Leitsatz (amtlich)
Hat das Finanzgericht in den Gründen seiner rechtskräftigen Entscheidung die Entstehung eines Gewinns durch die vom Finanzamt behauptete Entnahme eines Grundstücks mit der Begründung abgelehnt, daß das Grundstück Betriebsvermögen geblieben ist, so sind in der Regel rechtskräftige Veranlagungen der folgenden Jahre, bei denen sich diese Feststellung auswirkt und die von der Entnahme ausgingen, auch dann nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG zu ändern, wenn sich daraus eine Erhöhung des Gewinnes, z. B. wegen einer bisher nicht berücksichtigten Veräußerung des Grundstücks, ergibt.
Normenkette
EStG § 5; StAnpG § 4 Abs. 3 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob das FA die Einkommensteuer-Veranlagungen 1957 bis 1959 des Revisionsklägers (Steuerpflichtiger) dahin berichtigen durfte, daß ein Grundstück bis zu seiner Veräußerung im Jahre 1959 als Betriebsvermögen behandelt wird.
Der Steuerpflichtige, der einen Herstellungsbetrieb unterhält, erbte im Jahr 1954 ein in einer anderen Stadt gelegenes Grundstück. Er behandelte es als gewillkürtes Betriebsvermögen seines Betriebes. Das Grundstück veräußerte er im Jahre 1959 und erzielte einen Veräußerungsgewinn von 288 252 DM.
Nach einer Betriebsprüfung im Jahr 1962 erklärte sich das FA damit einverstanden, daß das Grundstück zum 31. Dezember 1956 als aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden angesehen und ein Entnahmegewinn versteuert wird. Gegen die Erfassung des Entnahmegewinns wendete der Steuerpflichtige ein, daß in der Entfernung des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen nicht eine Entnahme, sondern eine Bilanzberichtigung liege. Die Übernahme des Grundstücks in das Betriebsvermögen als gewillkürtes Betriebsvermögen sei falsch gewesen. Die Herausnahme des Grundstücks stelle eine Berichtigung der Bilanz ohne Gewinnrealisierung dar.
Im Rechtsstreit zu dieser Frage entschied das FG im Ergebnis rechtskräftig zugunsten des Steuerpflichtigen und führte aus, nach der Rechtsprechung des BFH könne das als Betriebsvermögen behandelte Grundstück nur im Wege der Entnahme aus dem Betriebsvermögen herausgenommen werden. Hierdurch würde eine Gewinnrealisierung entstehen. Im Jahr 1956 liege indessen keine Entnahme vor. Das Grundstück sei daher mit dem Buchwert in der Bilanz zu belassen.
Das FA nahm die Entscheidung des FG zum Anlaß, die inzwischen rechtskräftig gewordenen Veranlagungen der Veranlagungszeiträume 1957 bis 1959, in denen das Grundstück nicht mehr als Betriebsvermögen berücksichtigt war, nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG zu berichtigen und den Veräußerungsgewinn im Jahre 1959 zu erfassen.
Nach erfolglosem Einspruch erhob der Steuerpflichtige Klage und machte im wesentlichen geltend, § 4 Abs. 3 Nr. 2 St AnpG sei nicht anwendbar. In dem den Veranlagungszeitraum 1956 betreffenden Rechtsstreit habe es ich nur darum gehandelt, ob ein Entnahmegewinn entstanden sei. Der Veräußerungsgewinn könne im Jahre 1959 auch deshalb nicht erfaßt werden, weil das zu einer unzulässigen Verböserung der Veranlagung führen würde. Da das FG die Herausnahme des Grundstücks zum 31. Dezember 1956 aus dem Betriebsvermögen nicht anerkannt habe, werde die Entnahme im Jahre 1958 wieder wirksam.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es führte im wesentlichen aus: Die Änderung der rechtskäftigen Veranlagungen der Streitjahre nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG sei zutreffend, weil durch das FG-Urteil ein Besteuerungsmerkmal für die Vergangenheit weggefallen sei, nämlich der Wertansatz 0 DM für dieses Grunstück. Maßgebend für die Anwendung des § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG sei das Endvermögen, das der Veranlagung tatsächlich zugrunde gelegen habe. Unerheblich sei, ob dem Steuerpflichtigen durch die Änderung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG ein Vorteil oder ein Nachteil erwachse. Eine Entnahmehandlung im Jahre 1958 sei in der Buchführung nicht erkennbar, so daß das Grundstück erst 1959 durch den Verkauf aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Steuerpflichtigen ist unbegründet.
1. Berichtigungen der rechtskräftigen Veranlagungen 1957 bis 1959 kommen nur unter dem Gesichtspunkt des § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG in Betracht. Die Anwendung dieser Vorschrift hängt davon ab, daß das FA davon ausgehen durfte, daß die Anfangsbilanz 1957 sich dadurch änderte, daß das Grundstück mit dem Buchwert zum 31. Dezember 1956 einzusetzen war. Denn dann fiel nach dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs (vgl. BFH-Urteil I 136/60 S vom 27. März 1962, BFH 75, 10, BStBl III 1962, 273; Beschluß des Großen Senats des BFH Gr. S. 1/65 S vom 29. November 1965, BFH 84, 392, BStBl III 1966, 142) die bisher maßgebliche Anfangsbilanz 1957 für die Besteuerung nachträglich weg und an ihre Stelle trat eine geänderte Anfangsbilanz. Das aber ist dann ein Fall des § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG (vgl. BFH-Urteile I 23/52 U vom 1. April 1952, BFH 56, 369, BStBl III 1952, 144; IV 185/58 U vom 25. August 1960, BFH 71, 523, BStBl III 1960, 444; I 248/60 U vom 21. August 1962, BFH 75, 643, BStBl III 1962, 501; I 95 und 110/60 S vom 5. Juni 1962, BFH 76, 282, BStBl III 1963, 100; I 193/61 vom 4. April 1963, HFR 1964, 11).
2. Dem Steuerpflichtigen kann nicht darin gefolgt werden, das Urteil des FG habe nicht maßgeblich festgestellt, das Grundstück gehöre zum 31. Dezember 1956 zum Betriebsvermögen. Wenn die Höhe des gewerblichen Gewinns von der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen oder der Bewertung eines Wirtschaftsguts in der Steuerbilanz abhängt und das FG hierzu in den Gründen seiner Entscheidung eindeutige Feststellungen trifft, dann sind für die der streitigen Veranlagung zugrunde liegende Bilanz diese Feststellungen maßgebend. Aus dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs folgt nämlich, daß bei der Gewinnermittlung des folgenden Jahres von dem Betriebsvermögen auszugehen ist, auf dem die Veranlagung des Vorjahres beruht, solange diese Veranlagung nicht geändert wird (vgl. BFH-Urteil I 136/60 S; Beschluß des Großen Senats des BFH Gr. S. 1/65 S). Das gilt unabhängig davon, ob es sich um die unverändert übernommene Bilanz des Steuerpflichtigen, um eine bei der Veranlagung durch das FA geänderte oder um eine einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegte Bilanz handelt. Diese Bilanz ist solange sowohl für die Veranlagung des laufenden Gewinns als auch für die Folgejahre maßgebend, als sie nicht nach allgemeinen Grundsätzen geändert wird. Außerhalb des Rahmens einer hiernach zulässigen Änderung ist es weder dem Steuerpflichtigen noch dem FA gestattet, eine andere Bilanz zugrunde zu legen. Es ist kein Grund für die Annahme ersichtlich, daß die Bilanz zum 31. Dezember 1956, wie sie sich im Hinblick auf die Zugehörigkeit des Grundstücks zum Betriebsvermögen nach der Entscheidung des FG darstellt, geändert worden wäre. Damit ist also für den 31. Dezember 1956, für die Anfangsbilanz vom 1. Januar 1957 sowie für alle weiteren Bilanzen solange von der Zugehörigkeit des Grundstücks zum Betriebsvermögen auszugehen, als es nicht entnommen oder veräußert wurde.
3. Der Einwand des Steuerpflichtigen, das FA habe den Veräußerungsgewinn im Jahre 1959 deshalb nicht mehr erfassen dürfen, weil es dadurch gegen ein Verböserungsverbot verstoße, ist unbegründet. Wie zu entscheiden wäre, wenn der Steuerpflichtige auch die Einkommensteuer-Veranlagungen der Jahre 1957 bis 1959, wenn auch aus anderen Gründen, angefochten hätte, kann dahingestellt bleiben. Denn so ist der Steuerpflichtige tatsächlich nicht verfahren. Das FG entschied rechtskräftig nur über den Veranlagungszeitraum 1956.
Die Veranlagung 1959 war nicht Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens. Es lag also keine finanzgerichtliche Entscheidung vor. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß sich der Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs für die rechtskräftige Veranlagung 1959 voll auswirkt. Das FA war deshalb verpflichtet, die wegen Wegfalls eines Besteuerungsmerkmals nunmehr sich als falsch erweisende Veranlagung 1959 richtigzustellen. Die Tatsache, daß die Voraussetzungen für die Durchführung der Fehlerberichtigung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG durch ein Urteil des FG geschaffen wurden, kann keine unterschiedliche Behandlung gegenüber den Fällen rechtfertigen, in denen ein nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 erhebliches Merkmal aufgrund einer Bilanzberichtigung oder Bilanzänderung im noch bei der Verwaltung befindlichen Veranlagungsverfahren wegfällt. Ob sich dann die Berichtigung zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirkt, ist für die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG unerheblich. Diesen Folgen sind im wesentlichen Grenzen nur durch die Verjährung oder durch die Bestandkraft des Bescheids in den von dem Wegfall des Besteuerungsmerkmals nicht betroffenen Punkten gesetzt. Im Streitfalle handelt es sich nicht um eine Änderung der Besteuerung zum Nachteil des Steuerpflichtigen im finanzgerichtlichen Verfahren, sondern um die eines nicht angefochtenen und deshalb rechtskräftig gewordenen Bescheids aufgrund einer im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Berichtigungsveranlagung durch die Verwaltungsbehörde. Hier kommt ein Verböserungsverbot nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 68091 |
BStBl II 1968, 583 |
BFHE 1968, 363 |