Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten der Unterbringung eines körperlich gesunden, aber schwer erziehbaren Kindes in einem Internat sind nicht nach § 33 EStG 1955, sondern nach § 33 a Abs. 2 EStG 1955 bei der Einkommensteuer zu berücksichtigen.
Zum Begriff "Krankheitskosten", die nach § 33 EStG berücksichtigt werden können, im Verhältnis zu den Kosten der auswärtigen Unterbringung eines Kindes gemäß § 33 a Abs. 2 EStG.
Normenkette
EStG §§ 33, 33a/2
Tatbestand
Die Steuerpflichtige ist Fachärztin. Sie ist seit dem Jahre 1948 geschieden und hat drei Kinder zu unterhalten, darunter einen im Streitjahr 1956 19 Jahre alten Sohn, der sich seit seinem 12. Lebensjahr auswärts in einem Internat (Pädagogium) befindet, von dem aus er eine nicht zum Internat gehörende Oberschule besuchte. Das Finanzamt hat bis zum Jahre 1954 die durch die auswärtige Unterbringung des Sohnes entstandenen Kosten nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. In den Jahren 1955 hat es nur einen pauschalen Freibetrag von 480 DM nach § 33 a EStG 1955 gewährt. Die Einkommensteuerveranlagung für 1955 wurde rechtskräftig. Als das Finanzamt für 1956 ebenso verfuhr, hat die Steuerpflichtige, weil die wegen der Internatsunterbringung ihres Sohnes geltend gemachten 2.792 DM nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wurden, Einspruch eingelegt, der jedoch als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Die Berufung der Steuerpflichtigen hatte im wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht nahm an, die alleinstehende und durch ihren Beruf voll in Anspruch genommene Steuerpflichtige sei nicht in der Lage gewesen, ihren Sohn zu erziehen. Der Sohn sei seit seinem zweiten Lebensjahr ohne elterliche Erziehung aufgewachsen, weil der Vater als Berufsoffizier sieben Jahre an der Front und in Kriegsgefangenschaft zugebracht habe und die Steuerpflichtige als ärztin dienstverpflichtet gewesen sei. Diese Umstände hätten zu erheblichen Erziehungsschwierigkeiten geführt. Die Lehrerin des Sohnes habe eine Internatsunterbringung als notwendig bezeichnet. Die Internatsunterbringung habe nicht nur im Interesse des Kindes, sondern auch in dem der Allgemeinheit gelegen, da diese daran interessiert sei, daß schwer erziehbare Kinder nicht den Unterricht belasteten und ihre Mitschüler gefährdeten. Die Kosten einer derartigen atypischen und zwangsläufigen Erziehungsmaßnahme seien nicht durch den Freibetrag nach § 33 a EStG 1955 abgegolten, sondern seien nach § 33 EStG zu berücksichtigen.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rb. unrichtige Anwendung des geltenden Rechts. Wegen der Aufwendungen für die auswärtige Unterbringung eines in der Berufsausbildung befindlichen Kindes komme eine Steuerermäßigung nach § 33 a EStG 1955 in Betracht. Es handle sich dabei um eine gesetzliche Typisierung, durch die die Anwendung des § 33 EStG ausgeschlossen werde. Was mit der auswärtigen Unterbringung von Kindern in der Berufsausbildung irgendwie zusammenhänge, solle typisiert werden. Besonderheiten des Einzelfalles müßten, außer bei erwiesenen Krankheitsfällen, unberücksichtigt bleiben. Der Sohn der Steuerpflichtigen sei weder körperlich noch geistig krank gewesen, so daß die Internatskosten keine Krankheitskosten seien. Die Auffassung des Finanzgerichts führe zu sozialer Ungleichmäßigkeit; denn begüterte Steuerpflichtige bekämen bei gleichen Erziehungsschwierigkeiten ihrer Kinder infolge der Unterbringung in teuereren und besseren Internaten höhere Steuervergünstigungen als weniger begüterte Steuerpflichtige.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
In § 33 a EStG 1955 wurde für einige besonders oft vorkommende Fälle der außergewöhnlichen Belastungen im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Steuerpflichtigen vom Gesetzgeber eine Sonderregelung getroffen. Für diese in § 33 a EStG 1955 behandelten Fälle ist die Anwendung des § 33 EStG 1955 ausgeschlossen (Urteil des Senats VI 144/55 U vom 9. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 407, Slg. Bd. 67 S. 346). Hierzu gehören auch die Aufwendungen für die auswärtige Unterbringung von Kindern in der Berufsausbildung. Berufsausbildung in diesem Sinn ist auch der Besuch der höheren Schule, wie im Urteil des Senats VI 175/56 U vom 25. Oktober 1957 (BStBl 1957 III S. 444, Slg. Bd. 65 S. 546) ausgesprochen ist.
Das Finanzgericht hat angenommen, es handle sich bei der Unterbringung des Sohnes in dem Internat nicht um eine solche im Sinn von § 33 a Abs. 2 Satz 3 EStG 1955. Dieser Beurteilung ist nicht zu folgen. Bei dem vom Gesetzgeber mit der Typisierung in § 33 a EStG 1955 verfolgten Zweck kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen das Kind auswärts untergebracht wird. Es ist daher ohne Bedeutung, ob ein Kind auswärts untergebracht wird, weil die Eltern zu seiner Erziehung nicht in der Lage sind, ob es schwer erziehbar ist oder weil dies den Eltern aus persönlichen Erwägungen als zweckmäßig erscheint.
Wenn ein krankes Kind in einem Krankenhaus, einem Sanatorium, einer Pflegeanstalt oder einem ähnlichen Heim untergebracht wird, sind allerdings die dadurch entstehenden Kosten nicht nach § 33 a EStG 1955, sondern nach § 33 EStG zu berücksichtigen, weil dann nicht die auswärtige Unterbringung, sondern die Behandlung einer Krankheit im Vordergrund steht und die Kosten der Unterbringung deshalb zu den Krankheitskosten gehören. Der Steuerpflichtige hat zwar vorgetragen, daß sie auch einen Psychotherapeuten zugezogen habe, und daß das Internat eine Art Erziehungsheim sei. Das reicht jedoch nicht aus, um die Unterbringung im Internat als eine Maßnahme zur Heilung von einer Krankheit zu betrachten. Bei Jugendlichen sind Erziehungsschwierigkeiten nicht selten. Die Unterbringung in einem Internat kann sich dabei oft als zweckmäßig erweisen. Es handelt sich dann aber um eine Erziehungsmaßnahme, deren Kosten bei der Einkommensteuer durch die Pauschregelung des § 33 a EStG 1955 abgegolten sind. Zu den typischen Krankheitskosten, die nach § 33 EStG zu berücksichtigen sind, gehören diese Aufwendungen nicht. Hierfür kommen nur die Kosten für den Unterhalt in Anstalten in Betracht, bei denen mit der Unterbringung ausschließlich das Ziel verfolgt wird, durch typische Maßnahmen der Heilbehandlung eine Krankheit zu heilen. Das ist aber nicht der Fall bei der Unterbringung in einem Internat, in dem Kinder und Jugendliche zwar in ihrer Freizeit durch geeignete Mittel erzogen und seelisch beeinflußt werden, das aber im übrigen eine Unterkunft bietet für den Besuch einer öffentlichen Oberschule.
Die angefochtene Entscheidung, die auf einer anderen Auslegung des § 33 a EStG 1955 beruht, war daher wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Da die Einspruchsentscheidung die Anwendung des § 33 EStG 1955 zutreffend abgelehnt hat und der Steuerpflichtigen den ihr zustehenden Freibetrag nach § 33 a Abs. 2 EStG 1955 zugebilligt hat, war die gegen sie gerichtete Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411162 |
BStBl III 1964, 270 |
BFHE 1964, 104 |
BFHE 79, 104 |