Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbliche Einkünfte einer Stundenbuchhalterin
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Steuerpflichtiger beteiligt sich auch dann am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, wenn er seine Leistungen nur Angehörigen gegenüber erbringt.
2. Eine selbständig tätige Stundenbuchhalterin erzielt keine Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, sondern gewerbliche Einkünfte.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1-2, § 18 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
FG Münster (EFG 2000, 128) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war als ausgebildete Steuerfachgehilfin zunächst in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angestellt. Im August 1992 zeigte sie dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) unter Berufung auf das Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 31. Juli 1941 IV 84/41 (RStBl 1941, 873) an, sie führe künftig für verschiedene Firmen kaufmännische Büro- und Buchhaltungsarbeiten aus und sei daher demnächst selbständig tätig. Diese Tätigkeit bezog sich ausschließlich auf die Anwaltspraxis ihres Vaters, auf verschiedene BGB-Gesellschaften, an denen der Vater beteiligt war, und auf den Gewerbebetrieb ihres Ehemannes. Zu ihren Aufgaben gehörten neben der übernommenen Buchführung u.a. die Bearbeitung von Bestellungen, Rechnungen und Überweisungen sowie die Vorbereitungsarbeiten für den Jahresabschluss der Firmen. Ihre Gewinne ermittelte sie für die Streitjahre (1993 bis 1995) durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in folgender Höhe:
1993 |
79 691 DM |
1994 |
81 991 DM |
1995 |
84 947 DM. |
Der Einkommensteuererklärung der Klägerin, in der sie diese Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit angab, folgte das FA nicht, sondern setzte Gewerbesteuermessbeträge nach dem Gewerbeertrag wie folgt fest:
1993 |
392 DM |
1994 |
438 DM |
1995 |
498 DM. |
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, die Klägerin habe weder einen einem Steuerberater ähnlichen Beruf noch eine sonstige selbständige Arbeit ausgeübt, so dass sie gewerblich tätig gewesen sei. Soweit die Klägerin auch Hausverwaltungen übernommen habe, sei diese Tätigkeit von der gewerblichen Betätigung durch die Erbringung von Verwaltungs- und kaufmännischen Arbeiten nicht zu trennen. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 128 abgedruckt.
Mit ihrer dagegen gerichteten, vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und trägt dazu vor, die Verwaltungs- und Buchführungsarbeiten für den Gewerbebetrieb ihres Mannes, die Anwaltskanzlei ihres Vaters und für die Grundstücksgesellschaften der Familie erfüllten den Tatbestand der selbständigen Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Dies entspreche der Rechtsauffassung des RFH in RStBl 1941, 873 und des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 25. November 1970 I R 123/69 (BFHE 101, 215, BStBl II 1971, 239); denn sie führe die Arbeiten höchstpersönlich aus und habe eine besondere Vertrauensstellung inne, wie sie dem durch die freien Berufe geprägten Leitbild der selbständigen Arbeit entspreche.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide 1993 bis 1995 ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zu Recht ist das FG mit dem FA davon ausgegangen, dass die Klägerin in den Streitjahren 1993 bis 1995 Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat und die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide daher nicht zu beanstanden sind.
1. Unstreitig war die Klägerin selbständig, nachhaltig und mit Gewinnerzielungsabsicht tätig. Dass sie ihre Leistungen nur Angehörigen gegenüber erbracht hat, steht einer Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht entgegen (§ 15 Abs. 2 EStG). Die Klägerin hat sich mit ihrer Tätigkeit an eine ―wenn auch begrenzte― Allgemeinheit gewandt (BFH-Urteil vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851) und ist "nach außen hin in Erscheinung getreten" (s. auch BFH-Urteil vom 2. September 1988 III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24). Sie hat damit eine Tätigkeit entfaltet, die nach außen erkennbar auf einen Güter- und Leistungsaustausch gerichtet war (BFH-Urteile vom 24. Januar 1990 X R 44/88, BFH/NV 1990, 798, und vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534, jeweils m.w.N.).
Liegen danach die positiven Merkmale eines Gewerbebetriebs im Streitfall vor, so hat die Klägerin auch nicht Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit oder aus sonstiger selbständiger Arbeit bezogen. Sie selbst macht im Revisionsverfahren auch nicht mehr geltend, dass ihre ausschließlich für nahe Angehörige erledigten Verwaltungs- und Buchhaltungsarbeiten als eine den Katalogberufen ähnliche Tätigkeit den Tatbestand des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt hätten. Der erkennende Senat kann der Klägerin aber auch nicht in der Beurteilung dieser Tätigkeit als einer sonstigen selbständigen Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG folgen.
2. a) Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG auch die Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Für die Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG reicht es danach aus, ist andererseits aber auch erforderlich, dass die Tätigkeit den im Gesetz genannten Tätigkeiten ähnlich ist (Senatsurteil vom 11. Mai 1989 IV R 152/86, BFHE 157, 148, BStBl II 1989, 729, m.w.N.), denn die dort angeführten Beispiele sollen den Begriff der sonstigen selbständigen Tätigkeit charakterisieren (Senatsurteil vom 16. März 1951 IV 197/50 U, BFHE 55, 255, BStBl III 1951, 97). Wie diese Beispiele zeigen, sind unter Einkünften "aus sonstiger selbständiger Arbeit" i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG vor allem gelegentliche Tätigkeiten (s. etwa Urteil des RFH vom 27. Juli 1938 VI 426/38, RStBl 1938, 843; Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs ―OFH― vom 10. Mai 1949 IV 4/49, Steuer und Wirtschaft ―StuW― 1949 Nr. 32, m.w.N., und Senatsurteil vom 10. Dezember 1987 IV R 176/85, BFHE 152, 120, BStBl II 1988, 273) und nur ausnahmsweise auch nachhaltig ausgeübte Betätigungen zu verstehen (Senatsurteil vom 29. März 1961 IV 404/60 U, BFHE 73, 100, BStBl III 1961, 306). Jedenfalls folgt aus den exemplarisch aufgezählten Aktivitäten, dass es sich um vermögensverwaltende Tätigkeiten handeln muss.
b) Nach diesen Grundsätzen übte die Klägerin in den Streitjahren keine sonstige selbständige Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus. Weder ist eine gelegentliche Tätigkeit gegeben, noch liegt eine den angeführten Berufen des Testamentsvollstreckers, Vermögensverwalters und Aufsichtsratsmitgliedes wesensmäßig verwandte, also eine ihrem Wesen nach verwaltende Tätigkeit vor. Mit der Übernahme der Buchführung und der Vorbereitungsarbeiten für den Jahresabschluss der betreuten Firmen, der Bearbeitung von Bestellungen, Erstellung von Rechnungen und der Vornahme von Überweisungen war die Klägerin nicht vermögensverwaltend, sondern gewerblich tätig.
c) Allerdings hat der RFH in seinem Urteil in RStBl 1941, 873 entschieden, dass bei einem Hilfsbuchhalter, der sich beliebig vielen Firmen für entsprechende Arbeiten zur Verfügung stellt, Einkünfte aus selbständiger Arbeit vorlägen. Obwohl dies dem Urteil nicht zu entnehmen ist, wird angenommen, es handele sich dabei um Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (so Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 18 EStG Anm. 600 "Buchhalter"; Steinhauff in Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuergesetz, § 18 Rz. 177d; a.A. wohl Blümich/Hutter, Einkommensteuergesetz, § 18 Rz. 131).
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf dieses Urteil des RFH, das im Übrigen allein zur Abgrenzung selbständiger von nichtselbständiger Tätigkeit ergangen ist und die Umsatzsteuerpflicht der Honorare zum Gegenstand hatte. Der Senat hat es in seiner Entscheidung vom 15. Juni 1965 IV 283/63 U (BFHE 83, 151, BStBl III 1965, 556) ausdrücklich dahinstehen lassen, in welche Einkunftsart die Einkünfte eines sog. Stundenbuchhalters einzuordnen sind. Er geht nunmehr davon aus, dass es sich um gewerbliche Einkünfte handelt; denn die Übernahme der Buchhaltung ist keine Tätigkeit, die den in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG genannten Betätigungen als Vermögensverwalter oder Testamentsvollstrecker ähnlich ist. Beide Berufe weisen als Gemeinsamkeit auf, dass fremdes Vermögen verwaltet wird. Die Klägerin verwaltet aber kein fremdes Vermögen; die Übernahme der Buchhaltung für andere ist keine auf die Erhaltung von Vermögen gerichtete Tätigkeit (Senatsurteil in BFHE 83, 151, BStBl III 1965, 556).
Hinsichtlich der übrigen von der Klägerin übernommenen Arbeiten, wie der Erstellung von Rechnungen und der Vornahme von Überweisungen gilt nichts anderes. Dabei handelt es sich um typischerweise kaufmännische Arbeiten, die ebenfalls nichts mit der Verwaltung fremden Vermögens im Sinne einer auf die Erhaltung dieses Vermögens gerichteten Tätigkeit gemein haben.
d) Schließlich hält auch die vom FG vorgenommene Einordnung der von der Klägerin übernommenen Hausverwaltungen als gewerbliche Betätigung revisionsrichterlicher Prüfung stand. Das FG hat unterstellt, dass die insoweit nicht nachgewiesene Tätigkeit der Klägerin tatsächlich auch Hausverwaltungen umfasst habe, die grundsätzlich als sonstige selbständige Arbeit anzuerkennen wären (zuletzt Senatsurteil vom 18. März 1999 IV R 5/98, BFH/NV 1999, 1456). Es hat jedoch andererseits auch festgestellt, dass keine Anhaltspunkte vorliegen, die eine Trennung des nicht unerheblichen Teils der gewerblichen von der hausverwaltenden Tätigkeit zuließen. An diese tatsächlichen Feststellungen des FG ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden.
Fundstellen
Haufe-Index 614658 |
BFH/NV 2001, 1489 |
BStBl II 2002, 338 |
BFHE 196, 84 |
BFHE 2002, 84 |
BB 2001, 1994 |
BB 2001, 2038 |
DB 2001, 2022 |
DStR 2001, 1696 |
DStRE 2001, 1086 |
HFR 2001, 1065 |
StE 2001, 567 |