Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Bevollmächtigung
Leitsatz (NV)
- Im Fall einer subjektiven Klagehäufung hat jeder Streitgenosse die Bevollmächtigung entsprechend § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO nachzuweisen. Die Vollmacht ist einer Auslegung zugänglich.
- § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO betrifft ausdrücklich den Nachweis der Vollmacht, nicht deren Erteilung. Die schriftliche Erteilung der Vollmacht ist im finanzgerichtlichen Verfahren konstitutive Voraussetzung für die Entstehung der Vollmacht.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 1, 3 Sätze 1, 3
Tatbestand
I. Die Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer H und Kollegen erhoben mit Schriftsatz vom 16. Juni 1999 für die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihren Ehemann gegen die Einkommensteuerbescheide 1996 und 1997 Klage. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) hatte die Steuerbegünstigung nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht, wie beantragt, in Höhe von jährlich 19 800 DM gewährt. Das Finanzgericht (FG) räumte den Prozessbevollmächtigten für die Vorlage der Prozessvollmachten mit Schreiben vom 8. Juli 1999 eine Frist bis zum 30. August 1999 ein, die fruchtlos verstrich. Der Berichterstatter bat mit Verfügung vom 14. September 1999 um "Erledigung des Schreibens vom 8. Juli 1999 (Vorlage der Vollmachten)" innerhalb von zwei Wochen. Auch diese Fristsetzung verlief ohne Erfolg. Mit Verfügung des Berichterstatters vom 6. Oktober 1999, abgesandt am selben Tag und zugestellt am 7. Oktober 1999, setzte das FG den Prozessbevollmächtigten für das Einreichen der Vollmachten gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Frist mit ausschließender Wirkung von einem Monat. Am 4. November 1999 ging bei Gericht eine nur vom Ehemann der Klägerin am 15. Juni 1999 unterzeichnete Vollmachtsurkunde ein. In der Urkunde erteilte dieser in Sachen "Klageverfahren gegen Finanzamt F wegen ESt 1996" Prozessvollmacht.
Mit Schreiben vom 12. November 1999 bat der Berichterstatter um Mitteilung, ob die Klage der Klägerin zurückgenommen werde, da die Vollmacht nur von ihrem Ehemann unterschrieben worden sei. Am 3. Dezember 1999 ging bei Gericht die am 15. Juni 1999 unterzeichnete Vollmachtsurkunde der Klägerin im Original ein. Die Klägerin erteilte darin Prozessvollmacht wegen Einkommensteuer 1996 und 1997. Mit Beschluss vom 28. Februar 2000 trennte der Berichterstatter das Verfahren der Klägerin von dem anhängigen Verfahren (13 K 120/99) ab und führte es unter einem neuen Aktenzeichen (13 K 41/00) fort.
Das FG hat die Klage der Klägerin als unzulässig abgewiesen.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend:
Die von den früheren Prozessbevollmächtigten fristgerecht eingereichte und nur von ihrem Ehemann unterschriebene Vollmacht erfülle auch im Hinblick auf ihr Verfahren die Anforderungen, die an eine schriftliche Vollmacht zu stellen seien. Ihr Ehemann habe unter Übernahme der vollen Verantwortung (für sie) eigenhändig unterzeichnet. Ihr Ehemann sei sowohl nach § 164 f. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) als auch nach § 1357 BGB berechtigt gewesen, die früheren Prozessbevollmächtigten mit der Übernahme des Mandats zur Führung eines Prozesses auch in ihrem Namen zu beauftragen. Bei der Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten zur Führung eines Finanzgerichtsprozesses handele es sich um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie. Grundsätzlich falle darunter auch die Klageerhebung im eigenen als auch im fremden Namen, wenn es sich bei dem streitigen Rechtsverhältnis um ein Geschäft i.S. von § 1357 BGB handele. Im Übrigen habe sie durch Vorlage der von ihr unterzeichneten Vollmachtsurkunde die Vollmachtserteilung durch ihren Ehemann nach Ablauf der Ausschlussfrist ausdrücklich auch schriftlich genehmigt.
Das FG habe sie nicht ausdrücklich unter Fristsetzung aufgefordert, die Bevollmächtigung ihres Ehemanns für die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten nachzuweisen. Das FG sei auch deshalb nicht berechtigt gewesen, die Klage als unzulässig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Vollmacht der Klägerin verspätet vorgelegt worden und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist.
1. Lässt sich ein Beteiligter vor einem Gericht der Finanzgerichtsbarkeit durch einen Bevollmächtigten vertreten, so hat er eine schriftliche Prozessvollmacht zu erteilen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 FGO). Die Schriftform ist grundsätzlich nur gewahrt, wenn die Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet ist (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 19. Januar 1989 IV R 21-23/87, BFHE 156, 350, BStBl II 1989, 567). Im Fall einer subjektiven Klagehäufung hat jeder Streitgenosse die Bevollmächtigung entsprechend nachzuweisen.
Nach § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO kann für das Einreichen der Vollmacht eine Frist mit ausschließender Wirkung gesetzt werden. Die Frist ist gewahrt, wenn es sich bei der innerhalb der Frist vorgelegten Vollmacht um eine schriftliche und wirksame Vollmacht handelt und dadurch der vom Gericht angeforderte Nachweis der Vollmacht erbracht wird. Eine ordnungsgemäße Vollmacht muss erkennen lassen, wer bevollmächtigt hat, wer bevollmächtigt ist und wozu bevollmächtigt wurde. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist durch Auslegung zu ermitteln (BFH-Urteil vom 20. September 1991 III R 36/90, BFHE 166, 103, BStBl II 1992, 300). Wird eine ordnungsgemäße Vollmacht innerhalb der gesetzten richterlichen Ausschlussfrist nicht eingereicht, so ist die Klage wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen (BFH-Urteil vom 10. März 1988 IV R 218/85, BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731).
Im Streitfall hat die dem FG am 4. November 1999 vorgelegte Vollmacht vom 15. Juni 1999 allein der Ehemann der Klägerin unterschrieben. Aus dieser Urkunde ergibt sich nicht, dass sie auch im Namen der Klägerin erteilt sein soll (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 22. Oktober 1986 IX R 178/85, BFH/NV 1987, 183; BFH-Urteil in BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731). Zwar ist die Erteilung der Prozessvollmacht als Prozesshandlung einer Auslegung entsprechend den in §§ 133, 157 BGB normierten allgemeinen Auslegungsregeln zugänglich. Raum für die Auslegung von Prozesshandlungen ist jedoch nur, soweit die Willensbekundung zu Zweifeln Anlass gibt oder unbestimmt ist (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, Vor § 33 Rz. 17). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die dem Gericht am 4. November 1999 vorgelegte Vollmacht ist hinsichtlich des Vollmachtgebers eindeutig und deshalb nicht auslegungsbedürftig. Auf die Frage, ob die Klägerin ihren Ehemann zur Erteilung einer Prozessvollmacht beauftragt hat, kommt es nicht an. § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO betrifft ausdrücklich den Nachweis der Vollmacht, nicht deren Erteilung (BFH-Urteil vom 23. Juli 1997 X R 125/96, BFH/NV 1998, 58). Die nach dieser Vorschrift erforderliche schriftliche Erteilung der Vollmacht ist im finanzgerichtlichen Verfahren konstitutive Voraussetzung für die Entstehung der Vollmacht (BFH-Urteile vom 15. März 1991 III R 112/89, BFHE 164, 210, BStBl II 1991, 726; vom 16. November 1993 VIII R 7/93, BFH/NV 1994, 891, ständige Rechtsprechung). Der ordnungsgemäße Nachweis der Bevollmächtigung gehört zu den Sachentscheidungsvoraussetzungen, von deren Vorliegen die Zulässigkeit der auf sachliche Entscheidung gerichteten Klage abhängt (BFH-Urteile in BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731; vom 27. Februar 1998 VI R 88/97, BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445).
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus § 1357 BGB. Diese Vorschrift regelt die Frage, in welchem Umfang die von einem Ehegatten geschlossenen Rechtsgeschäfte auch ohne ausdrückliche Vollmacht zugleich für und gegen dessen Ehepartner wirken, ihn also mitberechtigen und mitverpflichten (Wacke, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1357 Rdnr. 1). Dieser Bestimmung kommt im Streitfall schon deshalb keine Bedeutung zu, weil die früheren Prozessbevollmächtigten die Klage auch im Namen der Klägerin erhoben haben. Es handelte sich insoweit ersichtlich nicht um eine Klage eines Ehegatten mit Drittberechtigung und Drittverpflichtung gemäß § 1357 Abs. 1 BGB für den anderen Ehegatten. Entsprechend musste die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht der Klägerin selbst nachgewiesen werden.
2. Die Klägerin hat eine wirksame Prozessvollmacht binnen der vom Berichterstatter mit Verfügung vom 6. Oktober 1999 gesetzten Ausschlussfrist nicht vorgelegt. Die Aufforderung des Berichterstatters, innerhalb der Ausschlussfrist Vollmachtsurkunden vorzulegen, betraf beide Kläger und war daher auch gegenüber der Klägerin wirksam. Es bestand für das FG keine Veranlassung, den Nachweis der Vertretungsmacht des Ehemanns zu verlangen (s. dazu BFH-Urteile vom 16. Februar 1990 III R 81/87, BFHE 160, 387, BStBl II 1990, 746; vom 25. April 1990 X R 127-128/88, BFH/NV 1991, 179).
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren. Die Fristversäumnis war nicht unverschuldet. Auf das Fehlen der Vollmacht der Klägerin hatte der Berichterstatter mit Schreiben vom 12. November 1999 hingewiesen. Innerhalb der Antragsfrist hat die Klägerin nichts dafür vorgetragen, warum die Fristversäumnis unverschuldet war (s. § 56 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 884158 |
BFH/NV 2003, 341 |