Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung eines Einfamilienhauses im Sachwertverfahren
Leitsatz (NV)
1. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit (§ 70 Abs. 1 BewG) ist ein Typusbegriff und bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1 BewG in erster Linie nach der Verkehrsauffassung, wobei die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen sind. Die demzufolge ebenso wie die objektiven entscheidenden subjektiven Merkmale müssen allerdings dann zurücktreten, wenn sie mit den objektiven Merkmalen in Widerspruch stehen.
2. Der im BewG nicht definierte Begriff der Wohnung ist als Zusammenfassung von mehreren Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist. Ferner ist erforderlich, daß Abgeschlossenheit gegenüber anderen Wohnungen und Wohnräumen vorliegt und ein selbständiger Zugang besteht. Schließlich müssen die notwendigen Nebenräume, wie Toilette, eine besondere Waschgelegenheit bzw. Bad oder Dusche und eine Küche vorhanden sein.
3. Die Anwendung des Sachwertverfahrens bei einem Einfamilienhaus (§ 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG) kann sowohl durch das Vorhandensein einer Schwimmhalle als auch durch das einer Wohnfläche von rd. 280 qm gerechtfertigt sein.
Normenkette
BewG § 2 Abs. 1, § 70 Abs. 1, §§ 75-76
Tatbestand
Im März 1975 beantragte die Klin. die Genehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses mit Doppelgarage und Schwimmbad auf den Grundstücken Fl. Nr. .. . ./86, . . ./87 und . . ./90, die zusammen 1 704 qm groß sind. Das Bauvorhaben wurde entsprechend den eingereichten und genehmigten Bauplänen Ende 1975 fertiggestellt. Das Grundstück Fl. Nr. . . ./90 ist als Garten angelegt; es ist zusammen mit den beiden anderen Parzellen eingezäumt. Die Wohnfläche des zweigeschossigen Wohnhauses beträgt im Erd- und Obergeschoß je rd. 140 qm. Im Erdgeschoß befinden sich neben der Küche und einem Arbeitsraum ein Wohnzimmer und eine Wohndiele mit je rd. 49 qm. Im Obergeschoß sind fünf Zimmer, ein Bad und ein weiterer Duschraum sowie eine Diele mit rd. 25 qm. Die Diele ist mit der Wohndiele im Erdgeschoß durch eine Wendeltreppe verbunden. Daneben besteht noch ein weiteres Treppenhaus. Im Keller ist ein Partyraum mit 39 qm ausgebaut. Im Dachgeschoß, in dem nach dem Bauplan ein Abstellraum (11,34 qm), ein Trockenraum (56,22 gm) und ein Spielzimmer (38,76 qm), verbunden mit einer Loggia eingebaut werden sollten, waren nach den Angaben der Klin. am 1. Januar 1976 vier Räume und ein Abstellraum vorhanden. Die Versorgungsleitungen für Heizung, Wasser, Abfluß und Strom waren nach den Angaben der Klin. zu diesem Zeitpunkt bereits verlegt. Die Räume wurden am 1. Januar 1976 als Abstellräume genutzt.
Nach Norden hin schließt sich an das zweigeschossige Wohnhaus ein eingeschossiges Nebengebäude an, in dem sich ein Schwimmbecken mit 57 qm, ein Umkleideraum einschließlich WC, ein Abstellraum und die Doppelgarage befinden.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 15. April 1977 räumte die Klin. ihrer Mutter ein Wohnrecht am gesamten ersten Stock des Gebäudes ein; durch Nachtragsvertrag vom 15. Dezember 1977 wurde vereinbart, daß sich dieses Wohnrecht auf das Dachgeschoß beziehen sollte. Im September und Oktober wurden nach Angaben der Klin. für das Dachgeschoß Küchenmöbel geliefert und anschließend ein Herd, eine Spüle und ein WC angeschlossen.Unter Zusammenfassung der drei Parzellen stellte das FA zum 1. Januar 1976 die Grundstücksart Einfamilienhaus und den Einheitswert im Sachwertverfahren auf . . . DM fest.
Mit der Klage begehrt die Klin. das Grundstück unter Ausklammerung des Grundstücks Fl. Nr. . . ./90 als Zweifamilienhaus im Ertragswertverfahren zu bewerten. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Parzelle Fl. Nr. . . ./90 sei in die Wohnhausplanung bewußt nicht einbezogen worden, obwohl andernfalls eine wesentlich gefälligere Gestaltung des Gebäudes möglich gewesen wäre. Schon aus der planerischen und tatsächlichen Baugestaltung gehe hervor, daß das Grundstück nicht für immer in die Gesamtkonzeption einbezogen sei. Die Umzäunung gemeinschaftlich mit den anderen Parzellen sowie der Umstand, daß das Grundstück als Rasenfläche genutzt werde, könne nicht dazu führen, es mit den anderen Grundstücken zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen. Am 1. Januar 1976 hätten sich im zweiten Obergeschoß bereits die Räume für eine zweite Wohnung befunden. Die Zwischenwände seien verputzt und tapeziert, die Zimmertüren eingesetzt, Fenster und Heizkörper montiert und die Fußböden fertig gewesen. Die Tatsache, daß Herd, Spüle und WC erst 1977 montiert worden seien, ändere nichts an dem Vorhandensein einer zweiten Wohnung am Fortschreibungsstichtag. Schließlich wird vorgetragen, die Voraussetzungen für eine Wertermittlung im Sachwertverfahren hätten nicht vorgelegen.
Das FG hat unter Abweisung der Klage im übrigen den Einheitswert auf . . . DM herabgesetzt (niedrigerer Raummeterpreis). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das FG ausgeführt, die Parzelle . . ./90 sei zutreffend in die wirtschaftliche Einheit einbezogen worden. Das Grundstück bilde mit den beiden anderen Parzellen zusammen eine einheitliche Gartenanlage. Der Wille der Klin., die Parzellen einheitlich zu nutzen, trete auch nach außen hin erkennbar in Erscheinung. In dem Baugenehmigungsbescheid sei die Abweichung vom Bebauungsplan (Einzelbebauung jeder Parzelle) gerade deshalb für zulässig erklärt worden, weil sich durch die Zusammenlegung der drei Grundstücke die Möglichkeit ergibt, ein großzügiges Einfamilienhaus sinnvoll zu gestalten und auf den Grundstücken anzuordnen. Nur durch die Zusammenlegung sei für das große Gebäude mit einem beträchtlichen Bauvolumen ein ausreichend großer Umgriff sichergestellt worden. Dazu sei das Gebäude sehr nahe an die Grenze zwischen den Grundstücken Fl. Nr. . . ./87 und . . ./90 herangerückt worden. Das Grundstück sei auch zutreffend als Einfamilienhaus bewertet worden; denn lediglich das Vorhandensein der Anschlüsse für die Küche und die sanitären Anlagen reiche nicht aus, den Wohnungsbegriff zu erfüllen. Das Grundstück könne entgegen der Auffassung der Klin. auch nicht deshalb als Zweifamilienhaus angesehen werden, weil die Errichtung eines Zweifamilienhauses beabsichtigt gewesen sei, und zwar schon deshalb, weil die Absicht der Klin., wie sich aus der Bauakte ergebe, zunächst auf die Errichtung eines Einfamilienhauses gerichtet gewesen sei. Das FA habe auch zutreffend den Einheitswert im Sachwertverfahren festgestellt. Dies sei schon aufgrund der Wohnfläche und des Vorhandenseins einer gut ausgebauten Schwimmhalle gerechtfertigt. Das Gebäude entspreche im übrigen einem gehobenen Wohnstil, was beispielsweise in den verschiedenen Mosaik- und Schmiedearbeiten, in den Elektroinstallationen im Erdgeschoß und im Vorhandensein eines Innen- und Außenkamins zum Ausdruck komme. Von der Erdgeschoßfläche entfielen allein rd. 100 qm auf das Wohnzimmer und die Eßdiele. Das Wohnhaus weiche nach Gestaltung und Ausstattung erheblich vom üblichen Erscheinungsbild eines Einfamilienhauses ab.
Mit der Revision verfolgt die Klin. ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klin. ist unbegründet.
1. Zutreffend ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, daß die zu bewertende wirtschaftliche Einheit die drei der Klin. gehörenden Parzellen umfaßt. Nach § 70 Abs. 1 BewG bildet jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein Grundstück im Sinn des BewG. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit, der ein Typusbegriff ist (vgl. BFH-Urteile vom 15. Juni 1983 III R 40/82, BFHE 139, 201, BStBl II 1983, 752, und vom 23. Januar 1985 II R 35/82, BFHE 143, 152, BStBl II 1985, 336), bestimmt sich nach § 2 Abs. 1 BewG in erster Linie nach der Verkehrsauffassung. Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen; es sind also neben objektiven auch subjektive Merkmale entscheidend. Letztere müssen jedoch dann zurücktreten, wenn sie mit objektiven Merkmalen in Widerspruch stehen (BFH-Urteil vom 16. Februar 1979 III R 67/76, BFHE 127, 59. BStBl II 1979, 279). So muß auch im vorligenden Fall der Umstand, daß die Klin. etwa beabsichtigt, die Parzelle . . ./90 einmal zu veräußern, hinter den objektiven vom FG festgestellten Momenten zurücktreten. Gegenüber der einheitlichen Nutzung zusammen mit den anderen um das Gebäude liegenden Grundflächen als Garten und im Hinblick darauf, daß die Bebauung - so wie sie durchgeführt wurde - nach den Feststellungen des FG durch die Zusammenfassung der drei Parzellen ermöglicht wurde, muß der Umstand zurücktreten, daß die Grundstücke in der näheren Umgebung allgemein einen kleineren Zuschnitt haben.
2. Das Grundstück der Klin. ist am Stichtag zutreffend seiner Art nach als Einfamilienhaus bewertet worden. Einfamilienhäuser sind Wohngrundstücke, die nur eine Wohnung enthalten (§ 75 Abs. 5 Satz 1 BewG), Zweifamilienhäuser solche, die nur zwei Wohnungen enthalten (§ 75 Abs. 6 Satz 1 BewG). Nach Maßgabe des § 75 Abs. 5 Satz 3 BewG steht eine zweite Wohnung dem Begriff ,,Einfamilienhaus" auch dann entgegen, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist. Unter einer Wohnung, deren Begriff im BewG nicht definiert ist, ist die Zusammenfassung von mehreren Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist. Weiter gehört es zum Begriff der Wohnung, daß sie gegen andere Wohnungen und Wohnräume abgeschlossen ist und einen selbständigen Zugang aufweist. Zudem erfordert der Wohnungsbegriff das Vorhandensein der notwendigen Nebenräume, wie Toilette, eine besondere Waschgelegenheit bzw. Bad oder Dusche und eine Küche. Diesen Anforderungen genügen die Räumlichkeiten im Dachgeschoß am Stichtag nicht, denn sie wiesen weder eine Küche noch die notwendigen sanitären Installationen auf. Damit aber enthielt das Haus der Klin. am Stichtag nur eine Wohnung.
3. Das Hausgrundstück der Klin. ist auch zutreffend im Sachwertverfahren bewertet worden. Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, daß das BewG für die Bewertung von bebauten Grundstücken zwei unterschiedliche Wertfindungsverfahren vorsieht, bestehen jedenfalls zum 1. Januar 1976 nicht.
a) Grundsätzlich ist der Wert eines Einfamilienhauses nach § 76 Abs. 1 BewG im Wege des Ertragswertverfahrens zu ermitteln. Bei Einfamilienhäusern, die sich durch besondere Gestaltung oder Ausstattung wesentlich von den nach § 76 Abs. 1 BewG zu bewertenden Einfamilienhäusern unterscheiden, ist jedoch abweichend davon nach § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG das Sachwertverfahren anzuwenden. Dabei können sowohl die besondere Gestaltung als auch eine besondere Ausstattung je für sich allein genügen, für die Wertfindung das Sachwertverfahren anstelle des Ertragswertverfahrens treten zu lassen. Das Gesetz sieht das Sachwertverfahren dann vor, wenn sich das zu bewertende Einfamilienhaus deutlich von der Mehrzahl der untereinander im wesentlichen vergleichbaren Einfamilienhäuser abhebt.
Letzteres ist im vorliegenden Fall zu bejahen, weil einerseits die Ausstattung des Hausgrundstückes mit einer Schwimmhalle selbst nach heutigen Wohnvorstellungen ein das Grundstück von der Masse der zu bewertenden Einfamilienhäuser deutlich abhebendes besonderes Ausstattungsmerkmal ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 10. Februar 1978 III R 107/76, BFHE 124, 370, BStBl II 1978, 294) und auch eine Wohnfläche von rd. 280 qm nicht der Masse der Einfamilienhäuser entspricht, für die das Gesetz die Wertfindung im Ertragswertverfahren vorsieht. Jedes der beiden besonderen Merkmale für sich allein würde bereits die Anwendung des Sachwertverfahrens begründen.
b) Das Nebeneinander von Ertragswert- und Sachwertverfahren bei bebauten Grundstücken - und damit auch bei Einfamilienhäusern - beruht auf der Erwägung, daß sich zwar für die meisten, aber nicht für alle Einfamilienhäuser eine übliche Jahresmiete verhältnismäßig unschwer ermitteln oder anhand ausreichender Kriterien vermieteter Vergleichsobjekte schätzen läßt. Diese Differenzierung ist als solche von sachgerechten Erwägungen getragen und beruht nicht auf einer den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzenden Willkür des Gesetzgebers (vgl. dazu auch BVerfG-Beschluß vom 4. Juni 1976 1 BvR 360/74, BStBl II 1976, 637). Das gilt wenigstens solange, als nicht wegen der durch Art. 2 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Änderung bewertungsrechtlicher und anderer steuerrechtlicher Vorschriften 1965 i. d. F. des Gesetzes vom 22. Juli 1970 (BGBl I 1970, 1118) ohne zeitliche Begrenzung suspendierten Hauptfeststellung, die auf die Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 folgen soll (vgl. auch § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG), die Beibehaltung der auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 bezogenen Werte selbst gegen Verfassungsrecht verstößt. Diese Voraussetzung hält der Senat für den hier streitigen Stichtag, den 1. Januar 1976, für (noch) nicht gegeben.
Der Senat hält es nicht für angebracht, die Entscheidung des BVerfG über die Vorlage des FG Rheinland-Pfalz vom 4. August 1981 2 K 207/80 EFG 1981, 613) abzuwarten. Die Vorlage betrifft die Feststellungszeitpunkte 1. Januar 1979 bzw. 1980, so daß für den im vorliegenden Streitfall maßgebenden Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1976 aus dieser Entscheidung keine Erkenntnisse zu gewinnen sein werden.
Fundstellen
Haufe-Index 414426 |
BFH/NV 1987, 364 |