Leitsatz (amtlich)
Veräußert ein Ehegatte nach der Eheschließung das bisher von ihm bewohnte Eigenheim, weil er in die Wohnung des anderen Ehegatten zieht, um die Haushaltsführung zu übernehmen, so kann hierin ein zwingender beruflicher Grund für die Aufgabe der eigenwohnlichen Nutzung zu sehen sein.
Normenkette
GrESBWG Schleswig-Holstein § 7 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 22. April 1974 ein Eigenheim in W, das sie alsbald bezog. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte den Grundstückserwerb antragsgemäß gemäß § 2 Nr. 1 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues, bei Maßnahmen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes und bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur (GrESBWG) von der Grunderwerbsteuer frei.
Am 31. Dezember 1975 heiratete die Klägerin, zog zu ihrem Ehemann nach R und veräußerte das Eigenheim durch Vertrag vom 30. April 1976.
Das FA sah hierin die Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes und setzte gegen die Klägerin für den Erwerbsvorgang vom 22. April 1974 Grunderwerbsteuer mit Zuschlag in Höhe von 14 490 DM fest.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen, auf Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids und der Einspruchsentscheidung gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, eine Nachversteuerung komme deshalb nicht in Betracht, weil sie den begünstigten Zweck wegen zwingender beruflicher Gründe (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG) aufgegeben habe. Sie habe nach ihrer Eheschließung den Beruf einer Hausfrau aufgenommen, den sie wegen des Alters und des Gesundheitszustandes ihres Ehemannes nur an dessen Wohnsitz habe ausüben können.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Mit ihrer Revision hat die Klägerin ihren Klagantrag weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Klägerin hat zwar durch die Veräußerung des Eigenheimes den steuerbegünstigten Zweck im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESBWG aufgegeben (vgl. das Urteil vom 29. Oktober 1975 II R 97/75, BFHE 117, 300, BStBl II 1976, 165). Nach dem bisher festgestellten Sachverhalt ist jedoch nicht auszuschließen, daß die Nachversteuerung deshalb entfällt, weil der begünstigte Zweck aus zwingenden beruflichen Gründen im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG aufgegeben worden ist.
Berufliche Gründe im Sinne der genannten Vorschrift können nach Auffassung des erkennenden Senates auch dann vorliegen, wenn auslösendes Moment für die Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes der eigenwohnlichen Nutzung des erworbenen Eigenheimes die Übernahme der Haushaltsführung nach der Eheschließung ist (vgl. hierzu § 1356 Abs. 1 BGB). Die Führung des Haushaltes ist zwar keine auf den Gelderwerb gerichtete Tätigkeit des haushaltsführenden Ehegatten. Sie ist aber gleichwohl eine berufliche Tätigkeit (vgl. Palandt, BGB, 39. Aufl., § 1356 Anm. 2). Diese Auffassung wird auch vom Bundessozialgericht (BSG) zu § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) vertreten (vgl. das Urteil vom 12. August 1969 10 RV 453/67, Sozialrecht Nr. 40 zu § 30 BVG). Der haushaltsführende Ehegatte verwertet seine Arbeitskraft nach der Eheschließung und der Übernahme der Haushaltsführung wenn auch nicht entgeltlich, so aber in der Form des fortlaufendenden Beitrages zum Familienunterhalt (BGHZ 38, 55, 58). Da der haushaltsführende Ehegatte durch die Haushaltsführung seinen Beitrag zum Familienunterhalt erbringt, ist die Haushaltsführung für die Ehegatten von nicht geringer wirtschaftlicher Bedeutung. Sie ist der beruflichen Tätigkeit einer Hauswirtschafterin, die gegen Arbeitslohn tätig ist, durchaus vergleichbar. Daß die Hauswirtschaft, um die es bei der Haushaltsführung vor allem geht, allgemeine Anerkennung als berufliche Tätigkeit gefunden hat, zeigt die Möglichkeit, für den Bereich der Hauswirtschaft den Meistertitel zu erwerben (vgl. die Verordnung vom 5. August 1977, BGBl I, 1482).
Ist die Haushaltsführung eine berufliche Tätigkeit, so kann die Übernahme der Haushaltsführung durch einen Ehegatten auch beruflicher Anlaß sein, den steuerbegünstigten Zweck der eigenwohnlichen Nutzung eines bisher von diesem Ehegatten bewohnten Einfamilienhauses aufzugeben. Hieraus folgt allerdings noch nicht, daß darin immer ein zwingender Grund im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG zu sehen ist. Es kommt jeweils auf die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles an.
Zwingend sind die beruflichen Gründe für die Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks dann, wenn aus Veränderungen im beruflichen Bereich, die ihrerseits die Folge einer freien Entscheidung sein können und häufig sein werden, der Zwang zur Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes der eigenwohnlichen Nutzung folgt. Hierzu gehören die Fälle der Versetzung, des Arbeitsplatzwechsels, aber auch der Fall der Übernahme der Haushaltsführung an einem anderen Ort als dem bisherigen Ort der Berufstätigkeit. Nicht jeder Arbeitsplatzwechsel jedoch ist ein zwingender beruflicher Grund, wie sich bereits aus der Entscheidung des Senats vom 25. Oktober 1979 II R 110/79 (BFHE 129, 85, BStBl II 1980, 54) ergibt.
Es wird Sache des FG sein, ausgehend von der bisherigen beruflichen Tätigkeit der Klägerin und unter Berücksichtigung der Lage des Einfamilienhauses in W im Verhältnis zu dem bisherigen Ort der Berufsausübung die Frage zu klären, ob die Verlegung des Wohnsitzes nach R zur Übernahme der Haushaltsführung ein zwingender beruflicher Grund im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG war.
Fundstellen
Haufe-Index 73587 |
BStBl II 1980, 594 |
BFHE 1980, 557 |