Entscheidungsstichwort (Thema)
GrSt-Befreiung des für Zwecke eines Krankenhauses benutzten Grundbesitzes; fehlende Identität des Grundstückseigentümers und des Klinikbetreibers
Leitsatz (amtlich)
Die Grundsteuerbefreiung für Grundbesitz, der für die Zwecke eines Krankenhauses benutzt wird, ist gemäß § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG auch dann nicht zu gewähren, wenn der Grundstückseigentümer und der Klinikbetreiber ―bei fehlender Identität― durch Identität ihrer Gesellschafter oder der hinter ihnen stehenden Personen miteinander verbunden sind.
Normenkette
GrStG § 4 Nr. 6
Verfahrensgang
Tatbestand
I. An der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ―einer KG― sind die Dr. X Fachkliniken Verwaltungs GmbH (GmbH) als Komplementärin und Frau X als alleinige Kommanditistin beteiligt. Frau X ist auch alleinige Gesellschafterin der GmbH.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines von ihr 1991 erworbenen Grundstücks, auf dem sich ein Klinikgebäude befindet. In diesem betreibt die Dr. X Fachkliniken GmbH und Co. KG (Betriebsgesellschaft) eine Rehabilitationsklinik. Komplementärin der Betriebsgesellschaft ist ebenfalls die GmbH. Alleinige Kommanditistin der Betriebsgesellschaft ist die Klägerin. Bis 1996 war Frau X treuhänderisch für die Klägerin alleinige Kommanditistin.
Mit Schreiben vom 23. Juni 1997 beantragte die Klägerin für das Klinikgrundstück eine fehlerbeseitigende Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1997 auf die Betriebsgesellschaft. Sie begründete diesen Antrag damit, dass sie ―die Klägerin― alleinige Kommanditistin der Betriebsgesellschaft sei. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) lehnte die beantragte Zurechnungsfortschreibung mit Bescheid vom 14. Juli 1997 ab. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 1998 als unbegründet zurück.
Durch Einheitswertbescheid vom 2. Oktober 1997 führte das FA eine Nachfeststellung auf den 1. Januar 1995 für das Klinikgrundstück durch. Das Grundstück wurde der Klägerin zugerechnet. Das FA stellte die Grundstücksart Geschäftsgrundstück und einen Einheitswert von 1 678 300 DM fest. Mit dem dagegen gerichteten Einspruch wurde geltend gemacht, dass das Grundstück der Betriebsgesellschaft zuzurechnen und bei dieser gemäß § 4 Nr. 6 des Grundsteuergesetzes (GrStG) von der Grundsteuer befreit sei. Durch Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 1998 wurde auch dieser Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Klage begehrte die Klägerin, den Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1995 vom 2. Oktober 1997 und den Bescheid über die Ablehnung der Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1997, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen, aufzuheben. Sie war der Auffassung, im Ergebnis stehe ihr die Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 GrStG zu.
Das Finanzgericht (FG) hat die Betriebsgesellschaft zum Verfahren beigeladen und die Klage als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Einheitswertbescheid sei rechtmäßig. Es liege kein Fall des § 4 Nr. 6 GrStG vor. Die Vorschrift verlange, dass Nutzer und Zurechnungsadressat identisch sein müssten. Hieran fehle es im Streitfall. Die Klägerin, der das Grundstück zuzurechnen sei, und die Betriebsgesellschaft seien eigenständige Rechtssubjekte. Besitz- und Betriebsgesellschaft müssten auch dann als eigenständige Rechtssubjekte betrachtet werden, wenn die Besitzgesellschaft alleinige Kommanditistin der Betriebsgesellschaft sei. Aus den vorgenannten Gründen sei auch die begehrte Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1997 abzulehnen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Sie geht (nunmehr) in Übereinstimmung mit dem FG davon aus, das Grundstück sei ihr ―der Klägerin― nach § 39 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zuzurechnen. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 6 GrStG verlange zwar grundsätzlich Identität zwischen demjenigen, dem das Grundstück zuzurechnen ist, und demjenigen, der es benutze. Sie ―die Klägerin― nutze das Krankenhausgrundstück als solches aber selbst, und zwar in ihrer Stellung als alleinige kapitalhaltende Kommanditistin der Betriebsgesellschaft im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung bei einheitlicher Geschäftsführung sowohl der Besitz- als auch der Betriebsgesellschaft durch dieselbe Komplementärin.
Die Klägerin beantragte zunächst die Aufhebung der Vorentscheidung sowie des angefochtenen Einheitswertbescheids und der Ablehnung der Zurechnungsfortschreibung jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin mit Einwilligung des FA die Revision hinsichtlich der im angefochtenen Einheitswertbescheid enthaltenen Feststellung der Zurechnung und hinsichtlich der Ablehnung der Zurechnungsfortschreibung zurückgenommen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt den Antrag, den angefochtenen Einheitswertbescheid aufzuheben.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Zutreffend hat das FG die Rechtmäßigkeit der im Bescheid vom 2. Oktober 1997 enthaltenen Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1995 bejaht.
Die Feststellung des Einheitswerts durch den angefochtenen Bescheid verstößt nicht gegen § 19 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Grundbesitz nach § 4 Nr. 6 GrStG von der Grundsteuer befreit und deshalb die Feststellung eines Einheitswerts für die Besteuerung nicht mehr von Bedeutung wäre. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 GrStG sind jedoch im Streitfall nicht erfüllt.
1. Nach § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG muss der Grundbesitz zur Erlangung der Steuerbefreiung ausschließlich demjenigen zuzurechnen sein, der ihn benutzt, oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Dieser Anforderung wird im Streitfall nicht genügt. Der in Frage stehende Grundbesitz ist ausschließlich der Klägerin zuzurechnen. Die Klägerin benutzt das Grundstück jedoch nicht für Zwecke eines Krankenhauses; die Benutzung zu diesem Zweck erfolgt vielmehr ausschließlich durch die Betriebsgesellschaft. Zwischen der Klägerin und der Betriebsgesellschaft besteht keine Rechtsträgeridentität. Denn Kommanditgesellschaften sind im Grundsteuerrecht als selbständige Rechtsträger zu behandeln. Die Identität der beiden Kommanditgesellschaften folgt im Streitfall auch nicht aus der zum fraglichen Stichtag bestehenden Identität der hinter den Gesellschaften stehenden natürlichen Person(en). Dieselben Personen können ohne weiteres voneinander verschiedene Personengesellschaften bilden. Die Abgrenzung zueinander ergibt sich aus den jeweiligen Gesellschaftsverträgen. Im Streitfall wurde ―nach dem Revisionsvortrag― die Trennung in zwei miteinander nicht rechtsidentische Gesellschaften gerade wegen der sich daraus ergebenden zivilrechtlichen (haftungsrechtlichen) getrennten Beurteilung gewählt.
2. Die gesellschaftsrechtliche Verflechtung zwischen den beiden Gesellschaften führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Der Wortlaut des Gesetzes knüpft an das formale Kriterium zivilrechtlicher Rechtsträgeridentität an. Ein Absehen vom Erfordernis der zivilrechtlichen Rechtsträgeridentität in Fällen gesellschaftsrechtlicher Verflechtungen würde wirtschaftliche Überlegungen zum Tragen bringen, die vom Gesetz nicht vorgesehen sind. Grundsteuerrechtlich ist die Klägerin ein von der Betriebsgesellschaft getrenntes Rechtssubjekt. Die Vorschrift des § 4 Nr. 6 GrStG erlaubt es nicht, der Klägerin den Betrieb des Krankenhauses durch die Betriebsgesellschaft zuzurechnen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 9. Dezember 1987 II R 223/83, BFHE 152, 149, BStBl II 1988, 298, und vom 28. Februar 1996 II R 26/94, BFH/NV 1996, 790).
3. Diese Auslegung des § 4 Nr. 6 GrStG ist verfassungsgemäß. Sie steht nicht im Widerspruch zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. November 1999 2 BvR 2861/93 (BVerfGE 101, 151, BStBl II 2000, 160). Nach dieser Entscheidung des BVerfG verbietet es das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―), eine vom Gesetz vorgesehene Steuervergünstigung allein wegen der Rechtsform, in der der Steuerpflichtige tätig wird, zu versagen. Eine derartige Differenzierung ist nur gerechtfertigt, wenn dafür ein sachlich rechtfertigender Grund vorliegt.
Die Grundsteuerbefreiung des § 4 Nr. 6 GrStG ist rechtsformneutral, d.h. sie stellt nicht darauf ab, welche Rechtsform der (zu begünstigende) Grundstückseigentümer hat. Auch die von Satz 2 der Befreiungsvorschrift verlangte Rechtsträgeridentität zwischen Grundstückseigentümer und Klinikbetreiber ist als solche rechtsformneutral.
Die Nichtgewährung der Steuerbefreiung für die Fälle, in denen Grundstückseigentümer und Klinikbetreiber ―bei fehlender Identität― durch Identität der Gesellschafter oder der hinter ihnen stehenden Personen miteinander verbunden sind, ist sachlich gerechtfertigt. Denn soweit § 4 Nr. 6 GrStG den Grundstückseigentümer nur in seiner Eigenschaft als Krankenhausträger begünstigt, zielt die Vorschrift auf die Förderung der Einrichtung "Krankenhaus" als solcher ab. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass das Betreiben eines Krankenhauses im öffentlichen Interesse liegt, und fördert dieses Interesse durch die Entlastung des klinikbetreibenden Grundstückseigentümers vom Kostenfaktor "Grundsteuer". Dieses Regelungsziel kann mit der erforderlichen Sicherheit nur bei einer Identität zwischen Grundstückseigentümer und Krankenhausbetreiber erreicht werden, nicht jedoch bei einem Grundstückseigentümer, der selbst kein Krankenhaus betreibt, sondern sein Grundstück lediglich einem Krankenhausträger zur Verfügung stellt. Das gilt auch für wirtschaftlich oder personell (durch gemeinsame Gesellschafter) verbundene Grundstückseigentümer und Klinikbetreiber. Würde man letztere Sachverhaltskonstellation in die Befreiung einbeziehen, hätte dies notwendig zur Folge, dass das Fortbestehen der Beteiligungsverhältnisse und ggf. die Angemessenheit der zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft vereinbarten Miete laufend überprüft werden müssten. Dies ist mit dem Wesen einer Objektsteuer nicht vereinbar.
4. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen für das Investitionszulagenrecht Besitz- und Betriebsunternehmen als Einheit aufgefasst werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 III R 77/96, BFHE 188, 194, BStBl II 1999, 610), ist für § 4 Nr. 6 GrStG ohne Bedeutung. Die Rechtsprechung zur Investitionszulage beruht u.a. auf der Auslegung des ertragsteuerrechtlichen Begriffs der Betriebsstätte. Dies hat keinen Bezug zu der in § 4 Nr. 6 GrStG geforderten zivilrechtlichen Rechtsträgeridentität.
Fundstellen
Haufe-Index 926713 |
BFH/NV 2003, 867 |
BStBl II 2003, 485 |
BFHE 2003, 315 |
BFHE 201, 315 |
BB 2003, 1000 |
DStRE 2003, 678 |
HFR 2003, 691 |
Inf 2003, 407 |
NWB 2003, 1386 |
NVwZ-RR 2004, 448 |
ZfIR 2003, 485 |
GK/BW 2003, 274 |
GK 2003, 271 |
ImmoStR 2004, 104 |