Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Das Recht auf den Erbbauzins ist beim Eigentümer des Grund und Bodens ohne Rücksicht auf die Bewertung des Grundstückes und des Erbbaurechtes voll mit seinem Kapitalwert anzusetzen.
Normenkette
BewG § 50 Abs. 2, § 68/1/2, § 67/1/4, § 110/1/4, § 15/1, § 13/1, § 92/5; BewDV § 46/4
Tatbestand
Streitig ist, mit welchem Wert das Recht des Beschwerdeführers (Bf.) auf Erbbauzins bei der Veranlagung zur Vermögensteuer für 1954 und 1955 anzusetzen ist.
Der Bf. hat mit gerichtlichem Vertrage vom 23. Oktober 1953 an seinen Flurstücken von zusammen 4.6771 ha einer AG ein Erbbaurecht auf die Dauer von 99 Jahren bestellt. Nach dem Vertrage ist die Erbbauberechtigte verpflichtet, dem Bf. vom 1. November 1953 ab auf die Dauer des Erbbaurechtes einen Erbbauzins von 7.483,36 DM pro Jahr - im voraus am Halbjahresersten - zu zahlen. Bei der Veranlagung zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1954 und 1. Januar 1955 hat das Finanzamt das Recht des Bf. auf den Erbbauzins mit einem Kapitalwert von 134.700 DM (7.483,36 DM x 18) angesetzt.
In seiner Sprungberufung gegen die beiden Vermögensteuerbescheide verlangte der Bf., die Erbbauzinsen statt mit dem Achtzehnfachen der Jahresleistung nur mit dem Einheitswert des Erbbaurechtes heranzuziehen. Die Erbbauzinsen seien als Vermögen betrachtet nicht selbständig. Ihnen wohne kein eigenes Stammrecht inne. Die überlassung von Grund und Boden in der Form des Erbbaurechtes sei - wirtschaftlich gesehen - nichts anderes als die überlassung eines Wirtschaftsgutes zur Nutzung. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs schließe das Eigentum an einem Wirtschaftsgut das Recht der Nutzung in sich, weshalb der Kapitalwert der Erbbauzinsen nicht höher sein könne als der steuerliche Wert des Erbbaurechtes. Der Wert der als "sonstiges Vermögen" angesetzten Erbbauzinsen sei daher auf den Einheitswert des Grund und Bodens, den er mit 67.000 DM beziffere, herabzusetzen.
Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Die Vorinstanz führte aus, daß die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach der Wert eines Nutzungsrechtes an einem Wirtschaftsgut nicht höher sein dürfe als der Wert des genutzten Wirtschaftsgutes selbst, nicht auf die Bewertung eines Rechtes auf Erbbauzins angewendet werden könne. Bei dem Anspruch auf den Erbbauzins handle es sich nicht um ein Nutzungsrecht an einem Wirtschaftsgut (Grund und Boden), sondern um einen Anspruch auf eine Geldleistung, die als Erwerbspreis für die Bestellung des Erbbaurechtes zu zahlen sei. Ob der Erwerbspreis in einem Betrage oder in einer Rente auf Zeit gezahlt werde, sei gleichgültig. Die Entgegennahme des Erbbauzinses sei begrifflich etwas anderes als die Ausübung der Nutzung an einem Wirtschaftsgut.
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) hält der Bf. seine Auffassung, daß der Wert des Rechts auf Erbbauzinsen höchstens mit dem Wert des Erbbaurechtes angesetzt werden könne, aufrecht.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
In § 46 Abs. 4 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (insbesondere Urteil III A 210/31 vom 15. Dezember 1932, RStBl 1933 S. 128) bestimmt, daß das Recht auf den Erbbauzins steuerlich nicht als Bestandteil des Grundstückes gilt; es wird - ebenso wie die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses - außerhalb der Bewertung des Grundstückes und des Erbbaurechtes berücksichtigt (vgl. Haider-Engel-Dürschke, Kommentar zum Bewertungsgesetz, Anm. 4 zu § 50). Richtig ist allerdings, daß nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, an der der Bundesfinanzhof festgehalten hat (siehe insbesondere das Urteil III 181/53 U vom 28. August 1954, BStBl 1954 III S. 330, Slg. Bd. 59 S. 309) der Wert des Nutzungsrechtes an einem Wirtschaftsgut (z. B. der Wert eines Nießbrauchrechtes) nicht größer sein darf als der Wert des genutzten Wirtschaftsgutes selbst. Dieser Grundsatz kann jedoch für die Bewertung des Rechtes auf den Erbbauzins nicht gelten; durch die Ausübung des Erbbaurechtes wird das Eigentum des Grundeigentümers - anders als beim Nießbrauch oder einem sonstigen Nutzungsrecht an einem Grundstück - insoweit eingeschränkt, als der Grundeigentümer beim Erbbaurecht nicht mehr als wirtschaftlicher Eigentümer des belasteten Grundstückes angesehen werden kann. Der Grundsatz von der Begrenzung des Wertes des genutzten Wirtschaftsgutes beruht auf dem Gedanken, daß das durch einen Dritten genutzte Wirtschaftsgut für den Nutzenden keinen höheren Wert haben kann als für den Eigentümer selbst. Im Falle des Erbbaurechtes besteht diese Beziehung zwischen dem Eigentümer und dem Nutzenden nicht. Der Erbbauzins stellt keine Nutzung an dem einem Dritten gehörigen Wirtschaftsgute dar, ist vielmehr das Entgelt für die überlassung des Wirtschaftsgutes zur Nutzung an einen Dritten. Finanzamt und Finanzgericht haben daher zutreffend das Recht des Bf. auf den Erbbauzins mit seinem Kapitalwert ohne Einschränkung und ohne Rücksicht auf die Bewertung des Grundstückes und des Erbbaurechtes voll angesetzt (ß 67 Abs. 1 Ziff. 4, § 15 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes). Umgekehrt kann auch der Erbbauberechtigte den kapitalisierten Erbbauzins voll als Verpflichtung abziehen (ebenso Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz, Anm. 5 Seite 14 zu § 50).
Fundstellen
Haufe-Index 409412 |
BStBl III 1959, 364 |
BFHE 1960, 273 |
BFHE 69, 273 |