Leitsatz (amtlich)
Die durchschnittliche Wertzahl (§ 2 Abs. 4 und 5 der Verordnung zur Durchführung des § 90 des Bewertungsgesetzes) ist gegebenenfalls auch nach oben abzurunden.
Normenkette
BewG 1965 § 90; DV zu § 90 BewG 1965; DV zu § 2 Abs. 4-5
Tatbestand
Umstritten ist die Auslegung der Abrundungsvorschriften des § 2 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 3 der Verordnung zur Durchführung des § 90 des Bewertungsgesetzes (DV) vom 2. September 1966 (BGBl I 1966, 553) i. d. F. der Verordnung vom 25. Februar 1970 (BGBl I 1970, 216).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) stellte im Wege der Wertfortschreibung durch Bescheid vom 2. August 1974 den Einheitswert für das der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gehörende Geschäftsgrundstück ... zum 1. Januar 1974 auf 1 594 500 DM fest. Die Bewertung erfolgte im Sachwertverfahren (§ 83 ff. des Bewertungsgesetzes 1965 - BewG -) unter Angleichung des Ausgangswertes (§ 83 BewG) an den gemeinen Wert gem. § 90 BewG. Der Angleichung legte das FA die Wertzahl 70 zugrunde. Diese Wertzahl hatte es in der Weise ermittelt, daß es für die zu verschiedenen Grundstücksgruppen (§ 2 Abs. 1 Buchst. A DV) gehörenden und zu verschiedenen Zeitpunkten bezugsfertig gewordenen Gebäudeteile nach dem Verhältnis der auf die verschiedenen Grundstücksgruppen entfallenden Gebäudewerte unter Berücksichtigung des Alters die durchschnittliche Wertzahl 68,4 errechnete (§ 2 Abs. 4 Sätze 1 bis 3, Abs. 5 Sätze 1 und 2 DV) und diese gem. § 2 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 3 DV auf die Wertzahl 70 abrundete.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 2 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 3 DV. Ihrer Ansicht nach lassen diese Vorschriften nur eine Abrundung nach unten zu. Nach den Steuergesetzen sei nämlich regelmäßig eine Abrundung zugunsten der Steuerbürger, nicht aber eine solche zuungunsten vorgesehen. Dies habe das FG nicht berücksichtigt. Eine Abrundung nach oben ergebe einen um 132 900 DM höheren Einheitswert. Dies habe eine erhebliche höhere Grundsteuer und eine um 1 860 DM jährlich höhere Vermögensteuer zu Folge. Eine solche Höherbesteuerung sei aber mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht zu vereinbaren. Die zutreffende Wertzahl sei demnach 65.
Die Klägerin beantragt, den streitigen Einheitswert auf 1 461 600 DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung geht zutreffend davon aus, daß im Streitfall die Wertzahl 70 anzuwenden war.
Nach § 2 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 3 DV ist die errechnete durchschnittliche Wertzahl (§ 2 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 und Abs. 5 Sätze 1 und 2 DV) zur Angleichung des Ausgangswertes (§ 83 BewG) an den gemeinen Wert auf die durch die Zahl 5 teilbare Zahl abzurunden, die ihr am nächsten kommt. Der Wortsinn dieser Vorschrift umfaßt sowohl eine Abrundung nach oben als auch eine solche nach unten. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch - jedenfalls im Zeitpunkt des Inkrafttretens der DV - bezeichnet der Verbzusatz "ab-" in "abrunden" nicht eine Richtung nach unten (wie z. B. in "abfallen" oder "absteigen"), sondern verdeutlicht lediglich den Vorgang des Rundens oder Glattmachens. Unter diesem Gesichtspunkt ist "aufrunden" ein nicht korrektes Gegenwort zu "abrunden" (vgl. Der Große Duden, Band 9, Zweifelsfälle der deutschen Sprache, 1972, Stichwort: "abrunden/aufrunden"; Mackensen, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl., 1972, Stichwort: "abrunden").
2. Dafür, daß der Verordnungsgeber den Begriff "abrunden" in seiner doppelten Bedeutung verstanden wissen wollte, spricht der Umstand, daß das BewG, zu dem die DV in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht, in § 30 ausdrücklich bestimmt, daß die Einheitswerte "nach unten" abzurunden sind.
Die Auslegung des Senats wird auch durch die Tatsache gestützt, daß in einer Vielzahl weiterer steuerlicher Vorschriften, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der streitbefangenen Vorschriften in Geltung waren, jeweils im einzelnen ausdrücklich bestimmt ist, ob nach unten oder nach oben abzurunden ist (vgl. insbesondere § 29 ErbStG 1959, § 3 Abs. 3 FeuerschStG, §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 GewStG 1965, § 7 GrEStDV, § 24 Abs. 3 KVStG, § 18 KStG, §§ 11, 18 Abs. 2 KraftStDV, § 4 Abs. 2 VStG; vgl. ferner § 1 Abrundungsverordnung vom 31. Oktober 1923, RGBl I 1923, 1049, §§ 21 Abs. 2, 33, 37 LAG).
3. Die Auslegung des Senats entspricht auch dem Sinn und Zweck der streitbefangenen Regelung. Die Wertzahlen dienen auch dazu, das Wortniveau der im Sachwertverfahren zu bewertenden Grundstücke dem Wertniveau der im Ertragswertverfahren zu bewertenden Grundstücke gleicher Art anzugleichen (vgl. § 90 BewG). Treffen Wertzahlen von Grundstücken zusammen, die zu verschiedenen Grundstücksgruppen gehören und/oder Gebäude verschiedener Baugruppen ausweisen, so ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 und Abs. 5 Sätze 1 und 2 DV eine durchschnittliche Wertzahl zu bilden. Diese Wertzahl ist aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Bewertung an der Wertabstufung des § 2 Abs. 1 DV auszurichten, die eine feste Stufenfolge von jeweils fünf Punkten - ohne Zwischenwerte - aufweist. Nur auf diese Weise gelangt man auf der Grundlage der Werte des § 2 Abs. 1 DV zu dem Wert, der dem gemeinen Wert am nächsten kommt. Dies erfordert aber, daß die durchschnittliche Wertzahl entsprechend den allgemeinen mathematischen Regeln auf die durch die Zahl 5 teilbare Zahl abgerundet wird, die ihr am nächsten kommt. Das kann je nach Sachlage eine Abrundung nach oben oder eine solche nach unten bedingen. Da der Durchschnittswert 68,4 näher an 70 als an 65 lag, führte gerade die Angleichung des Ausgangswertes durch Anwendung der Wertzahl 70 zu dem Wert, der dem gemeinen Wert im Streitfall am nächsten kommt (vgl. Rössler/ Troll/Langner, Bewertungsgesetz/Vermögensteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., 1975, § 90 BewG Randnr. 13).
4. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, daß die Steuergesetze regelmäßig eine Abrundung zugunsten der Steuerbürger vorsehen. Die von ihr insoweit angesprochenen Vorschriften sind von ihrem Regelungsgehalt her nicht mit der streitbefangenen Vorschrift zu vergleichen. Bei dieser geht es um die Ermittlung des zutreffenden gemeinen Wertes. Bei den ersteren Vorschriften hingegen handelt es sich um Kleinbetrags- und Bagatellregelungen, die der Vereinfachung dienen und denen der Gedanke zugrunde liegt, kleine Beträge unberücksichtigt zu lassen. Im Streitfall hätte zudem eine Abrundung nach unten, wie sie die Klägerin begehrt, nicht nur bagatellmäßige steuerliche Auswirkungen.
Fundstellen
Haufe-Index 72457 |
BStBl II 1977, 794 |
BFHE 1978, 55 |