Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Zwischenurteil zur Liebhaberei
Leitsatz (NV)
Über die Vorfrage, ob der Kläger die Absicht gehabt hat, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, darf nicht durch Zwischenurteil (§ 99 FGO) vorab entschieden werden.
Normenkette
FGO § 99; EStG § 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie schlossen am 20./21. Dezember 1978 mit der X-Mietkauf-Betreuungsgesellschaft mbH (X) einen Betreuungs- und Verwaltungsvertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses im Mietkaufmodell. Am 11. August 1980 änderten die Kläger und die X den Betreuungs- und Verwaltungsvertrag dahin, daß alle Bestimmungen hinsichtlich der Beschaffung eines Mietkäufers entfallen. Statt dessen verpflichtete sich die X, den Bauherren frühestmöglich einen Endmieter nachzuweisen, der bereit war, einen Vorhandvertrag auf die Dauer von höchstens fünf Jahren seit Bezugsfertigkeit und einen Darlehensvertrag abzuschließen. Das Einfamilienhaus war am 1. November 1980 bezugsfertig. Es ist seit Dezember 1980 vermietet. 1981 hoben die Kläger und die X die zwischen ihnen geschlossenen Verträge (Mietvertrag und Betreuungsvertrag) auf. Ein Optionsvertrag mit einem Mietkäufer kam nicht zustande.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1980 machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Einfamilienhauses einen Werbungskostenüberschuß von 49 387 DM geltend, den der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zunächst nicht anerkannte, weil ,,Liebhaberei" vorliege. Das FA änderte diesen Bescheid mehrfach; in dem letzten Änderungsbescheid erkannte es die Aufwendungen, die nach der Vertragsänderung am 11. August 1980 angefallen sind, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an.
Nach insoweit erfolglosem Vorverfahren begehrten die Kläger mit ihrer Klage, die Werbungskosten in vollem Umfang zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) erließ ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs mit folgender Urteilsformel: ,,Die Kläger haben während des gesamten Jahres 1980 aus dem Grundstück in K., Haus 16, steuerpflichtige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt." Zur Begründung führte es aus, es sei sinnvoll, zunächst durch Grundurteil gemäß § 99 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darüber zu entscheiden, ob die Kläger überhaupt in der Zeit vom 1. Januar bis 10. August 1980 den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht haben. Dies sei nach den vom Bundesfinanzhof (BFH) in den Urteilen vom 31. März 1987 IX R 111/86 (BFHE 150, 7, BStBl II 1987, 668) und IX R 112/83 (BFHE 150, 325, BStBl II 1987, 774) entwickelten Grundsätzen zu bejahen.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 2 Abs. 1 Nr. 6 und 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FG habe zu Unrecht die Absicht der Kläger, einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, bejaht. Aus den Gesamtumständen ergebe sich vielmehr, daß sie jedenfalls im Streitjahr noch die Absicht gehabt hätten, das Grundstück sobald wie möglich zu verkaufen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur ersatzlosen Aufhebung der Vorentscheidung. Die Voraussetzungen für den Erlaß eines Zwischenurteils i. S. von § 99 FGO liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift darf das Gericht bei einer Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt der in § 348 der Abgabenordnung (AO 1977) bezeichneten Art nur dann durch Zwischenurteil über den Grund vorab entscheiden, wenn ein Anspruch nach Grund und Betrag strittig ist. Anspruch in diesem Sinn ist nicht der Prozeßanspruch des Klägers, sondern der materielle Steueranspruch des FA (vgl. Urteil des BFH vom 14. Juli 1982 II R 1/81, BFHE 136, 506, BStBl II 1983, 25, m.w.N.). § 99 FGO eröffnet nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, nicht die Möglichkeit, über die Höhe eines einzelnen Besteuerungsmerkmals zu befinden (BFH-Urteile vom 20. Juni 1968 IV R 222/66, BFHE 93, 365, BStBl II 1968, 804; vom 6. November 1969 IV R 209/67, BFHE 97, 407, BStBl II 1970, 188; vom 5. März 1974 I R 91/72, BFHE 111, 460, BStBl II 1974, 359; vom 14. Mai 1980 I R 135/77, BFHE 131, 194, BStBl II 1980, 695). Der Einkommensteueranspruch ist im vorliegenden Fall nicht dem Grunde, sondern der Höhe nach umstritten. Umstritten ist nur die Höhe einer einzelnen Besteuerungsgrundlage, nämlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Das BFH-Urteil vom 12. Juni 1986 V R 93/76 (BFH/NV 1987, 781), aus dem die Vorinstanz die Berechtigung zum Erlaß des Zwischenurteils herleitet, steht nicht in Widerspruch zu der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der V. Senat des BFH hält in dieser Entscheidung den Erlaß eines Zwischenurteils ebenfalls für unzulässig, wenn nicht sämtliche den Anspruchsgrund betreffenden Punkte, auch soweit sie zwischen dem Steuerpflichtigen und dem FA nicht umstritten sind, erledigt werden. Im vorliegenden Fall hat das FG zu den Besteuerungsgrundlagen, die nicht das Einfamilienhaus betreffen, keine Feststellungen getroffen, so daß auch nach dem Urteil in BFH/NV 1987, 781 kein Zwischenurteil ergehen durfte. Das Urteil des II. Senats in BFHE 136, 506, BStBl II 1983, 25 betrifft den Sonderfall des Streites um die Grunderwerbsteuerpflicht; die Grundsätze dieses Urteils lassen sich auf Steuerarten, bei denen sich der Steueranspruch auf eine Vielzahl von Besteuerungsgrundlagen gründet, nicht übertragen.
Der Mangel der Zulässigkeit des Zwischenurteils ist ohne Rüge von Amts wegen zu berücksichtigen (Urteil in BFHE 131, 194, BStBl II 1980, 695, m.w.N.). Mit der Aufhebung des Zwischenurteils befindet sich das Klageverfahren wieder in der Lage, die vor Erlaß des Zwischenurteils bestanden hat, ohne daß es einer förmlichen Zurückverweisung bedarf (BFH-Urteil vom 30. Mai 1975 III R 72/74, BFHE 116, 93, BStBl II 1975, 714).
Bei der erneuten Entscheidung wird das FG zu berücksichtigen haben, daß die Absicht, einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, regelmäßig nicht besteht, solange der an dem Mietkaufmodell Beteiligte sich noch nicht entschieden hat, ob er das Grundstück langfristig vermieten oder es innerhalb der Optionsfrist veräußern will.
Fundstellen
Haufe-Index 416072 |
BFH/NV 1989, 513 |