Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlust der Unternehmereigenschaft
Leitsatz (NV)
1. Veräußert ein Unternehmer das gesamte Betriebsvermögen an seine Ehefrau, so bleibt er nicht deshalb Unternehmer, weil der Übertragungsvertrag hinsichtlich der Zahlungsweise und der Sicherheitsleistung Abmachungen enthält, die unter Fremden üblicherweise nicht vereinbart werden.
2. Zur Zurechnung von Wirtschaftsgütern.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 5 Abs. 1; AO 1977 § 39 Abs. 1, 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis zum 31. Dezember 1973 ein Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft. Dieses übertrug er zum 31. Dezember 1973 durch formlose Vereinbarung auf seine Ehefrau. Von diesem Zeitpunkt an arbeitete er als Angestellter in deren Unternehmen. Er vermietete das Geschäftslokal, das in einem ihm gehörenden Gebäude lag, an seine Ehefrau für eine Mietdauer von 10 Jahren und gegen einen Mietzins, der in den ersten drei Jahren monatlich 3 500 DM betrug.
In der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1974 wies die Ehefrau des Klägers eine Kaufpreisschuld in Höhe von 332 512 DM aus. Diese Verbindlichkeit wurde im Jahre 1974 nicht, im Jahre 1975 um 10 000 DM und im Jahre 1976 um 50 000 DM gemindert. An Tantiemeverpflichtungen gegenüber dem Kläger wurden in den Bilanzen zum 31. Dezember 1974 8 780 DM, zum 31. Dezember 1975 39 896 DM und zum 31. Dezember 1976 85 559 DM passiviert.
Nach einer Betriebsprüfung stellte sich der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) auf den Standpunkt, daß der Kläger auch in den Streitjahren 1974 bis 1976 Alleininhaber des Lebensmittelgeschäfts gewesen sei.
Dementsprechend erließ das FA für die Streitjahre Gewerbesteuermeßbescheide gegen den Kläger. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Mit der Klage machte der Kläger geltend, nicht er, sondern seine Ehefrau sei Unternehmerin gewesen. Die Übertragung des Betriebs sei dem zuständigen Ordnungsamt, dem Fachverband, der Hausbank und den Lieferanten mitgeteilt worden. Daraus habe jeder Dritte erkennen können, daß die Geschäfte auf Rechnung und Gefahr seiner Ehefrau geführt worden seien.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus:
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) sei der Unternehmer gewerbesteuerpflichtig. Das sei derjenige, auf dessen Rechnung und Gefahr das Unternehmen betrieben werde. Es komme nicht allein darauf an, wer nach außen als Unternehmer aufgetreten sei. Im Streitfall sei der Kläger und nicht seine Ehefrau als Unternehmer anzusehen. Die zwischen den Ehegatten abgeschlossenen Verträge könnten der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Es sei allgemein anerkannt, daß Vereinbarungen unter Ehegatten steuerrechtlich nicht anzuerkennen seien, wenn sie nicht dem entsprächen, was unter Fremden üblich sei; dies gelte auch für Verträge über die entgeltliche Übertragung von Einkunftsquellen. Die Übertragungsvereinbarung zwischen den Eheleuten könnte im Streitfall ertragsteuerlich nicht berücksichtigt werden, weil es zwischen Fremden nicht üblich sei, Kaufpreisforderungen in Höhe von rund 230 000 DM ohne jede Sicherheitsleistung zunächst zinslos zu stunden und die Rückzahlung von völlig unbestimmten Kriterien oder von der Geschäftslage abhängig zu machen.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und der Grundsätze des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Er beantragt sinngemäß, daß FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 9. März 1979 und die Gewerbesteuermeßbescheide 1974 bis 1976 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das FG-Urteil ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Unternehmer gewerbesteuerpflichtig ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG) und daß ferner Unternehmer derjenige ist, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Die Frage, wer Unternehmer im Sinne des GewStG ist, ist identisch mit der Frage, wer Unternehmer i. S. des § 15 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist als Unternehmer im Sinne des EStG und damit des GewStG anzusehen, wer Unternehmerinitiative entfaltet und Unternehmerrisiko trägt (vgl. z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 440, BStBl II 1984, 751, 769). Unternehmerinitiative übt aus, wer in der Lage ist, die unternehmerischen Entscheidungen zu fällen. Unternehmerrisiko trifft denjenigen, dem der Erfolg eines Unternehmens gebührt und der den Mißerfolg zu tragen hat; dieses Risiko wird regelmäßig dadurch vermittelt, daß jemandem der Gewinn oder der Verlust sowie die stillen Reserven einschließlich des Geschäftswerts zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 19. Februar 1981 IV R 152/76, BFHE 133, 180, BStBl II 1981, 602).
2. Das FG hat in dem angefochtenen Urteil keine Tatsachen festgestellt, aus denen sich ergibt, daß der Kläger hinsichtlich des an seine Ehefrau übertragenen Lebensmittelgeschäfts in dem dargestellten Sinne Unternehmerinitiative entfaltet und Unternehmerrisiko getragen hat. Es hat seine Entscheidung, daß der Kläger Unternehmer des Lebensmittelgeschäfts gewesen sei, darauf gestützt, daß die Übertragung des Betriebsvermögens auf seine Ehefrau ertragsteuerrechtlich nicht anerkannt werden könne, weil die Abmachungen über die Zahlung des Kaufpreises und das Fehlen der Sicherheitsleistung nicht dem entsprächen, was unter Fremden üblicherweise vereinbart worden wäre. Diese Feststellungen genügen nicht, um entscheiden zu können, wer im Streitfall Unternehmer des Gewerbebetriebs war. Da es dem BFH nach § 118 Abs. 2 FGO verwehrt ist, die für die Beurteilung des Streitfalls erforderlichen Tatsachen festzustellen, war das angefochtene Urteil aufzuheben.
3. Bei der erneuten Entscheidung wird das FG zu prüfen haben, ob der Kläger oder seine Ehefrau Unternehmerinitiative entfaltet und wer von beiden das Unternehmerrisiko getragen hat. Dabei sind die Gesamtumstände des Falles zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Beurteilung der Unternehmerinitiative hat das FG zu beachten, daß sie in der Person des Betriebsinhabers nicht allein deshalb zu verneinen ist, weil dieser durch einen Anstellungsvertrag einem Dritten die Geschäftsführung übertragen hat; dies hat seinen Grund in der Weisungsgebundenheit des Angestellten. Weiter kommt es für die Frage, ob jemand Unternehmerinitiative entfaltet, darauf an, ob und in welchem Umfang er auf die Geschäftsführung Einfluß nehmen kann, und nicht darauf, ob dies auch tatsächlich geschieht (BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VIII R 65/84, BFHE 142, 221, BStBl II 1985, 85). Bei der Entscheidung, wer Unternehmerrisiko getragen hat, wird das FG insbesondere auch darauf abstellen müssen, wer im Falle von Verlusten mit seinem Vermögen für die Forderungen der Gläubiger haftet.
Soweit das FG bei seiner Entscheidung der Frage Bedeutung beimißt, wer im Streitfall Eigentümer der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens war, hat es davon auszugehen, daß gemäß § 39 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) Wirtschaftsgüter ertragsteuerrechtlich dem Eigentümer zuzurechnen sind. Damit ist der Eigentümer im zivilrechtlichen Sinne gemeint (Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 39 AO 1977 Tz. 1). Abweichend hiervon bestimmt § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977, daß Wirtschaftsgüter dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzuordnen sind, sofern im Einzelfall der zivilrechtliche Eigentümer nicht auch wirtschaftlicher Eigentümer ist. Demnach ist im Streitfall ggf. zu prüfen, ob der Kläger nach den abgeschlossenen Verträgen noch zivilrechtlicher Eigentümer war oder ob er ggf. nach Übergang des zivilrechtlichen Eigentums auf seine Ehefrau wirtschaftlicher Eigentümer i. S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 geworden ist. Die Entscheidung, ob der Kläger oder seine Ehefrau zivilrechtlicher Eigentümer war, richtet sich allein nach den einschlägigen Vorschriften des bürgerlichen Rechts; dabei kommt es entgegen der Auffassung des FG auf spezifisch ertragsteuerrechtliche Erwägungen nicht an, wie sie z. B. bei zivilrechtlich wirksam zustande gekommenen Arbeits- oder Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen hinsichtlich der Frage anzustellen sind, welche einkommensteuerrechtlichen Folgen aus den Vertragsabschlüssen im Hinblick auf die Vorschrift des § 12 Nr. 2 EStG zu ziehen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 414218 |
BFH/NV 1986, 359 |