Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwendungsnießbrauch; AfA; entgeltlicher Erwerb eines Nießbrauchs
Leitsatz (NV)
Wer ein Grundstück aufgrund eines Zuwendungsnießbrauchs nutzt, ist grundsätzlich nicht zur Vornahme von AfA befugt. Ist der Nießbrauch entgeltlich erworben, kommt AfA auf die Anschaffungskosten des Nießbrauchs in Betracht.
Normenkette
EStG §§ 7, 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Gesellschafter A, B und C schlossen sich mit Vertrag vom 1. Juni 1982 zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen. C ist die Tochter, B die Schwester des A. Dieser ist 1989 verstorben; Erbin ist seine zweite Ehefrau D, die Mutter von C. Die Gesellschafter waren zu je am Vermögen der GbR sowie am Gewinn und Verlust beteiligt. Zweck der Gesellschaft war die Errichtung eines Verbrauchermarktes sowie dessen Vermietung und Verwaltung. Geschäftsführer der GbR war A. Die Gesellschafterin C bestellte bei Gründung der GbR an ihrem Gesellschaftsanteil einen Nießbrauch zugunsten ihres Vaters A. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: A hatte seiner Tochter 1972 Miteigentumsanteile an mehreren Grundstücken unter dem Vorbehalt des unentgeltlichen, lebenslänglichen Nießbrauchs für sich und -- für den Fall seines Ablebens -- seine Ehefrau bestellt. Er behielt sich ein Rücktrittsrecht u. a. bei der Weiterveräußerung vor. In der Folgezeit mußte der Grundbesitz veräußert werden. Der Kaufpreis wurde zum Teil durch Anrechnung des Werts eines Tauschgrundstücks gezahlt. Auf dem Anteil von C an diesem Tauschgrundstück wurde wiederum ein Nießbrauch unter den gleichen Bedingungen wie bisher bestellt. Entsprechendes vereinbarten Vater und Tochter für den anteiligen Barkaufpreis, der auf die Tochter entfiel. Nachdem sich die Tochter zu an der GbR beteiligt hatte, vereinbarte sie mit ihrem Vater, daß ihr Gesellschaftsbeitrag aus dem Vermögen erbracht werde, welches dem Nießbrauch des Vaters unterlag. Der Nießbrauch sollte sich am Gesellschaftsanteil der Tochter fortsetzen und zwar ebenfalls lebenslang und unentgeltlich mit Rücktrittsrecht des Vaters A.
Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der GbR für die Streitjahre 1982 bis 1985 rechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) der Einkünfte dem Vater A ( als Gesellschafter, als Nießbraucher) und der Tante B zu; den Anteil der Tochter C an den Einkünften stellte es jeweils auf 0 DM fest. Das FA kürzte die Werbungskosten um der Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf das Gebäude, die Vorrichtung und die Außenanlagen (38 438 DM in 1982 und 49 525 DM 1983 bis 1985), nämlich um den Anteil der AfA, der auf den Vater A als Nießbraucher entfällt. Dabei ging das FA davon aus, daß dem Vater nur ein Zuwendungsnießbrauch an dem Gesellschaftsanteil der Tochter eingeräumt sei und er deshalb insoweit nicht AfA-befugt sei. Auch die Tochter C könne die anteilige AfA nicht abziehen, weil sie keine Einkünfte erziele.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage statt. Dem Vater A habe die anteilige AfA zugestanden, weil er einem Vorbehaltsnießbraucher gleichgestellt sei. Er sei wie ein mittelbarer Schenker zu behandeln gewesen (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. Mai 1990 IX R 21/86, BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67).
Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Entgegen der Rechtsansicht des FG sei A nicht mit einem mittelbaren Schenker zu vergleichen gewesen; es fehle an der finalen Verknüpfung zwischen der Schenkung und dem Erwerb des umstrittenen Grundstücks der GbR. Die Mittel, mit denen die Tochter C den Gesellschafterbeitrag geleistet habe, habe der Vater A nicht mit der Bedingung geschenkt, gerade dieses Grundstück zu erwerben. Er habe auch nicht wegen Surrogation als AfA-Berechtigter angesehen werden können. Zwischen der Nießbrauchsvereinbarung 1972 über die geschenkten Grundstücksanteile und der Vereinbarung 1982 über den Gesellschaftsanteil bestehe kein Zusammenhang. Der Vater A sei nicht Vorbehaltsnießbraucher am Gesellschaftsanteil seiner Tochter gewesen; denn er habe diesen Nießbrauch erst später erworben, und zwar als Gegen leistung für den Verzicht auf den Grundstücksnießbrauch an dem 1972 übertragenen Vermögen. Das Urteil der Vorinstanz leide auch an dem Verfahrensfehler mangelnder Sachverhaltsaufklärung. Das FG habe nicht geprüft, ob der Nießbrauch am Gesellschaftsanteil wirksam bestellt, durchgeführt und damit ertragsteuerlich anzuerkennen sei. Das FG habe nicht geklärt, welche Rechte und Pflichten dem Nießbraucher zustünden und ob er sie tatsächlich ausgeübt habe.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Es treffe nicht zu, daß C das Nießbrauchsrecht an dem Gesellschaftsanteil als Gegenleistung für den Verzicht auf den Grundstücksnießbrauch eingeräumt habe. Es habe lediglich ein Austausch der Nießbrauchsgegenstände stattgefunden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat es rechtsfehlerhaft unterlassen zu prüfen, ob A AfA auf ein entgeltlich erworbenes Nießbrauchsrecht in Anspruch nehmen kann.
1. Unbegründet ist die Verfahrensrüge des FA, das FG habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt, indem es nicht geprüft habe, ob der Nießbrauch des verstorbenen Gesellschafters A am Gesellschaftsanteil seiner Tochter wirksam bestellt, durchgeführt und ertragsteuerlich anzuerkennen sei. Da die Kläger die Zurechnung der Einkünfte in den Feststellungsbescheiden für die Streitjahre nicht angefochten haben, ist diese unanfechtbar geworden (vgl. BFH-Beschluß vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87, BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327, 330). Es ist deshalb für die weitere Sachentscheidung davon auszugehen, daß der Nießbrauch in den Streitjahren der Besteuerung zugrunde zu legen ist.
2. Zu Recht wendet sich das FA gegen die Rechtsansicht des FG, A habe AfA für die vermieteten Gebäude auch insoweit in Anspruch nehmen können, als ihm der Anteil an den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung seiner Tochter C aufgrund seines Nießbrauchs zuzurechnen war.
a) Grundsätzlich ist derjenige befugt, AfA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 4 und 5 EStG geltend zu machen, der den Tatbestand der Vermietung nach § 21 Abs. 1 EStG erfüllt und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Wirtschaftsgut getragen hat (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281; Senatsurteil vom 4. Juni 1996 IX R 59/94, Der Betrieb -- DB -- 1996, 2367; BFH- Urteil vom 28. September 1995 IV R 7/94, BFHE 180, 255, BStBl II 1996, 440, mit Nachweisen). Die Befugnis setzt nicht voraus, daß der Steuerpflichtige bürgerlich- rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer ist. Deshalb hat die Rechtsprechung das Recht auf die Inanspruchnahme von AfA einem Vorbehaltsnießbraucher zugesprochen, sofern und soweit er die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat, bevor er das Grundstück unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs übereignete, wenn er nunmehr aufgrund seines dinglichen Rechts Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt (zuletzt Senatsurteil in DB 1996, 2367). Nach dem Senatsurteil in BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67 ist einem zur Inanspruchnahme von AfA berechtigten Vorbehaltsnießbraucher auch ein Schenker gleichzustellen, der einem Dritten Geld schenkt mit der Auflage, ein im voraus bestimmtes Grundstück zu erwerben, an dem der Dritte dem Schenker ein Nießbrauchsrecht bestellt. Nicht zur Vornahme von AfA befugt ist dagegen der Nießbraucher, dem unentgeltlich ein Nießbrauchsrecht zugewendet wird (Zuwendungsnießbraucher), und der Schenker, der dem Beschenkten einen Geldbetrag zuwendet, ohne diesem den Erwerb eines bestimmten Grundstücks vorzuschreiben (BFH-Urteile in BFHE 180, 255, BStBl II 1996, 440, und in BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67).
b) Nach diesen Grundsätzen standen dem verstorbenen Gesellschafter A die AfA auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten des umstrittenen Gebäudes nicht zu, soweit ihm die anteiligen Einkünfte seiner Tochter kraft Nießbrauchs zugerechnet wurden; denn er hat weder die Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten des Gebäudes getragen, noch hat er seiner Tochter Geld zum Erwerb gerade dieses Grundstücks geschenkt. Es hat auch nicht lediglich einen Austausch der nießbrauchsbelasteten Grundstücke stattgefunden, so daß dahingestellt bleiben kann, ob in einem solchen Fall der Vorbehaltsnießbraucher weiter AfA in Anspruch nehmen könnte (vgl. auch das Senatsurteil vom 24. Januar 1995 IX R 40/92, BFH/NV 1995, 770).
Die Tochter C hat vielmehr ihrem Vater A den Nießbrauch an dem Gesellschaftsanteil zugewendet, den sie zwar letztlich mit Mitteln ihres Vaters erworben hat, die aber nicht für den Erwerb eines bestimmten Gegenstandes bestimmt waren. Es fehlt danach an der finalen Verknüpfung zwischen der Schenkung und dem Erwerb des Gesellschaftsanteils.
3. Das FG hätte jedoch prüfen müssen, ob A den Nießbrauch an dem Gesellschaftsanteil entgeltlich erworben hat und deshalb AfA auf dieses Recht hat beanspruchen können.
a) Der Nießbrauch an einem Grundstück ist entgeltlich bestellt, wenn der Wert des Nießbrauchs und der Wert der Gegenleistung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind. Nutzt der Nießbraucher das Grundstück zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, so kann er auf das entgeltlich erworbene Nießbrauchsrecht AfA nach § 7 Abs. 1 EStG vornehmen, die nach der Dauer des Nießbrauchs zu bemessen sind. Ist der Nießbrauch auf die Lebenszeit des Berechtigten eingeräumt, so sind die Aufwendungen für den Erwerb des Nießbrauchs durch AfA auf die voraussichtliche Lebenszeit des Berechtigten zu verteilen. Entsprechendes gilt, wenn ein Nießbrauch teilentgeltlich eingeräumt worden ist (Senatsurteil in BFH/NV 1995, 770, m. w. N.).
b) Hiernach stand A AfA auf sein Nießbrauchsrecht am Gesellschaftsanteil zu, wenn es sich um einen (teil-)entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch handelte. Die hierzu notwendigen Feststellungen hat das FG nicht getroffen. Die nicht spruchreife Sache ist deshalb zur weiteren Tatsachenfeststellung an das FG zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG zunächst unter Berücksichtigung sämtlicher von den Klägern getroffener Vereinbarungen zu prüfen haben, ob C ihrem Vater den Nießbrauch am Gesellschaftsanteil entgeltlich eingeräumt hat. Als Entgelt kommt insoweit der kapitalisierte Wert der Nutzungen in Betracht, die dem Vater A zuvor aufgrund seines Nießbrauchs an dem Bankguthaben und dem Grundstücksanteil seiner Tochter zustand und auf die er ggf. verzichtet hat, um den Nießbrauch an dem Gesellschaftsanteil seiner Tochter zu erwerben.
Fundstellen
Haufe-Index 421942 |
BFH/NV 1997, 643 |