Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Unternehmer eines Gewerbebetriebs ist, wer ihn auf eigene Rechnung und Gefahr führt. 2. Die einkommensteuerliche Stellung eines Nießbrauchers beurteilt sich nach der tatsächlichen Gestaltung durch die Beteiligten. 3. Hat das Finanzamt viele Jahre hindurch einen ihm bekannten Sachverhalt in einer möglichen Weise gewürdigt, so kann es gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen, wenn es seine Beurteilung ändert, ohne daß neue Tatsachen oder eine geänderte Rechtsauffassung dies rechtfertigen.
Normenkette
EStG § 15; StAnpG §§ 1, 3
Tatbestand
Die beschwerdeführenden Erben des im Juni 1941 verstorbenen E. sind seine Witwe zu 1/4 und seine beiden Söhne zu je 3/8. Beide Söhne waren in den Streitjahren volljährig. Im Testament des Erblassers ist bestimmt, das Vermögen solle seine Frau zusammen mit den Pflegern seiner Söhne verwalten. Es solle nicht geteilt werden bis zum Tode seiner Frau. Sie sei die alleinige Nutznießerin der anfallenden Zinserträge. Zum Nachlaß gehörte eine Maschinenhandlung. Im Handelsregister wurde das Unternehmen als Einzelfirma geführt. Steuerlich wurde das Unternehmen seit 1941 als Einzelunternehmen der Witwe behandelt, die auch dem Finanzamt gegenüber als Unternehmerin auftrat und die Gewinne aus dem Unternehmen als ihre eigenen angab und versteuerte. Hiernach wurde zunächst auch für die Streitjahre verfahren. Die einheitliche Gewinnfeststellung 1956 wurde vorläufig durchgeführt. Auf Grund einer Betriebsprüfung im Jahre 1959 vertrat das Finanzamt die Auffassung, daß das Unternehmen in Mitunternehmerschaft der Erben geführt werde. Es erließ demgemäß für die Streitjahre berichtigte einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide, in denen die an die Söhne für ihre Geschäftsführung gezahlten Arbeitsvergütungen und Mietzinsen als Gewinnanteile der Söhne behandelt wurden. Die bisherige Behandlung könne nicht weitergeführt werden. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 87/37 vom 22. Dezember 1937 (RStBl 1938 S. 77, Slg. Bd. 43 S. 43) sei der Erbe trotz eines Nutznießungsrechts der Mutter als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen. Bei einer eventuellen Auseinandersetzung sei er sowohl am Anlagevermögen als auch an den stillen Reserven des Unternehmens beteiligt. Hieraus ergebe sich, daß die beiden Söhne Mitunternehmer der Firma seien. Dieser Auffassung stehe auch nicht entgegen, daß die den Nießbrauch ausübende Mutter ihren Söhnen in den Jahren 1953 und 1954 aus Betriebsmitteln größere Darlehnsbeträge zum Kauf eines Grundstücks zur Verfügung gestellt habe. Die Auffassung der Erben, daß insoweit eine Tilgung des Erbanspruchs durch die Mutter an die Söhne erfüllt sei, könne nicht geteilt werden.
Einspruch und Berufung der Bfin. blieben erfolglos. Das Finanzgericht war der Ansicht, die Erbengemeinschaft führe den Betrieb in Mitunternehmerschaft. Wenn die Bfin. behaupte, sie habe schon im Jahre 1954 die Erbteile der Söhne zum Gegenwert von je 17.500 DM angekauft, so stehe diese Behauptung im Widerspruch zu der Verbuchung in den Bilanzen, wo die betreffenden Posten als Darlehnsforderungen des Betriebs an die Söhne behandelt worden seien. Die Söhne hätten auch Zinsen gezahlt. Auch bei der Ermittlung der Einheitswerte des gewerblichen Betriebs auf den 1. Januar 1955, 1. Januar 1956 und 1. Januar 1957 seien die Beteiligungen der Söhne mit je 17.281 DM angegeben. Die Behauptung stehe auch im Widerspruch zu der Berufungsbegründung. Denn hiernach sollte durch die Auszahlung der Erbteile das Nießbrauchsrecht der Mutter gerade nicht geschmälert werden. Diese Widersprüche gingen zu Lasten der Bfin. Die Berichtigungsveranlagungen seien auch zulässig, da sich bis auf das in der Berufung noch streitige Jahr 1955 für die Jahre 1954 und 1956 auf Grund des Betriebsprüfungsberichts neue Tatsachen von einigem Gewicht ergeben hätten, die zu einer Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalls berechtigten. Die Veranlagung 1956 sei ohnehin nur vorläufig gewesen. Die Bfin. könne sich auch nicht auf eine Zusage des Finanzamtes berufen, denn eine solche sei der Bfin. als Einzelunternehmerin nicht gegeben worden. In der steuerlichen Behandlung der strittigen Punkte liege keine bindende Zusage. Das Finanzamt sei nicht verpflichtet, an einer früheren fehlerhaften Rechtsauffassung festzuhalten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Erben führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Gewinne aus einem gewerblichen Betrieb sind demjenigen als Einkünfte zuzurechnen, der Unternehmer des gewerblichen Betriebes ist. Ob die Erbengemeinschaft im Streitfall als Unternehmer anzusehen ist, oder ob die bisherige Behandlung des Finanzamts richtig war, wonach es sich um ein Einzelunternehmen der Witwe handelt, entscheidet sich somit danach, wer der Unternehmer des Betriebes ist. Unternehmer eines Betriebes ist nicht immer derjenige, dem das Betriebsvermögen gehört. Von der Verpachtung abgesehen, ist es auch denkbar, daß Betriebsvermögen unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Es ist deshalb möglich, daß ein Einzelunternehmen der Witwe vorliegt, obwohl die beiden Söhne Anteile am Betriebsvermögen der Firma haben.
Der Begriff des Unternehmers als des Inhabers eines Unternehmens im Sinne des § 15 EStG ist ein wirtschaftlicher Begriff. Unternehmer eines Betriebes ist, wer ihn auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko führt. Das ist für die Streitjahre die Witwe gewesen. Es mag zutreffen, daß die Frage nicht lediglich auf Grund ihrer Stellung als Nießbraucherin an dem Geschäft entschieden werden kann. Die Erben waren sich aber von Anfang an darin einig, daß die Mutter die Unternehmertätigkeit allein für eigene Rechnung und mit eigenem Risiko ausüben sollte. Hierzu mag Veranlassung gewesen sein, daß der Mutter ohnehin der Nießbrauch am Vermögen des Erblassers eingeräumt war. Der Wille der Erben ging jedoch hierüber hinaus und verschaffte ihr die Stellung der Alleinunternehmerin. Dieser Wille ist durchgeführt worden und nach außen in Erscheinung getreten. Das muß auch steuerlich beachtet werden (vgl. die Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 2248/31 vom 2. Juni 1931, Steuer und Wirtschaft 1932 Nr. 744; VI A 242/32 vom 30. August 1932, Steuer und Wirtschaft 1932 Nr. 1006; des Bundesfinanzhofs I 47/57 U vom 3. September 1957, BStBl 1957 III S. 375, Slg. Bd. 65 S. 376). Kapitalkonten sind für die Söhne niemals geführt worden. Das Unternehmen ist auch nach dem Tode des Erblassers als Alleinunternehmen im Handelsregister eingetragen gewesen. Die Witwe hat es nach außen hin als Alleinunternehmerin geführt und ist jahrelang dem Finanzamt gegenüber als Alleinunternehmerin aufgetreten. Die tatsächlichen Verhältnisse liegen hier anders als in dem vom Finanzgericht zitierten Urteil VI 87/37 vom 22. Dezember 1937 (a. a. O.), in dem der Reichsfinanzhof vom Bestehen eines Reingewinn-Vermächtnisses in der Ausgestaltung des § 1655 BGB a. F. ausging. Im Streitfalle haben die Erben die Verhältnisse tatsächlich anders gestaltet und der Witwe in steuerlich anzuerkennender Weise die Alleinunternehmerstellung eingeräumt, die dieser auch das Recht gab, die Gewinne wie eine Eigentümerin zu ermitteln und für sich zu verwenden.
Bedeutsam ist des weiteren, daß das Finanzamt seit dem Erbfall im Jahre 1941 und in voller Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse den Betrieb 16 Jahre lang als Alleinunternehmen der Mutter behandelt hat. Es ist keine änderung des Verhältnisses der Witwe zum Unternehmen und der Erben untereinander eingetreten. Es liegen keine tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte vor, die eine von der bisherigen übung abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Bei dieser Sachlage konnte das Finanzamt seine Rechtsauffassung später auch dann nicht ändern, wenn die Möglichkeit einer anderweitigen Würdigung bestehen würde. Wenn auch nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung die Steuerbehörde jeden Fall für den Veranlagungszeitraum erneut zu prüfen hat, so würde es gleichwohl gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen, wenn die bisherige langjährige Behandlung, die sich im Rahmen des Möglichen bewegt hat, völlig unberücksichtigt bliebe. Sie ist eine Tatsache, der auch für die Würdigung der Verhältnisse für die Zukunft entscheidendes Gewicht beizulegen ist. Eine abweichende Tatsachenwürdigung, die ihren Grund nicht in einer änderung der Verhältnisse oder dem Bekanntwerden neuer, bisher nicht berücksichtigter Umstände hat, kann Willkür darstellen (vgl. hierzu auch schon Urteil des Reichsfinanzhofs VI 81/38 vom 9. März 1938, RStBl 1938 S. 643, betreffend die jahrelange Behandlung eines ausgeschiedenen Gesellschafters weiterhin als Mitunternehmer durch das Finanzamt).
Auch die Zurverfügungstellung von je 17.500 DM durch die Witwe an ihre beiden Söhne in den Jahren 1953 und 1954 zum Ankauf eines Geschäftshauses spricht nicht gegen die Alleinunternehmerschaft der Mutter. Das Gegenteil ist der Fall. Diese Beträge sind von der Firma als Darlehen an die Söhne verbucht worden. Hiernach muß man annehmen, daß die Söhne nach dem Willen der Beteiligten dem Betrieb nicht als Unternehmer gegenüberstehen sollen. Selbst wenn schon damals mit der Zahlung der 17.500 DM unter den Beteiligten die Absicht bestanden haben sollte, den Söhnen ihr Erbteil auszuzahlen, so würde das noch stärker für die Alleinunternehmerschaft der Mutter sprechen. Unter diesem Gesichtspunkt mag die buchmäßige Darstellung falsch gewesen sein. Mit ihr sollte aber erreicht werden, daß die Mutter nach wie vor die Nutznießung auch an diesen Beträgen in Gestalt der vereinbarten Zinsen erhielt. Selbst wenn die Beteiligten in diesem Punkt keine klare Regelung getroffen haben, so reicht das angesichts der übrigen für die Alleinunternehmerschaft der Mutter sprechenden Umstände nicht aus, eine Mitunternehmerschaft der Erben anzunehmen.
Nach alledem kann der Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts nicht gefolgt werden, daß die Firma durch die Erbengemeinschaft in Form einer Mitunternehmerschaft geführt werde. Die Firma ist vielmehr ein Einzelunternehmen der Mutter. Die an die Söhne für ihre Mitarbeit im Betrieb ausgezahlten Gehälter und die für die überlassung des Grundstücks gezahlten Mieten sind Betriebsausgaben, die den Gewinn der Firma mindern.
Fundstellen
Haufe-Index 410004 |
BStBl III 1961, 252 |
BFHE 1961, 689 |
BFHE 72, 689 |