlung nach der VOL bis mindestens zum Wirtschaftsjahr 1954/55 einschließlich und Abzug der Reparaturkosten erstrebte, blieben ohne Erfolg. Mit der Berufung beantragte der Steuerpflichtige, den Gewinn bis zum Wirtschaftsjahr 1956/57, mindestens aber bis 1952/53, nach der VOL zu ermitteln und die Reparaturkosten gewinnmindernd zu berücksichtigen.
Das Finanzgericht, dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1962 S. 495 abgedruckt ist, entschied, daß der Gewinn bis zum Ende des Veranlagungszeitraums 1953 nach der VOL zu ermitteln sei. Ab 1. Januar 1954 sei der Steuerpflichtige Schätzungslandwirt, und zwar auch deshalb, weil er die Aufzeichnungen, zu deren Führung er nach § 15 Abs. 3 UStDB verpflichtet gewesen sei, nicht geführt habe. Die Kürzungen der Pachtzahlungen um die vom Verpächter als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen hielt das Finanzgericht für unzulässig, da es nach § 5 VOL nur auf die vom Pächter tatsächlich geleisteten Zahlungen ankomme. Im übrigen hielt die Vorinstanz die vom Finanzamt für die einzelnen Streitjahre in Anlehnung an die VOL vorgenommene Schätzung für angemessen.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Rechtsanwendung. Er macht geltend, daß der Steuerpflichtige auch schon für 1952 und 1953 als Schätzungslandwirt zu behandeln sei, weil der Umsatz in dem nach Auffassung des Finanzamts maßgebenden ersten Wirtschaftsjahr nach der Betriebsübernahme die Umsatzgrenze von 40 000 DM überschritten habe. Der Steuerpflichtige sei ab 1. Juli 1952 aufzeichnungspflichtig gewesen, habe Aufzeichnungen jedoch nicht gemacht. Auch wenn eine Betriebsprüfung rückwirkend feststelle, daß Umsätze von mehr als 40 000 DM jährlich erzielt worden seien, lägen für den geprüften Zeitraum die Voraussetzungen der Schätzung vor. Schließlich weist der Vorsteher des Finanzamts darauf hin, daß das Finanzgericht die Sonderabschreibung nach § 77 EStDV 1956/57 nicht hätte gewähren dürfen, wenn es den Steuerpflichtigen ab 1. Juli 1957 für buchführungspflichtig gehalten habe. Die Kürzung der Pachtzahlungen um die vom Verpächter geleisteten Reparaturaufwendungen sei gerechtfertigt, weil sich aus einem eigenen und aus einem gepachteten Betriebe keine unterschiedlichen Gewinne ergeben dürften. Reparaturaufwendungen seien bereits durch die Richtsätze abgegolten.
Wegen der zu 1. bezeichneten grundsätzlichen Rechtsfrage ist auf Ersuchen des Senats der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten. Außerdem hat der Senat dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie dem Zentralausschuß der deutschen Landwirtschaft Gelegenheit zur äußerung gegeben. Die Stellungnahmen sind im Urteil des Senats IV 55/60 U vom 25. März 1965 (BStBl 1965 III S. 429) im wesentlichen wiedergegeben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.
I.
Wie der Senat in der Entscheidung IV 55/60 U ausführte ist bei der Eröffnung oder übernahme eines landwirtschaftlichen Betriebs für die Beantwortung der Frage, ob die in § 1 Ziff. 3 VOL bezeichnete Umsatzgrenze im Einzelfall überschritten ist, das Wirtschaftsjahr maßgebend, für das der Gewinn ermittelt wird. Diese Grundsätze gelten auch für Pächter von landwirtschaftlichen Betrieben.
Die Entscheidung des Finanzgerichts für die Streitjahre 1952 und 1953 ist aufzuheben, da sie von anderen Grundsätzen ausging. Das gilt auch für die Einspruchsentscheidung, soweit sie die Veranlagungszeiträume 1952 und 1953 betrifft, weil das Finanzamt bei der Ermittlung des maßgebenden Umsatzes (§ 1 Ziff. 3 VOL) von dem auf ein Kalenderjahr umgerechneten Umsatz des Halbjahres vom 1. Juli bis 31. Dezember 1952, anstatt vom Umsatz des Wirtschaftsjahres 1952/53, ausging. Dadurch gelangte das Finanzamt zu einer unzutreffenden Berechnung des Umsatzes. Der Steuerpflichtige bestritt in den Vorinstanzen die Höhe der Umsätze und machte insbesondere geltend, bei der schlechten Bodenbeschaffenheit hätten die den Richtsätzen entsprechenden Umsätze nicht erzielt werden können, wie aus dem dem Finanzamt vorliegenden Gutachten hervorgehe. Das Finanzgericht traf hierzu keine Feststellungen. Es muß deshalb noch ermittelt werden, ob in den Streitjahren 1952 und 1953 die Umsatzgrenze von 40 000 DM überschritten wurde, mit der Folge, daß der Gewinn für diesen Zeitraum zu schätzen ist.
Die Vorentscheidungen sind für das Streitjahr 1953 noch aus einem weiteren Grunde aufzuheben, der auch für die Streitjahre 1954 bis 1958 zutrifft. Der Senat tritt dem Vorsteher des Finanzamts im Ergebnis darin bei, daß sich die Ersparnis des Steuerpflichtigen an Reparaturaufwendungen gewinnerhöhend auswirkt. Unzutreffend ist es jedoch, die Reparaturaufwendungen, die der Verpächter als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzog, beim Steuerpflichtigen durch Kürzung des Pachtzinses zu berücksichtigen. Eine Nichtanerkennung eines Teils des Pachtzinses als Betriebsausgabe kommt nur in Betracht, wenn der Pachtzins mit Rücksicht auf die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Verpächter und Pächter überhöht ist. Dafür bietet der Streitfall keinen Anhaltspunkt. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Pachtsumme in voller Höhe als Betriebsausgabe abzugsfähig ist. Soweit der Pächter dadurch, daß der Verpächter Reparaturaufwendungen macht, DIE DER Pächter zu tragen hätte, Betriebsausgaben erspart, wirkt sich diese Ersparnis durch entsprechende Erhöhung des Betriebsergebnisses (vor Abzug der Pachtzinsen) aus. Ein buchführender Landwirt würde in Höhe dieser Ausgabenersparnis einen erhöhten Gewinn ausweisen. Da bei einer Schätzung derjenige Gewinn zu ermitteln ist, der sich bei ordnungsmäßiger Buchführung wahrscheinlich ergäbe, ist die Ausgabenersparnis entsprechend zu berücksichtigen. Wenn bei der Gewinnschätzung Richtsätze angewendet werden, bei denen alle Reparaturkosten berücksichtigt sind, ist der Gewinn um die Ersparung berücksichtigter Aufwendungen zu erhöhen.
II. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzamt zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Das Finanzamt hat für die Wirtschaftsjahre 1952/53 bis 1955/56 nochmals zu prüfen, ob die Umsatzgrenze von 40 000 DM überschritten wurde und in den einzelnen Wirtschaftsjahren die Voraussetzungen für die Schätzung des Gewinns vorlagen. Dabei werden die vom Steuerpflichtigen gegen die Höhe der Umsatzschätzungen geltend gemachten Einwendungen zu erörtern sein.
Bei der Schätzung des Gewinns für die Streitjahre 1953 bis 1958 hat das Finanzamt zu prüfen, in welchem Umfang der Steuerpflichtige dadurch, daß der Verpächter die Kosten der Reparaturaufwendungen trug, eigene Ausgaben ersparte. Es hat also festzustellen, inwieweit es sich um Reparaturausgaben handelte, die der Verpächter ohnedies zu tragen gehabt hätte (vgl. § 582 BGB).
Sollte sich ergeben, daß für einzelne Wirtschaftsjahre der Gewinn nach den Vorschriften der VOL zu ermitteln ist, so ist folgendes zu beachten. Nach § 2 Abs. 3 VOL sind vom Grundbetrag (§ 2 Abs. 1 VOL) die tatsächlich verausgabten Pachtzinsen abzusetzen. Die auf Vereinfachung abgestellte VOL gestattet weder eine Korrektur der Pachtzinsen noch eine Berichtigung des sich aus dem Grundbetrag ergebenden Ertrages. Es könnte deshalb allenfalls eine Gewinnerhöhung durch Zuschläge im Sinn des § 7 oder des § 9 Abs. 2 VOL in Betracht kommen. Es handelt sich jedoch bei der Tragung von Reparaturkosten durch den Verpächter weder um nachhaltige Betriebseinnahmen (§ 7 VOL) des Pächters noch um solche Betriebseinnahmen, die neben den nachhaltigen Einnahmen nur in einzelnen Jahren erzielt werden (§ 9 Abs. 2 VOL). Eine Anwendung der Vorschriften des § 7 oder des § 9 Abs. 2 VOL auf Fälle einer Ausgabenersparnis würde nicht nur dem Wortlaut ( "Betriebseinnahmen" ) , sondern auch der Systematik und dem Zweck der Vorschriften über die Besteuerung nach Durchschnittsätzen, der in der Vereinfachung der Gewinnermittlung besteht, widersprechen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 252/59 U vom 5. September 1963, BStBl 1963 III S. 579, Slg. Bd. 77 S. 704).
Fundstellen
Haufe-Index 411591 |
BStBl III 1965, 431 |
BFHE 1965, 509 |
BFHE 82, 509 |
BB 1965, 816 |
DB 1965, 1126 |