Leitsatz (amtlich)

1. Eine vorschriftsgemäße Verwendung der Sparmittel und der Prämien eines Wohnbausparvertrages kann auch der Anschaffung eines Baugrundstücks dienen, wenn aus den Umständen zuverlässig darauf geschlossen werden kann, daß der Sparer das Grundstück in absehbarer Zeit und alsbald nach Erteilung der Baugenehmigung mit einem Eigenheim bebauen wird. Die in Abschn. 19 Abs. 2 Satz 2 WoPR 1960 vorgesehene Bebauungsfrist von einem Jahr bei Erwerb von Bauland ist als ein Beweisindiz für die notwendige Verwendung der Sparmittel zum Wohnungsbau anzusehen; dieser Nachweis kann aber auch in anderer Weise geführt werden.

2. Wurde Bauland zur alsbaldigen Verwendung im Wohnungsbau durch Errichtung eines Eigenheims mit Kreditmitteln erworben, so kann die Ablösung des Kredits mit den durch einen Wohnbausparvertrag angesparten Sparbeträgen und Prämien eine Verwendung zum Bau eines Eigenheims sein.

 

Normenkette

WoPG 1960 § 2 Abs. 1 Nr. 3; WoPDV 1960 § 10; WoPR 1960 Abschn. 19; EStR 1969 Abschn. 94 Abs. 2; EStR 1958 Abschn. 92 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte hat am 14. April 1958 mit der Sparkasse des Kreises A. einen Wohnbausparvertrag im Sinn des § 2 Abs. 1 Nr. 3 WoPG abgeschlossen. Die letzte Einzahlung wurde am 30. Oktober 1962 geleistet. Das FA gewährte dem Kläger für die Kalenderjahre 1958 bis 1962 jährlich eine Wohnungsbau-Prämie in Höhe von 400 DM.

Im Jahre 1962 erwarb der Kläger ein unbebautes Grundstück in B., um darauf ein Wohnhaus zu errichten. Er wurde im Dezember 1962 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Ein für den Grunderwerb aufgenommenes Darlehen löste er im November 1963 mit dem Sparguthaben aus seinem Wohnbausparvertrag ab. Auf den Antrag des Klägers auf Baugenehmigung vom November 1965 erteilte die Kreisverwaltung A. im Oktober 1966 den Bauschein für das Bauvorhaben. Mit den Bauarbeiten wurde zu Anfang des Jahres 1967 begonnen. Die Verzögerung in der Erteilung der Baugenehmigung ergab sich dadurch, daß das Baugrundstück erst an die gemeindliche Kanalisation angeschlossen werden mußte und diese erst Ende 1966 verlegt wurde. Auch die Trassenführung der Straße stand bei Einreichung des Bauantrags noch nicht fest.

Das FA hatte bereits mit Schreiben vom 30. Oktober 1962 an die Sparkasse des Kreises A., bei der sich der Kläger nach Verwendungsmöglichkeiten der Sparbeträge erkundigt hatte, darauf hingewiesen, daß die Verwendung der Sparbeträge für den Erwerb eines Baugrundstückes nur dann als unschädlich anerkannt werden könnte, wenn mit der Bebauung des Grundstücks innerhalb eines Jahres begonnen werde.

Mit Bescheid vom 14. Februar 1967 forderte das FA die Wohnungsbau-Prämie in Höhe von insgesamt 2 000 DM mit der Begründung zurück, daß die Sparbeträge nicht innerhalb der nach § 10 WoPDV vorgesehenen Frist zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 3 WoPG bezeichneten Zwecken verwandt worden seien. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.

Das FG gab der Klage statt und hob die Einspruchsentscheidung sowie den Rückforderungsbescheid vom 14. Februar 1967 ersatzlos auf. Es ging davon aus, daß der Kläger die in § 10 WoPDV vorgesehene Frist für die unverzügliche Verwendung des Geldes im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb gewahrt habe. Der Erwerb eines Grundstücks in der Absicht, es zu bebauen, erfülle nach allgemeiner, im Grundsatz auch vom FA geteilter Auffassung die Bestimmungen des Gesetzes. Die Meinung, der Erwerb eines Baugrundstückes könne die Voraussetzung des Gesetzes nicht erfüllen, weil dieses die Verwendung des Geldes zum Bau oder Erwerb einer Wohnung oder eines Eigenheims vorschreibe und der Grundstückserwerb allein keine Baumaßnahme darstelle und auch nicht dem Erwerb einer fertigen Wohneinheit gleichstehe, werde dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht gerecht. Es sei allein eine Frage der Begriffsbestimmung, ob bereits der Erwerb eines Baugrundstücks zum Bau einer Wohnung oder eines Eigenheims zum Wohnungsbau gehöre. Dies sei bisher allgemein und unangefochten angenommen worden. Aus der Sicht des Gesetzeszweckes bestehe kein Anlaß hiervon abzuweichen. Wenn in Abschnitt 19 Abs. 2 WoPR bei Wohnbausparverträgen beim Erwerb von Bauland zusätzlich der Baubeginn innerhalb eines Jahres gefordert werde, beim Bausparkassenvertrag in Abschnitt 92 Abs. 2 EStR (1963) dagegen nur der Erwerb von Bauland, so seien für diese unterschiedliche Auslegung des Begriffes Wohnungsbau keine verständlichen Gründe erkennbar.

Die Revision des FA rügt Verletzung geltenden Rechts. Das FG habe offenbar Wohnbausparverträge den Bausparverträgen gleichgestellt, weil es sonst nicht zu der getroffenen Entscheidung hätte kommen können. Der Gesetzgeber habe bewußt Unterschiede zwischen Wohnbausparverträgen und Bausparverträgen gemacht. Nur Bausparverträge stünden nach Ablauf der Festlegungsfrist zur freien Verfügung, sofern nicht nachgewiesen werden könne, daß bereits bei Vertragsabschluß keine Absicht bestanden habe, sie nicht für Bauzwecke zu verwenden. Wohnbausparverträge seien dagegen zwingend zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 3 WoPG bezeichneten Zwecken zu verwenden. Es bestehe ein strenger Verwendungszwang und eine Frist, innerhalb welcher die Sparbeiträge und Prämien den begünstigten Zwecken zuzuführen seien. § 10 WoPDV schreibe vor, daß die eingezahlten Beträge mit den Prämien innerhalb eines Jahres nach der Rückzahlung, spätestens aber innerhalb von zwei Jahren vom Zeitpunkt, in dem der angesammelte Betrag frühestens hätte zurückgezahlt werden dürfen, zu dem in § 2 Abs. 1 Nr. 3 WoPG bezeichneten Zweck zu verwenden seien. Der Kläger habe den angesammelten Betrag nicht zu dem im WoPG genannten Zweck verwendet. Nach Abschn. 19 Abs. 2 WoPR stehe zwar der Erwerb von Bauland dem Bau eines Eigenheimes oder einer Kleinsiedlung gleich. Die Verwendung der Sparbeiträge zum Erwerb von Bauland sei jedoch nur dann prämienunschädlich, wenn auf dem erworbenen Grundstück spätestens innerhalb eines Jahres seit dem Erwerb mit dem Bau eines Eigenheims oder einer Kleinsiedlung begonnen werde. Im vorliegenden Fall lägen zwischen dem Erwerb des Grundstücks und dem Baubeginn jedoch mehr als vier Jahre. Da der Baubeginn und nicht die bis 1964 zurückreichende Planung maßgebend sei, sei die die Verwaltung bindende Vorschrift des Abschn. 19 Abs. 2 WoPR anzuwenden und die Prämie zurückzufordern.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Das Urteil des FG steht mit dem geltenden Recht im Einklang. Das FG ist für die Beurteilung des Streitfalles zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 WoPG die auf den mit der Sparkasse geschlossenen Wohnbausparvertrag eingezahlten Sparbeträge und die Prämien insbesondere zum Bau eines Eigenheimes binnen Jahresfrist nach Rückzahlung verwenden mußte. Die nicht im WoPG, sondern erst in § 10 WoPDV 1960 festgelegte Fristbestimmung für die Verwendung der durch den Bausparvertrag erlangten Mittel beruht nach den auch für den Streitfall geltenden Erwägungen im Urteil des Senats VI R 130/67 vom 25. März 1970 (BFH 98, 522, BStBl II 1970, 480) auf einer ausreichenden Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 4 WoPG 1956. Die Entscheidung des FG, der Kläger habe diese Frist durch unverzügliche Verwendung der angesparten Mittel im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb gewahrt, ist nicht zu beanstanden. Das FG folgert dies daraus, daß der Kläger ein Grundstück erworben hat in der Absicht, es zu bebauen. Zutreffend hat das FG dabei auf Abschn. 92 EStR hingewiesen, wonach es bei Bausparverträgen für den vertragsgemäßen Zweck genügt, daß Bauland zum Zweck der Bebauung erworben wird. Auch im Hinblick auf die Nachversteuerungsvorschriften des § 10 Abs. 2 EStG 1958 (und ff.) lassen es die EStR 1958 bei vorzeitiger Verwendung der Bausparmittel in Abschnitt 92a Abs. 4 Satz 2 als Verwendung zum Wohnungsbau den Erwerb von Bauland zum Wohnungsbau genügen (vgl. auch Abschn. 94 Abs. 5 EStR 1969, wonach als "Wohnungsbau" auch die in Abschnitt 92 Abs. 2 bezeichneten Zwecke gelten). Diese Richtlinien enthalten eine dem Gesetzeszweck entsprechende zutreffende Rechtsauslegung, von der auch die frühere Rechtsprechung ausgegangen ist (so bereits das Urteil des erkennenden Senats VI 187/58 U vom 18. September 1959, BFH 69, 546, BStBl III 1959, 464).

Es trifft zwar zu, daß sich die verschiedenen Sparvergünstigungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 WoPG hinsichtlich des Verwendungszwecks der begünstigten Aufwendungen wesentlich unterscheiden. Bausparbeiträge im Sinne der Nr. 1 müssen nach Ablauf einer Sperrfrist von ursprünglich drei, später von zehn Jahren, überhaupt nicht zum Wohnungsbau verwendet werden; es genügt, daß sie während der Sperrjahre der Bausparkasse allgemein zum Einsatz beim Wohnungsbau zur Verfügung gestanden haben. Bei Wohnbausparverträgen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 WoPG - wie im Streitfall - müssen die angesparten Beträge grundsätzlich auch tatsächlich innerhalb der in § 10 Abs. 1 WoPDV 1960 angeführten Fristen zum Wohnungsbau verwendet werden. Solche Sparverträge werden mit Kreditinstituten allgemeiner Art abgeschlossen; während der Laufzeit des Sparvertrages stehen die angesparten Mittel dem Kreditinstitut frei zur Verfügung und dienen damit nicht der unmittelbaren Förderung des Wohnungsbaues. Daraus folgt aber nicht, daß bei ihnen der Begriff "Verwendung zum Wohnungsbau" anders ausgelegt werden müßte wie in § 2 Abs. 2 Satz 3 zweiter Halbsatz WoPG 1960. Mit dem FG ist der erkennende Senat der Auffassung, daß wegen der insoweit entsprechenden Interessenlage auch beim Wohnbausparvertrag die Verwendung der angesparten Mittel und der hierauf gewährten Prämien zum Erwerb von Bauland die gesetzliche Voraussetzung der Verwendung zum Wohnungsbau - hier eines Eigenheims - erfüllt.

Im Streitfall hat der Kläger binnen Jahresfrist die Sparmittel zwar nicht unmittelbar zum Erwerb des Baugrundstücks, sondern zur Ablösung des zum Kauf des Baugrundstücks aufgenommenen Kredits bei der Kreissparkasse verwendet. In der Ablösung einer derartigen Schuld hatte der Senat bereits im Urteil VI 187/58 U (a. a. O.) eine begünstigte Zweckverwendung gesehen und dabei auf die gleichartige Rechtsauslegung in Abschn. 92 Abs. 2 EStR 1958 hingewiesen. Diese die Verwendung von Mitteln aus einem Bausparvertrag innerhalb der Sperrfrist betreffende Auslegung zu § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG 1953 hält der Senat auch für zutreffend, soweit es sich um die Ablösung eines Kredits handelt, der für einen Erwerb von Bauland zur Errichtung eines Eigenheimes aufgenommen wurde. Soweit aus Abschn. 19 Abs. 3 letzter Satz WoPR 1960 etwas anderes herzuleiten wäre, folgt der Senat dem nicht.

Der Senat sieht insbesondere in der Forderung des Abs. 2 Satz 2 des Abschn. 19 WoPR 1960, es müsse mit dem Bau des Eigenheims spätestens innerhalb eines Jahres seit dem Erwerb begonnen werden, wenn der Erwerb des Baulandes dem "Wohnungsbau" gleichgestellt werden solle, keine zutreffende Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 WoPG. Sicher kann in dem Erwerb eines Grundstücks, selbst wenn dieses als "Bauland" angesehen werden muß, noch kein "Wohnungsbau" im Sinne der in Betracht kommenden gesetzlichen Förderungsbestimmungen erblickt werden; es müssen noch eindeutige weitere Umstände hinzukommen. Der Baubeginn binnen Jahresfrist ist sicherlich ein eindeutiger Umstand, aus dem auf eine Verwendung im "Wohnungsbau" geschlossen werden kann. Der Baubeginn ist aber nur eine der Möglichkeiten, um festzustellen, daß das Grundstück zum Wohnungsbau im Sinne des Gesetzes erworben und die Sparmittel vorschriftsmäßig verwendet worden sind. Es darf nicht unberücksichtigt bleiben, welch hohe Aufwendungen im Rahmen des Wohnungsbaus bereits für das Grundstück allein in aller Regel erforderlich sind. Für Grundstücke, die bereits kurzfristig bebaubar sind, werden dabei wesentlich höhere Preise gezahlt werden müssen als für solche, bei denen die Planungen der Baubehörden noch nicht abgeschlossen sind. Es muß daher stets aus den gesamten Umständen des Einzelfalles ersichtlich sein, daß der Erwerber in vorhersehbarer Zeit mit dem Bau tatsächlich beginnen wird, sobald die noch im Wege stehenden Hindernisse beseitigt sind. Etwas anderes muß nur gelten, wenn sogenanntes Bauerwartungsland erworben wurde, für das seitens der zuständigen Behörden noch keine Besiedelungspläne ausgewiesen worden sind.

Ob Bauland zum eigenen Wohnungsbau erworben worden ist, gehört zu den in erster Linie von dem FG zu beurteilenden Fragen der Tatsachenfeststellung und Sachwürdigung. Im Streitfall hat das FG im einzelnen dargelegt, welche Maßnahmen zunächst getroffen werden mußten, bis der Kläger mit einer Genehmigung seines Bauvorhabens durch die Kreisverwaltungsbehörde rechnen konnte. Der Kläger hat dann auch nach Wegfall aller Hindernisse tatsächlich mit dem Wohnungsbau begonnen. Das FG konnte deshalb davon ausgehen, daß der Kläger gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 WoPG, 10 Abs. 1 WoPDV die Sparbeträge und Prämien fristgerecht zum Bau eines Eigenheims verwendet hat, und deshalb den Bescheid auf Rückforderung der Wohnungsbau-Prämien ersatzlos aufheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413319

BStBl II 1972, 923

BFHE 1973, 88

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?