Leitsatz (amtlich)
Eine Freimaurerloge dient nicht unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 17 bis 19 StAnpG und ist deshalb nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 VStG von der Vermögensteuer befreit.
Normenkette
StAnpG §§ 17-19; VStG § 3 Abs. 1 Nr. 6
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ab dem 1. Januar 1958 bis zum Ablauf des Vermögensteuer-Hauptveranlagungszeitraums am 31. Dezember 1959 wegen Gemeinnützigkeit von der Vermögensteuer befreit ist.
Nach den Feststellungen des FG gehört die Klägerin der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland zu Berlin (GLL) an, die sich im Jahre 1958 mit der Vereinigten Großloge der alten, freien und angenommenen Maurer von Deutschland (AFAM) zu dem Verband der Vereinigten Großlogen von Deutschland - Bruderschaft der Deutschen Freimaurer (VGL) - zusammengeschlossen hat. Nach § 1 Abs. 2 ihrer am 1. Januar 1958 geltenden Satzung umfaßt die Pflege der Freimaurerei durch die Logen nach der Lehrart der GLL "die Förderung wahrer christlicher Religiosität, allgemeiner Menschenliebe, Hebung der Sittlichkeit und Erhöhung der Würde und des Wohles der Menschheit durch vorbildlichen, einwandfreien Lebenswandel, Duldsamkeit auf allen Gebieten der Kultur und Eintritt für den Völkerverständigungsgedanken unter Wahrung der Liebe zum eigenen Vaterland". Nach § 1 Abs. 3 dieser Satzung wollen die GLL und ihre Tochterlogen ihre Zwecke "durch die der GLL eigene Lehrund Übungsart verwirklichen". Sie "suchen ihre Mitglieder stufenweise fortschreitend zu edler, reiner Menschlichkeit, Duldsamkeit, Versöhnlichkeit, Selbstlosigkeit, Hilfsbereitschaft und Wohltätigkeit zu erziehen und für ihre Stellung in der Welt tüchtig und geschickt zu machen, im gleichen Sinn auf die Nebenmenschen einzuwirken und die gleichen Grundsätze allgemein zur Anerkennung zu bringen".
Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) hatte die Klägerin zunächst durch einen vorläufigen Bescheid vom 4. März 1959 und, nachdem die Klägerin die Sprungberufung gegen diesen Bescheid zurückgenommen hatte, durch einen endgültigen Bescheid vom 6. Dezember 1963 auf den 1. Januar 1957 zur Vermögensteuer veranlagt. Die Klägerin hatte durch Schreiben vom 14. Oktober 1963 gemäß § 226 Abs. 1 AO beantragt, auszusprechen, daß ab dem 1. Januar 1958 Vermögensteuer nicht mehr zu entrichten sei. Diesen Antrag hatte das FA durch Bescheid vom 23. Oktober 1963 abgelehnt. Die gegen diesen Bescheid eingelegte Sprungberufung, die das FG nach dem Inkrafttreten der FGO als Sprungklage behandelte, hatte Erfolg. Das FG hob den ablehnenden Bescheid vom 23. Oktober 1963 auf und verpflichtete das FA, die Klägerin ab dem 1. Januar 1958 bis zum Ablauf des zu diesem Zeitpunkt laufenden Vermögensteuer-Hauptveranlagungszeitraums, am 31. Dezember 1959, von der Vermögensteuer freizustellen.
Mit der vom FG ausdrücklich ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes zugelassenen Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen. Die Revision wird auf Verletzung des § 17 StAnpG, der §§ 4, 5, 11, 12 und 15 der Gemeinnützigkeitsverordnung (GemV) und des § 3 Abs. 1 Nr. 6 VStG gestützt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Es werde nicht bezweifelt, daß die von der Klägerin verfolgten humanitären und ethischen Ziele für sich allein betrachtet die Voraussetzungen des § 17 StAnpG erfüllen könnten. Da neben der Verfolgung humanitärer und ethischer Ziele als selbständiger, nicht die Voraussetzungen des § 17 StAnpG erfüllender Hauptzweck oder zumindest als steuerschädlicher Nebenzweck die Pflege der Freimaurerei als solche (im weitesten Sinne, also unter Einbeziehung der Pflege der Geselligkeit) stehe, fehle es aber an dem Merkmal der Ausschließlichkeit. Soweit es sich um die Einwirkung auf die Mitglieder der Loge handle, fehle es außerdem am Merkmal der Allgemeinheit. Soweit auf Nichtmitglieder eingewirkt werde (Arbeit zum "gemeinsamen Wohlergehen aller Menschen"), fehle es am Merkmal der Unmittelbarkeit.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 17 Abs. 1 StAnpG sind gemeinnützig solche Zwecke, durch deren Erfüllung ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert wird. Das FG hat eine ausschließliche Förderung der Allgemeinheit deswegen bejaht, weil nach seiner Auffassung die Klägerin nur die in § 1 Abs. 2 ihrer Satzung vom 13. Februar 1957 genannten Zwecke, die unbestritten und unbestreitbar gemeinnützig sind, verfolgt und die in § 1 der Satzung genannte Pflege der Freimaurerei nach der Lehrart der GLL lediglich ein Mittel zur Erreichung dieser Zwecke sei. Der Senat hat zwar erhebliche Bedenken, ob diese Auffassung des FG der Bedeutung gerecht wird, die der Pflege der Freimaurerei und der Lehrart der GLL in § 1 und in § 6 Abs. 3 bis 5 der Satzung beigemessen wird. Diese Frage braucht jedoch nicht abschließend entschieden zu werden, weil es nach Auffassung des Senats auf jeden Fall an der zweiten in § 17 Abs. 1 StAnpG geforderten Voraussetzung für die Annahme gemeinnütziger Zwecke fehlt, daß durch diese Zwecke die Allgemeinheit auch unmittelbar gefördert wird. Denn auch wenn man sich mit dem FG und der Klägerin auf den Standpunkt stellt, daß die Pflege der Freimaurerei nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck ist, so kommt dieses nach Auffassung der Klägerin wichtigste Erziehungsmittel unmittelbar nur den Logenmitgliedern zugute. Die sogenannte Öffentlichkeitsarbeit durch Vorträge an Gästeabenden kann nicht als unmittelbar auf die Erziehung gerichtete Tätigkeit angesehen werden. Mit ihr will die Klägerin nach Auffassung des Senats in erster Linie nur über die Logenarbeit aufklären und vielleicht auch neue Mitglieder werben. Das geht aus einem Interview hervor, das der Großmeister der Vereinigten Großlogen von Deutschland der Zeitschrift "Der Spiegel" gewährt hat (vgl. "Der Spiegel" Nr. 15/63 S. 58) und in dem er ausdrücklich erklärt hat, es werde jedem Logenmeister zur Pflicht gemacht, "fortgesetzt die profane Welt über die Freimaurer aufzuklären. In angemessener Form natürlich". Eine unmittelbare Förderung der Allgemeinheit wäre deshalb nur dann zu bejahen, wenn man diesen kleinen Personenkreis als vollgültigen Ausschnitt der Allgemeinheit ansehen könnte. Das ist jedoch entgegen der Auffassung des FG nicht möglich. Es ist zwar richtig, daß nach § 3 Abs. 1 der Satzung die Klägerin keine geschlossene Mitgliederzahl hat und alle unbescholtenen Männer, die mindestens das 21. Lebensjahr vollendet haben, Mitglieder der Klägerin werden können. Es mag auch sein, daß die tatsächliche Geschäftsführung mit dieser Satzungsbestimmung übereinstimmt, d. h. daß in der Praxis keine einschränkenden Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft bestehen. Ein Personenkreis kann jedoch nach Auffassung des Senats dann nicht als Ausschnitt der Allgemeinheit angesehen werden, wenn er das selbst nicht sein will, wenn er vielmehr zu erkennen gibt, daß er sich von der Allgemeinheit absondern will. Das tut aber die Klägerin, wenn sie ihre Mitglieder zur Verschwiegenheit über die Lehrart nach der GLL und die darin festgelegten. Gebräuche und Formen verpflichtet. Diese Verpflichtung kommt klar in § 5 letzter Absatz der Satzung zum Ausdruck, in dem für den Fall des Ausscheidens eines Mitglieds bestimmt ist, daß der Ausscheidende die in seinem Besitz befindlichen, auf die Freimaurerei bezüglichen Schriften, Bücher und alle sonstigen Gegenstände, auch wenn sie sein persönliches Eigentum sind, unverzüglich der Klägerin zu übergeben hat und daß jedes Mitglied durch Verfügung von Todes wegen seinen Erben aufzuerlegen hat, statt seiner dieser Herausgabeverpflichtung nachzukommen. Es kommt auch in den von der Klägerin zu den Akten überreichten Mitteilungen für Aufnahmesuchende zum Ausdruck, in denen es heißt: "Die Bruderschaft fordert von dem Manne, der zu ihr kommt, Verschwiegenheit über ihre Formen und Gebräuche." Diese Verschwiegenheit geht nach Auffassung des Senats über das hinaus, was man, wie das FG meint, bei internen Vorgängen zur Wahrung der "Intimsphäre" jeder Körperschaft zubilligen muß. Der Senat sieht darin zwar keine gesetzeswidrige oder aus moralischen Gründen abzulehnende Geheimbündelei. Er wertet sie aber als einen Ausdruck dafür, daß die Klägerin sich von der Allgemeinheit absondern will. Ein weiteres Indiz dafür, daß der durch die Mitglieder der Klägerin gebildete Personenkreis selbst nicht die Allgemeinheit repräsentieren will, könnte sich schließlich aus der Tatsache ergeben, daß nach der Satzung nur Männer Mitglieder sein können. Das wäre nur dann erklärlich, wenn die von der Klägerin erstrebten Zwecke auch nur Männern zugute kommen könnten, wie es z. B. bei manchen Sportarten denkbar ist. Die von der Klägerin nach § 1 Abs. 2 der Satzung erstrebten Zwecke können aber auch Frauen zugute kommen. Wenn die Klägerin die Frauen trotzdem von dem Erwerb der Mitgliedschaft ausschließt, so gibt sie damit zu erkennen, daß sie zumindest nicht Repräsentantin dieses Teils der Allgemeinheit sein will.
Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Weil durch die satzungsmäßig erstrebten Zwecke die Allgemeinheit nicht unmittelbar gefördert wird, steht der Klägerin die Vermögensteuerfreiheit des § 3 Abs. 1 Nr. 6 VStG nicht zu. Ihre Klage war deshalb abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 70392 |
BStBl II 1973, 430 |
BFHE 1973, 451 |