Entscheidungsstichwort (Thema)
(Einmaliges Entgelt für Erbbaurecht keine Anschaffungskosten - Entstehen von Aufwendungen i.S. von § 10e Abs.6 EStG - laufende Erbbauzinsen keine Anschaffungskosten)
Leitsatz (amtlich)
Der vom Erwerber eines Erbbaurechts als Entgelt für die Nutzung des Grundstücks zu zahlende Einmalbetrag gehört nicht zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens i.S. von § 10e Abs.1 EStG. Der Betrag ist auf die Laufzeit des Erbbaurechts zu verteilen und --soweit er auf die Zeit vor Bezug der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung entfällt-- als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
1. Aufwendungen sind i.S. von § 10e Abs.6 EStG entstanden, wenn sie wirtschaftlich auf den Zeitraum vor Bezug der Wohnung entfallen (vgl. BFH-Urteil om 8.8.1994 X R 30/92).
2. Laufend zu zahlende Erbbauzinsen sind begrifflich keine Anschaffungskosten (vgl. BFH-Urteil vom 8.8.1994 X R 51/91).
Normenkette
EStG § 10e Abs. 1, 6
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben durch notariellen Erbbaurechtsvertrag vom 20. Februar 1989 von dem Grundstückseigentümer das Erbbaurecht an einem unbebauten Grundstück. Das Erbbaurecht sollte mit der Eintragung in das Grundbuch "beginnen" und wurde für die Zeit bis zum 31. Dezember 2063 bestellt. Das Grundstück galt mit dem Tag der Fälligkeit des Entgelts am 13. März 1989 als übergeben. Für die Zeit der Übergabe des Grundstücks bis zum Beginn des Erbbaurechts waren die Bestimmungen des Erbbaurechtsvertrages sinngemäß anzuwenden.
Das Entgelt für die Dauer der Laufzeit betrug 75 v.H. des Verkehrswerts des Grundstücks zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (187,50 DM x 619 qm = 116 062,50 DM). Für den Fall, daß sich bei der amtlichen Vermessung eine größere oder geringere Grundstücksfläche ergab, sollte sich auch das Entgelt ändern.
Die Kläger errichteten auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus, in das sie am 26. August 1989 einzogen.
In der Einkommensteuererklärung 1989 begehrten die Kläger einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1987. Als Anschaffungskosten für den Grund und Boden machten sie 119 181 DM geltend (Entgelt für das Erbbaurecht 116 062,50 DM + Grunderwerbsteuer 2 321 DM + Notarkosten 794,12 DM).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im erstmaligen, unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 1989 nur einen Abzugsbetrag in Höhe von 5 v.H. der Herstellungskosten für das Gebäude (211 795 DM x 5 v.H. = 10 590 DM) sowie als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 3 068 DM (insgesamt 13 658 DM).
In dem nach § 164 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid 1989 behandelte das FA die Grunderwerbsteuer und die Notarkosten als Anschaffungskosten für den Grund und Boden und bezog sie zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG ein, der sich dadurch um 78 DM erhöhte. Das Entgelt in Höhe von 116 062,50 DM verteilte es auf die Laufzeit des Erbbaurechts (75 Jahre) und berücksichtigte den so errechneten Jahresbetrag von 1 548 DM zeitanteilig, soweit er auf die Zeit bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung des Einfamilienhauses entfiel (1 015 DM), als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG. Der Einspruch der Kläger war erfolglos.
Mit der Klage begehrten die Kläger, das Entgelt für das Erbbaurecht als Anschaffungskosten des Grund und Bodens bei der Ermittlung des Abzugsbetrags nach § 10e Abs.1 EStG zu berücksichtigen, hilfsweise, das Entgelt in voller Höhe als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG abzuziehen.
Das Finanzgericht (FG) gab dem Hauptantrag statt. Es bezog das Entgelt für das Erbbaurecht zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG ein, der sich dadurch um 2 902 DM erhöhte; die Vorkosten kürzte es um das vom FA abgezogene, anteilige Entgelt von 1 015 DM. Insgesamt ergab sich ein nach § 10e Abs.1 und 6 EStG zu berücksichtigender Betrag von 16 638 DM.
Das FG führte aus: Der Subventionscharakter des § 10e Abs.1 EStG rechtfertige es, die Aufwendungen für ein Erbbaurecht den Anschaffungskosten für den Grund und Boden gleichzustellen. Der Erbbauberechtigte erlange zwar weder zivilrechtliches noch wirtschaftliches Eigentum am Grund und Boden; er sei aber --wenn er die Erbbauzinszahlung in einem einmaligen Betrag erbringe-- in einer dem Grundstückskäufer vergleichbaren Situation. Der Erbbauberechtigte sei daher nicht weniger förderungsbedürftig als der Grundstückskäufer. Es sei somit angemessen, die in einem Betrag zu entrichtende "Erbbauzinszahlung" wie Anschaffungskosten für den Grund und Boden zu behandeln.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e Abs.1 EStG.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Unrecht hat das FG den von den Klägern für das eingeräumte Erbbaurecht gezahlten Betrag von 116 062,50 DM als Anschaffungskosten des Grund und Bodens behandelt und zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG einbezogen.
1. § 10e Abs.1 EStG begünstigt die Anschaffungs- und Herstellungskosten einer Wohnung im eigenen Haus oder einer eigenen Eigentumswohnung "zuzüglich der Hälfte der Anschaffungskosten für den dazugehörenden Grund und Boden".
a) Nach der Entscheidung des Senats vom 8. Juni 1994 X R 51/91 (BFHE 175, 76, BStBl II 1994, 779) sind laufend zu zahlende Erbbauzinsen bereits begrifflich keine Anschaffungskosten. Das gleiche gilt, wenn das Entgelt für die Nutzung des Grundstücks nicht in jährlich wiederkehrenden Beträgen besteht, sondern durch einmalige Zahlung im voraus geleistet wird.
Die Beurteilung des Erbbaurechtsverhältnisses als entgeltliches Dauernutzungsverhältnis gilt auch im Bereich der Wohnungsbauförderung nach § 10e EStG. Da sowohl die jährlich zu erbringenden Erbbauzinszahlungen als auch die einmalige Zahlung Entgelt für die fortwährende Duldung der Grundstücksnutzung durch den Eigentümer sind, können sie keine Anschaffungskosten für den zum Haus oder zur Wohnung gehörenden Grund und Boden sein.
b) Das Entgelt für die Grundstücksnutzung kann auch nicht im Wege der Analogie den Anschaffungskosten für den Grund und Boden gleichgestellt werden. Eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes, die zu einer Analogie zugunsten der Kläger berechtigten würde, liegt nicht vor.
Zwar ist insbesondere das im voraus, in einem einmaligen Betrag zu zahlende Entgelt den Anschaffungskosten für den Grund und Boden wirtschaftlich vergleichbar. Es wäre mit dem Begünstigungszweck vereinbar gewesen, diese Aufwendungen den Anschaffungskosten eines Grundstücks gleichzustellen. Eine solche Regelung ist aber nicht Gesetz geworden. Eine planwidrige Gesetzeslücke liegt hierin nicht. Gefördert wird nach § 10e Abs.1 EStG die Wohnung im eigenen Haus bzw. die eigene Eigentumswohnung. Nutzungsberechtigte sind von der Förderung ausgeschlossen. Folgerichtig werden nur die Anschaffungskosten für den (eigenen) Grund und Boden und nicht auch das Entgelt für die Nutzung des Grund und Bodens begünstigt.
Auch würde die Qualifizierung des einmaligen oder laufenden Nutzungsentgelts als Anschaffungskosten des Grund und Bodens zu unterschiedlichen steuerrechtlichen Wertungen bei der Wohnungsbauförderung und den Gewinneinkünften sowie den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen. Besonders deutlich wird dies, wenn der Erbbauberechtigte in einem Wohn- und Geschäftshaus eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt, die übrigen Wohnungen vermietet und die Geschäftsräume eigenbetrieblich verwendet. Das anteilige, auf die vermieteten Wohnungen und die Geschäftsräume entfallende Nutzungsentgelt wäre als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abziehbar, während das auf die eigengenutzte Wohnung entfallende Nutzungsentgelt als Anschaffungskosten nach § 10e Abs.1 EStG begünstigt wäre. Dieser Wertungswiderspruch verbietet eine Analogie.
2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage wird --auch hinsichtlich des Hilfsantrags-- abgewiesen.
a) Zutreffend hat das FA das Entgelt für das Erbbaurecht auf dessen Laufzeit verteilt und, soweit es auf die Zeit vor Bezug der Wohnung entfällt, als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG berücksichtigt.
Da das für das Erbbaurecht zu zahlende Entgelt unmittelbar mit der Herstellung der Wohnung zusammenhängt, ist es grundsätzlich nach § 10e Abs.6 EStG begünstigt. Vom Abzug als Vorkosten ausgeschlossen sind nur die --zur Bemessungsgrundlage des Abzugsbetrags nach § 10e Abs.1 EStG gehörenden-- Herstellungskosten für die Wohnung im eigenen Haus oder die eigene Eigentumswohnung und die Anschaffungskosten für den dazugehörenden Grund und Boden. Abziehbar sind die Aufwendungen für das Erbbaurecht, soweit sie vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind.
Aufwendungen sind i.S. von § 10e Abs.6 EStG entstanden, wenn sie wirtschaftlich auf den Zeitraum vor Bezug der Wohnung entfallen (BFH-Urteil vom 8. Juni 1994 X R 30/92, BFHE 174, 541. Ein vorausbezahltes Nutzungsentgelt ist daher nur insoweit den Vorkosten zuzuordnen, als es die Nutzung des Grundstücks bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken abgilt.
b) Zu Unrecht hat das FA die Grunderwerbsteuer und die Notarkosten von insgesamt 3 115,12 DM als Anschaffungskosten des Grund und Bodens zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG einbezogen. Es handelt sich hierbei um Anschaffungskosten des Erbbaurechts (vgl. BFH-Urteil in BFHE 165, 349, BStBl II 1992, 70), die nicht nach § 10e Abs.1 EStG begünstigt sind (BFH-Urteil in BFHE 175, 76, BStBl II 1994, 779). Es sind nur die auf die Laufzeit verteilten, auf die Zeit vor Bezug entfallenden Aufwendungen nach § 10e Abs.6 EStG abziehbar. Soweit das FA für diese Aufwendungen zu Unrecht einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG gewährt hat, bleibt es bei dieser für die Kläger günstigeren Behandlung, weil der Senat über den vom FA gestellten Antrag auf Klageabweisung nicht hinausgehen darf (§ 121, § 96 Abs.1 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 65271 |
BFH/NV 1994, 80 |
BStBl II 1995, 111 |
BFHE 175, 124 |
BFHE 1995, 124 |
BB 1994, 2137 |
BB 1995, 493 |
BB 1995, 493-494 (LT) |
DB 1994, 2218-2219 (LT) |
DStR 1994, 1647-1648 (KT) |
DStZ 1994, 746-747 (KT) |
HFR 1995, 17 (LT) |
StE 1994, 627 (K) |