Leitsatz (amtlich)
Eine Buchführung ist nicht ordnungsmäßig, wenn der Zeitraum zwischen Anfangs- und Schlußbilanz mehr als zwölf Monate beträgt.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 10d; GewStG § 10a; HGB § 39 Abs. 2 S. 1 zweiter HS
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis Oktober 1970 ein Mietwagen- und Güterverkehrsgeschäft sowie einen Zeitungs- und Schreibwarenkiosk. Seinen Gewinn ermittelte er durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Ab November 1970 übernahm er eine Kraftfahrzeug(Kfz)reparaturwerkstatt. Seinen Steuererklärungen für 1970 und 1971 war eine Eröffnungsbilanz der Kfz-Werkstatt zum 31. Oktober 1970 und ein Jahresabschluß zum 31. Dezember 1971 beigefügt. Er beantragte, den Gesamtverlust zeitanteilig auf 1970 und 1971 aufzuteilen. In den Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen für das Streitjahr 1972 machte er diese Verluste gemäß § 10 d EStG und § 10 a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) geltend. Die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide 1970 bis 1972 waren mit Ausnahme eines hier nicht streitigen Bescheides im Hinblick auf die bevorstehende Betriebsprüfung unter Übernahme der Angaben aus den Erklärungen nach § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) in vollem Umfange für vorläufig erklärt worden. Nach der Betriebsprüfung ergingen berichtigte, endgültige Bescheide, in denen die Verlustabzüge wegen fehlender Ordnungsmäßigkeit der Buchführung versagt wurden.
Die Einsprüche hiergegen und die Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Mangels ordnungsmäßiger Buchführung könnten die Verluste der Jahre 1970 und 1971 und der Gewerbeverlust 1970 nicht gemäß § 10 d EStG, § 10 a GewStG bei der Steuerermittlung für das Streitjahr 1972 berücksichtigt werden. Die Buchführung könne nur dann als ordnungsgemäß angesehen werden, wenn Anfangsund Schlußbilanzen für ein Wirtschaftsjahr vorlägen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. September 1974 VIII R 125/70, BFHE 113, 500, BStBl II 1975, 78). Der Kläger habe jedoch keine Bilanzen auf den 31. Dezember 1970 vorgelegt. Dieser schwerwiegende Mangel führe zur Verwerfung der Buchführung. Es komme nicht mehr darauf an, ob der Kläger tatsächlich auf den 31. Dezember 1970 eine Inventur gemacht habe und welches Gewicht die übrigen Buchführungsmängel hätten. Die Versagung des Verlustabzugs beim Erlaß der endgültigen Bescheide durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) verstoße nicht gegen Treu und Glauben, weil die vorausgegangenen Bescheide ausdrücklich gemäß § 100 Abs. 2 AO als vorläufig bezeichnet worden seien. Sie seien damit in vollem Umfang nachprüfbar gewesen. Mit ihrer Änderung habe der Kläger rechnen müssen. Das FA habe auch keine entsprechende Zusage gemacht oder zu erkennen gegeben, daß mit einer Änderung nicht mehr gerechnet zu werden brauche.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er trägt im wesentlichen vor, daß die Gewinnermittlung zur Vereinfachung für 14 Monate vorgenommen worden sei. Dieses Vorgehen sei dem FA bekannt gewesen und durch Übersendung der vorläufigen Steuerbescheide gebilligt worden. Daran sei es gebunden, denn rechtlich hätte es auch vorläufig nicht 14 Monate zusammenveranlagen dürfen. Es sei somit dem Vereinfachungsersuchen nachgekommen. Hätte es dies nicht getan, so hätte er seine Inventur noch auswerten und die fehlende Bilanz nachreichen können. Von der Vorschrift, daß ein Wirtschaftsjahr nicht überschritten werden dürfe, könne zur Kostenersparnis abgewichen werden, wenn die Abweichung ohne wirtschaftliche Bedeutung sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Auihebung des FG-Urteils die Einkommensteuer 1972 nach einem Einkommen von 76 821 DM und den Gewerbesteuermeßbetrag für 1972 auf 6 424 DM festzusetzen.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Der Kläger kann im Streitjahr den Abzug von Verlusten der Jahre 1970 und 1971 nicht vornehmen.
1. Ein Verlustabzug setzt sowohl nach § 10 d EStG als auch nach § 10 a GewStG in den für das Streitjahr 1972 geltenden Fassungen voraus, daß die Verluste auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden sind. Daran fehlt es im Streitfall. Der Kläger mußte gemäß §§ 5 Abs. 1, 4 Abs. 1 EStG für den Schluß des Wirtschaftsjahres 1970 das Betriebsvermögen ansetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ausgewiesen war. Denn er hatte sich nach Eröffnung der Kfz-Reparaturwerkstatt freiwillig für die Gewinnermittlung nach dieser Vorschrift entschieden.
Die Buchführung des Klägers war nicht ordnungsgemäß; denn er hatte zum Schluß des Wirtschaftsjahres 1970 keine Bilanz aufgestellt. Zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung wäre die Aufstellung dieser Bilanz aber erforderlich gewesen (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 1965 VI 154/63 U, BFHE 82, 104, BStBl III 1965, 285). Die zum Ende des Jahres 1971 erstellte Bilanz konnte die Bilanz zum Ende des Jahres 1970 nicht ersetzen. Dies hat zur Folge, daß sowohl die Buchführung des Jahres 1970 als auch die Buchführung des Jahres 1971 nicht ordnungsgemäß ist. Der Mangel ist so schwerwiegend und hat ein solches sachliches Gewicht, daß die Buchführung auch nicht mehr unter dem Gesichtspunkt unbedeutender Mängel noch als ordnungsmäßig angesehen werden kann (BFH-Urteil VIII R 125/70 mit weiteren Nachweisen). Es kann dahinstehen, ob der Kläger auch eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG hätte vornehmen dürfen, da nach damaligem Recht ein Abzug von Verlusten, die nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wurden, ohnehin nicht zulässig wäre.
Es besteht auch keine gesetzliche Regelung, nach der die Zusammenfassung von 14 Monaten zu einem Wirtschaftsjahr als unschädlich angesehen werden könnte. Handelsrechtlich darf ein Wirtschaftsjahr höchstens zwölf Monate umfassen (§ 39 Abs. 2 Satz 1 HGB). § 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1971 sieht vor, daß ein Wirtschaftsjahr anläßlich der Eröffnung eines Betriebes einen kürzeren Zeitraum als zwölf Monate umfassen darf. Wenn ein Steuerpflichtiger aus Vereinfachungs- oder Kostengründen im Falle einer Betriebseröffnung 14 Monate zu einem Wirtschaftsjahr zusammenfaßt, so widerspricht dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Ein späterer Verlustabzug scheidet deshalb nach den für das Streitjahr geltenden Vorschriften aus. Denn der Verlustabzug setzt zumindest eine aus der Buchführung ersichtliche einwandfreie Feststellung und zeitliche Abgrenzung der eingetretenen Verluste voraus. Die Tatsache, daß im Streitfall der Gesamtverlust der 14 Monate bei ordnungsmäßiger Buchführung im Wege des Verlustabzugs im vollen Umfange hätte ausgeglichen werden können, rechtfertigt es nicht, von der genauen zeitlichen Aufteilung der Verluste abzusehen.
2. Die Versagung des Verlustabzugs beim Erlaß der endgültigen Steuerbescheide verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben. Das FA hatte dem Kläger insoweit weder eine Zusage gegeben noch sonst erkennen lassen, daß er mit einer Änderung der vorläufigen Bescheide hinsichtlich des Verlustabzugs nicht mehr zu rechnen brauche. Es kann dahinstehen, inwieweit in einem solchen Fall dem FA gegenüber einem Steuerpflichtigen auch Fürsorgepflichten obliegen, nach denen es ihn zur Einreichung der fehlenden Bilanz hätte auffordern sollen. Denn der Kläger war steuerlich beraten.
Fundstellen
Haufe-Index 73074 |
BStBl II 1979, 333 |
BFHE 1979, 14 |