Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuerbefreiung eines mit einer Kurklinik bebauten Grundstücks; keine Eigentümer-Benutzer-Identität bei Grundstücksnutzung durch Betriebs-GmbH
Leitsatz (NV)
Stehen sich zwei juristische Personen des Privatrechts als Vertragsparteien gegenüber, von denen die eine ("Eigentümer"-Gesellschaft) Eigentümerin eines für Zwecke eines Krankenhauses benutzten Grundbesitzes und die andere (Betriebsgesellschaft) zur zweckgebundenen Grundstücksnutzung berechtigt und verpflichtet ist, fehlt es auch dann an der für die Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 GrStG erforderlichen rechtlichen Personengleichheit, wenn die "Eigentümer"-Gesellschaft sämtliche Anteile an der grundstücksnutzenden Betriebsgesellschaft hält, die Geschäftsführer beider Gesellschaften voll identisch sind und die beherrschende "Eigentümer"-Gesellschaft aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrags zur Ausgleichung der durch den Krankenhausbetrieb entstehenden Verluste verpflichtet ist (Anschluß an das BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 II R 223/83, BFHE 152, 149, BStBl II 1988, 298).
Normenkette
GrStG § 4 Nr. 6
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob das mit einem Krankenhaus bebaute Grundstück ... gemäß § 4 Nr. 6 Grundsteuergesetz (GrStG) von der Grundsteuer befreit ist.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, hatte ein mit einem Krankenhaus bebautes Grundstück einschließlich Inventar Ende 1988 zu einem Kaufpreis in Höhe von ... DM erworben und durch Vertrag vom 22. Dezember 1988 ab dem 1. Januar 1989 an die X-GmbH (Betriebs- GmbH), deren alleinige Gesellschafterin die Klägerin ist, verpachtet. Die Betriebs- GmbH war nach § 1 Abs. 3 des Pachtvertrags verpflichtet, die Klinik der Klägerin zu betreiben. In einem ebenfalls am 22. Dezember 1988 abgeschlossenen "Ergebnisabführungsvertrag" wurde weiterhin vereinbart, daß die Betriebs-GmbH ihren gesamten Jahresgewinn an die Klägerin abzuführen und diese analog § 302 des Aktiengesetzes (AktG) etwa entstandene Verluste auszugleichen habe.
Durch -- bestandskräftigen -- Bescheid vom 30. August 1989 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) den Einheitswert für das gesamte Grundstück im Wege der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1989 auf ... DM fest und rechnete es zu 100 v. H. der Klägerin als Alleineigentümerin zu. Gleichzeitig setzte das FA den Grundsteuermeßbetrag auf ... DM fest.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der die Klägerin Gewährung einer Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 GrStG begehrte, wies das Finanzgericht (FG) ab. Es begründete sein in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 586 veröffentlichtes Urteil mit dem Fehlen der nach § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG erforderlichen Personengleichheit zwischen dem Eigentümer des Grundstücks und demjenigen, der es für Zwecke des Krankenhausbetriebs benutzt.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie hält die subjektiven Befreiungsvoraussetzungen des § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG für gegeben und begründet ihre Auffassung im wesentlichen damit, daß sie es sei, die aufgrund ihrer Alleingesellschafterstellung in der Betriebs-GmbH und der mit ihr vereinbarten Ergebnisabführungspflicht das volle wirtschaftliche Risiko des Klinikbetriebs trage.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Grundsteuermeßbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Zu Recht hat das FG den angefochtenen Grundsteuermeßbescheid bestätigt und eine Steuerbefreiung abgelehnt. Dabei geht die Vorentscheidung zutreffend davon aus, daß die in § 4 Nr. 6 GrStG vorgesehene Vergünstigung privaten Personen nur dann gewährt werden kann, wenn sie den ihnen gehörenden Grundbesitz selbst für die Zwecke einer den Anforderungen des § 67 der Abgabenordnung (AO 1977) genügenden Krankenanstalt benutzen.
1. Nach § 4 Nr. 6 Satz 1 GrStG ist Grundbesitz, der für die Zwecke eines Krankenhauses benutzt wird, von der Grundsteuer befreit, wenn das Krankenhaus in dem Kalenderjahr, das dem Veranlagungszeitpunkt (§ 13 Abs. 1 GrStG) vorausgeht, die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 oder 2 AO 1977 erfüllt hat. Dies war nach den Feststellungen des FG im hier maßgeblichen Kalenderjahr 1988 unstreitig der Fall.
2. In subjektiver Hinsicht verlangt Satz 2 der Vorschrift, daß der Grundbesitz ausschließlich demjenigen, der ihn benutzt, oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zuzurechnen sein muß. Zugerechnet worden ist der Grundbesitz auf den 1. Januar 1989 zu 100 v. H. der Klägerin, die Ende 1988 das zivilrechtliche Alleineigentum an dem Grundstück erworben hat.
Die dahingehende Feststellung in dem bestandskräftigen Einheitswertbescheid vom 30. August 1989 war für den angefochtenen Grundsteuermeßbescheid nach § 182 Abs. 1 AO 1977 bindend. Demzufolge konnte das der Klägerin gehörende Grundstück nur dann gemäß § 4 Nr. 6 GrStG steuerbefreit sein, wenn ausschließlich sie auch diejenige war, die es für den Betrieb des Krankenhauses benutzte. Dies hat das FG jedoch zutreffend verneint.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde der Grundbesitz nicht von ihr selbst, sondern von ihrer Tochtergesellschaft, der Betriebs-GmbH, benutzt, die sich nach § 1 Abs. 3 des Pachtvertrags vom 22. Dezember 1988 gegenüber der Klägerin verpflichtet hatte, deren Krankenhaus zu betreiben. Ob die Betriebs-GmbH -- wie die Klägerin behauptet -- lediglich aus technisch-organisatorischen, insbesondere tarifpolitischen Gründen zwischengeschaltet wurde, ist für die Bestimmung des "ausschließlich Nutzenden" i. S. von § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG unerheblich. Stehen sich nämlich -- wie im Streitfall -- zwei juristische Personen des Privatrechts als Vertragsparteien gegenüber, von denen die eine (Klägerin) Eigentümerin des Grundbesitzes und die andere (Betriebs-GmbH) zur zweckgebundenen Grundstücksnutzung berechtigt und verpflichtet ist, fehlt es an der für die Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 GrStG erforderlichen rechtlichen Personenidentität.
Die abweichende Rechtsansicht der Klägerin, die sich insoweit auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs -- RFH -- (vgl. insbesondere Urteile vom 27. Juni 1940 III 151/39, RStBl 1940, 830, und vom 5. Mai 1944 III 72/43, RStBl 1944, 653) beruft, beruht auf der Vorstellung, die rechtliche Selbständigkeit der Betriebs-GmbH könne zumindest dann beiseite geschoben und auf deren Gesellschafter durchgegriffen werden, wenn dieser -- wie hier die Klägerin -- sämtliche Anteile an der grundstücksnutzenden Betriebs-GmbH hält, die Geschäftsführer beider Gesellschaften vollidentisch sind und außerdem die beherrschende "Eigentümer"-Gesellschaft aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrags zur Ausgleichung der durch den Klinikbetrieb entstehenden Verluste verpflichtet ist. Diese auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhende Argumentation hat die Vorinstanz zu Recht abgelehnt.
b) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 9. Dezember 1987 II R 223/83 (BFHE 152, 149, BStBl II 1988, 298) entschieden hat, ist ein Durchgriff auf die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (KG) nicht zulässig, weil diese getrennt zu sehen ist von ihren Gesellschaftern. Ausschlag gebend hierfür ist, daß eine KG unter ihrer Firma das Eigentum an Grundstücken erwerben und im Grundbuch als deren Eigentümerin eingetragen werden kann (§ 161 Abs. 2, § 124 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches -- HGB --), und daß ihr bei der Feststellung des Einheitswerts die wirtschaftliche Einheit "Grundstück" mit der Folge zugerechnet wird, daß sie Trägerin grundsteuerlicher Rechte und Pflichten ist (§ 2 Nr. 2, § 10 Abs. 1 GrStG). Dieses bezüglich der Gesellschafter von Handelsgesellschaften ausgesprochene Durchgriffsverbot gilt auch bezüglich der Gesellschafter einer GmbH. Denn die GmbH ist juristische Person des Privatrechts, die mit ihrer Eintragung in das Handelsregister eigene Rechtspersönlichkeit und damit volle Rechtsfähigkeit erlangt (§ 13 Abs. 1 i. V. m. § 11 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -- GmbHG --). Die GmbH hat "als solche ... selbständig Rechte und Pflichten", was u. a. die in § 13 Abs. 1 GmbHG genannte Fähigkeit einschließt, das Eigentum an Grundstücken zu erwerben und selbst Schuldnerin der Grundsteuer zu sein.
Deshalb ist auch die von der Klägerin geltend gemachte Sachverhaltsabweichung ohne Belang, daß in dem in BFHE 152, 149, BStBl II 1988, 298 entschiedenen Fall -- anders als hier -- neben den Gesellschaftern der Betriebs(-kommandit-)gesellschaft noch weitere Personen an der dortigen Grundstückseigentümerin, einer Publikums-KG, beteiligt waren, deren Interesse sich nicht auf die Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks richtete, sondern auf die reine Grundstücksvermietung beschränkt war. Denn das Durchgriffsverbot soll gerade verhindern, daß für die nach § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG erforderliche Beurteilung der Eigentümer-Benutzer-Identität auf die hinter der Betriebsgesellschaft stehenden Gesellschafter und deren Interessenlage abgestellt wird.
c) Die eigene Rechtspersönlichkeit der Betriebs-GmbH und das hierauf beruhende Verbot des Durchgriffs auf deren Gesellschafter (hier die Klägerin) wird weder durch ihre 100 %ige Beteiligung an der mit gleichem Geschäftsführungspersonal ausgestatteten Betriebs-GmbH noch durch den Abschluß eines Ergebnisabführungsvertrags beseitigt. Denn die Begründung eines körperschaftsteuerlichen Organschaftsverhältnisses führt bei keiner der beteiligten Kapitalgesellschaften zu einem Verlust der (steuer-)rechtlichen Selbständigkeit und damit ihrer subjektiven Steuerpflicht (Tipke/Lang, Steuerrecht, 14. Aufl., 1994, 443; Lutter/Hommelhoff, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, 14. Aufl., Anhang § 13 Rdnr. 61).
d) Soweit die Klägerin ihren Vortrag auf die zu § 4 Nr. 8 GrStG 1936 (RGBl 1936, 986, RStBl 1936, 1154) ergangene Rechtsprechung des RFH, insbesondere dessen Ausführungen im Urteil in RStBl 1940, 830 stützt, weist das FG zutreffend darauf hin, daß die damaligen Beurteilungskriterien bei Auslegung des im Streitjahr maßgeblichen § 4 Nr. 6 GrStG nicht mehr herangezogen werden können (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 152, 149, BStBl II 1988, 298).
e) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16. Januar 1991 II R 149/88 (BFHE 163, 467, BStBl II 1991, 535). Denn der vorliegende Sachverhalt betrifft nicht eine bloß teilweise Mitbenutzung des Grundbesitzes durch eine weitere, neben dem Eigentümer nutzende Person, sondern die alleinige Nutzung des Klinikgrundstücks durch ein anderes -- selbständiges -- Rechtssubjekt.
Fundstellen
Haufe-Index 421325 |
BFH/NV 1996, 790 |