Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Betrag, den der Steuerpflichtige zur Ablösung der Verpflichtung zum Bau von Einstellplätzen nach der Reichsgaragenordnung an die Gemeinde zahlt, gehört zu den Herstellungskosten des Gebäudes. EStG § 7, § 7b.
Normenkette
EStG §§ 7, 7b
Tatbestand
Zu entscheiden ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1958 der beschwerdeführenden Eheleute, ob der für die Ablösung der Verpflichtung zum Bau von Einstellplätzen an die Gemeinde gezahlte Betrag zu den Herstellungskosten des Gebäudes im Sinn des § 7b EStG zu rechnen ist.
Der mit seiner Ehefrau zusammen veranlagte Bf. betreibt in X. (Stadt) den Einzelhandel mit Drogen, Parfümerien und Fotogeräten. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 5 EStG. Im Jahre 1955 beantragte er die Baugenehmigung für ein Wohn- und Geschäftshaus, das er auf dem zu seinem Betriebsvermögen gehörenden Grundstück errichten wollte. Den Bauschein erteilte die Stadt unter der Auflage, daß vier Einstellplätze für Personenkraftwagen geschaffen würden. In einem Vertrag mit der Stadt verpflichtete sich der Bf., der keine Einstellplätze errichten wollte, "zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Beschaffung der Einstellplätze . . . an die Stadt einen Ablösungsbetrag zur Beschaffung von Einstellplätzen" in Höhe von 4200 DM zu zahlen. Die Stadt versprach, den Ablösungsbetrag nur zur Beschaffung von Einstellplätzen zu verwenden. Der Bf. erkannte an, "daß er durch die Zahlung des Ablösungsbetrages keinen Anspruch auf Bereitstellung von Einstellplätzen an einer bestimmten Stelle, auf deren alleinige Benutzung oder auf die übertragung des Eigentums an den mit dem Ablösungsbetrage geschaffenen Einstellplätzen erlangt".
Das Gebäude, das zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dient, wurde 1956 fertiggestellt. Der Bf. zahlte die Ablösungssumme von 4200 DM im Jahre 1958. Er behandelte diesen Betrag als zusätzlichen Herstellungsaufwand, aktivierte ihn in seiner Bilanz 1958 und begehrte auch insoweit die erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) für Wohngebäude (§ 7b EStG). Das Finanzamt lehnte es ab, den Ablösungsbetrag zu den Herstellungskosten zu rechnen. Einspruch und Berufung des Bf. blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht sah den Ablösungsbetrag als Teil der nicht absetzungsfähigen Anschaffungskosten des Grund und Bodens an, der nur mittelbar dem Gebäude zugute komme. Ein selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut werde durch die Ablösungszahlung nicht geschaffen. Die Gemeinde errichte mit diesen Mitteln auf ihrem eigenen Grund und Boden Einstellplätze zum Gemeingebrauch, an denen der Ablösungsverpflichtete keine Nutzungsrechte habe.
Mit der Rb. rügt der Bf. unrichtige Anwendung geltenden Rechts. Er ist der Ansicht, daß der Ablösungsbetrag nicht zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens, sondern zu den Herstellungskosten des Gebäudes rechne. Das ergebe sich besonders aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 der Reichsgaragenordnung (RGaO), nach dem die Pflicht, Einstellplätze zu erstellen, erst mit der Errichtung der baulichen Anlage entstehe. Müsste er aus irgendwelchen Gründen, z. B. wegen Zerstörung seines Gebäudes durch einen Brand, ein zweites Mal auf demselben Grundstück bauen, könnte er sich nicht auf die geleistete Ablösungszahlung berufen. Durch die Ablösungszahlung werde auch kein selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut geschaffen. Sie gehöre zu dem einheitlichen Wirtschaftsgut "Gebäude". Die Geldablösung als Erfüllung der Verpflichtung aus § 2 RGaO stehe mit einem bestimmten Gebäude in unmittelbarem Zusammenhang. Sie unterliege einer Abnutzung, die an die Lebensdauer des Gebäudes geknüpft sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Der für die Ablösung der Verpflichtung zum Bau von Einstellplätzen (§ 2 RGaO) gezahlte Betrag ist keine im Jahr der Zahlung voll abzugsfähige Betriebsausgabe. Andererseits gehört er nicht, wie das Finanzgericht meint, zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Er ist zu den Herstellungskosten des Gebäudes zu rechnen.
Es kann zweifelhaft sein, ob der Vertrag, den der Bf. mit der Stadt schloß und nach dem er zur Ablösung seiner Verpflichtung zur Beschaffung der Einstellplätze 4 200 DM zu zahlen hatte, rechtsgültig ist. Für die Rechtsgültigkeit eines solchen Vertrages sprachen sich der Bundesgerichtshof (Urteil vom 27. März 1961 ZR III 6/60, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1961 S. 1355) und das Oberverwaltungsgericht Münster (Urteil vom 15. Januar 1963 - VII A 1154/61, Deutsche Wohnungswirtschaft - DWW - 1963 S. 217) aus. Dagegen hielt ihn das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Urteil vom 4. Februar 1963 - 5 K 86/63, DWW 1963 S. 219) mangels einer eine Ablösung zulassenden Bestimmung der RGaO jedenfalls dann für nichtig, wenn, wie es § 6 des Vertrages vorsieht, dem Ablösenden nicht die alleinige Nutzung an den von der Stadt geschaffenen Einstellplätzen zusteht. Diese Frage braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn der Vertrag gegen die Bestimmungen der RGaO verstoßen sollte, ist er steuerlich zu berücksichtigen, weil die Parteien nach ihm verfuhren (§ 5 Abs. 2 StAnpG).
Der Bf. kann den Ablösungsbetrag nicht im Jahr der Zahlung voll als Betriebsausgabe absetzen. Der volle Abzug im Jahre 1958 würde dem Grundsatz widersprechen, daß im allgemeinen das wirtschaftliche Ergebnis eines Jahres nur mit den Ausgaben belastet werden darf, die zum Aufwand dieser Periode gehören (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 510/53 U vom 25. August 1955, BStBl 1955 III S. 307, Slg. Bd. 61 S. 284, und I 167/62 U vom 9. Oktober 1962, BStBl 1963 III S. 7, Slg. Bd. 76 S. 16). Die Ablösungszahlung, auf Grund deren der Bf. von seiner Pflicht zum Bau von Einstellplätzen befreit wurde, kommt nicht nur dem wirtschaftlichen Ergebnis des Jahres 1958, sondern auch dem späterer Jahre zugute. Denn auf diese Weise erreichte der Bf., daß er sein Grundstück baulich besser ausnutzen konnte.
Der Ablösungsbetrag gehört nicht, wie das Finanzgericht meint, zu den nicht absetzungsfähigen Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Einstellplätze muß derjenige für die vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge der Bewohner, des Betriebs und der Betriebsangehörigen schaffen, der Wohnstätten, Betriebs- und Arbeitsstätten oder ähnliche bauliche Anlage errichtet (§ 2 RGaO). Danach ist nicht jeder Eigentümer von Bauland ohne Rücksicht darauf, ob er das Grundstück bebaut, verpflichtet, Einstellplätze zu schaffen. Es trifft nicht zu, daß auf dem Grundstück schon vor der Bebauung eine öffentlich-rechtliche, erst durch die Bebauung fällig werdende Last ruht. Es handelt sich vielmehr um eine erst den Bauherrn treffende Auflage (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Bremen vom 21. Juni 1955 - A 232/53, BA 76/54, Die öffentliche Verwaltung 1956 S. 216). Kann somit die Schaffung von Einstellplätzen nicht auf Grund des Eigentums an einem bestimmten Baugrundstück verlangt werden, erscheint es nicht gerechtfertigt, den Ablösungsbetrag zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens zu rechnen. Der enge wirtschaftliche Zusammenhang der Ablösungsverpflichtung mit der Errichtung des Baues schließt auch aus, in dem Ablösungsbetrag Aufwendungen für die endgültige Baureifmachung des Geländes und damit nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens zu sehen.
Der Ablösungsbetrag gehört somit zu den Herstellungskosten des Gebäudes (im Ergebnis ebenso Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts Hannover vom 30. November 1962 - IV 178/61, Entscheidungen der Finanzgerichte 1963 S. 299). Der Bf. konnte das Haus in der von ihm geplanten Weise nur deshalb errichten, weil er die Auflage im Bauschein, Einstellplätze zu schaffen, durch Zahlung des Ablösungsbetrages erfüllte. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Bf. sich im Falle eines zweiten Neubaues auf demselben Grundstück gegenüber der Forderung der Stadt, wiederum Einstellplätze zu errichten, auf die im Zusammenhang mit dem Bau des ersten Gebäudes geleistete Ablösungszahlung berufen könnte. Denn die Zurechnung von Aufwendungen zu den Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil diese Aufwendungen auch einem später an seine Stelle tretenden Ersatzwirtschaftsgut zugute kommen können. Deshalb gehören unter Umständen Abbruchkosten - abgesehen von dem Fall des Erwerbs eines Trümmergrundstücks - zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes (Urteil des Bundesfinanzhofs I 74/58 S vom 2. Juni 1959, BStBl 1959 III S. 323, Slg. Bd. 69 S. 162), obwohl sie möglicherweise auch anderen auf demselben Grundstück später errichteten Neubauten, Umbauten oder Erweiterungsbauten zugute kommen.
Fundstellen
Haufe-Index 411259 |
BStBl III 1964, 477 |
BFHE 1965, 5 |
BFHE 80, 5 |
BB 1964, 996 |
DB 1964, 1249 |
DStR 1964, 531 |