Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberaterprüfung: Besetzung des Prüfungsausschusses, Chancengleichheit
Leitsatz (NV)
1. Die Besetzung des Prüfungsausschusses und die Bewertung der Aufsichtsarbeiten für die Steuerberaterprüfung kann so organisiert sein, daß neben einem festen Stamm von (ordentlichen) Mitgliedern des Prüfungsausschusses eine ausreichende Zahl von Stellvertretern berufen wird, die neben den ordentlichen Mitgliedern mit der selbständigen Begutachtung der Arbeiten und der nachfolgenden Notenfestsetzung im Prüfungsausschuß betraut werden.
2. Zur Verletzung der Chancengleichheit, wenn bei der Steuerberaterprüfung in einem anderen Bundesland die Prüfungskandidaten infolge Versehens der Aufsichtsführenden bereits einige Tage vor dem Klausurtermin in den Aufgabentext kurzfristig Einblick nehmen konnten.
Normenkette
DVStB §§ 10, 24 Abs. 1
Tatbestand
Der dem Leitsatz 1 zugrundeliegende Sachverhalt sowie die Entscheidungsgründe des Senats entsprechen denen des Urteils vom 15.9. 1992 VII R 1/92, BFH/NV 1993, . . . Auf eine erneute Wiedergabe wird daher verzichtet. Die Entscheidungsgründe zu Leitsatz 2 lauten wie folgt:
Entscheidungsgründe
Soweit das FG die versehentliche kurzfristige Aushändigung des Aufgabentextes für die Ertragsteuerklausur an die Prüfungsteilnehmer in Karlsruhe drei Tage vor dem bundeseinheitlichen Bearbeitungstag (5. Oktober 1990) nicht als prüfungsrelevanten Verfahrensfehler für die Prüfung des Klägers angesehen hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Es kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die vorzeitige Kenntnisnahme von einer Prüfungsaufgabe durch eine Gruppe von Prüflingen in einem anderen Bundesland (hier: Baden-Württemberg) zu einer Verletzung der Chancengleichheit der Prüfungsteilnehmer führen kann, deren Prüfungsverfahren ordnungsgemäß abewickelt worden ist. Es bedarf auch keiner Feststellungen darüber, ob und in welchem Umfang der Vorfall in Karlsruhe Prüfungsteilnehmern in Rheinland-Pfalz vor dem 5. Oktober 1990 bekannt geworden ist. Schließlich braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob bei der Steuerberaterprüfung ein verfahrenswidrig erlangter Informationsvorsprung bestimmter Kandidaten im Hinblick auf eine bewußte oder unbewußte Anlehnung der Bewertungsmaßstäbe der Prüfer an der Durchschnittsleistung der Prüfungsgruppe die Chancengleichheit der anderen Prüflinge verletzt. Denn das FG ist bei seiner tatsächlichen Würdigung davon ausgegangen, daß die kurzfristige vorzeitige Ausgabe der Prüfungsaufgabe auf dem Gebiet der Ertragsteuern in Karlsruhe und die etwaige Weiterverbreitung daraus erlangter Informationen nicht geeignet waren, den darüber informierten Prüfungsteilnehmern nennenswerte Vorteile zu verschaffen, die sich auf die Prüfungsleistungen ausgewirkt haben könnten.
Das Revisionsgericht ist nach § 118 Abs. 2 FGO an die Schlußfolgerungen tatsächlicher Art, die das FG aufgrund des festgestellten Sachverhalts im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung zieht, gebunden, wenn diese verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt sind; das gilt auch dann, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich sind (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Rz.29, 40 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Würdigung des FG, daß die Aushändigung der Ertragsteueraufgabe für maximal 10 Minuten an die Prüfungsteilnehmer in Karlsruhe angesichts des Umfangs der Aufgabe mit mehrseitigem Sachverhalt, Anlagen und umfangreicher Aufgabenstellung nicht ausgereicht habe, eine Übersicht über die Problemkreise zu gewinnen und den informierten Teilnehmern meßbare Vorteile für die Bearbeitung der Prüfungsklausur zu verschaffen, verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze und ist zumindest möglich. Dasselbe gilt hinsichtlich der finanzgerichtlichen Schlußfolgerung, daß der etwaige telefonische Hinweis an Prüfungskandidaten in Rheinland-Pfalz, in der Arbeit spielten § 10e EStG, das DBA-Schweiz und eine GmbH & Co. KG eine Rolle, im Hinblick auf den Umfang dieser Rechtsbereiche und der für die Vorbereitung noch zur Verfügung stehenden Zeit, den informierten Kandidaten keine nennenswerten Vorteile verschafft hätten. Der Kläger hat gegen die tatsächlichen Feststellungen und die Würdigung durch das FG keine Verfahrensrügen erhoben. Soweit seine Einwendungen die Tatsachenwürdigung selbst betreffen, sind sie unerheblich, da der Senat an diese gebunden ist. Entgegen der Revision kann somit aus dem Vorfall in Karlsruhe eine Verletzung der Chancengleichheit für das Prüfungsverfahren des Klägers nicht hergeleitet werden.
Fundstellen
Haufe-Index 418796 |
BFH/NV 1993, 692 |