Leitsatz (amtlich)
Ein unter Verwendung von Wein hergestelltes Erzeugnis ist dann Trinkbranntwein i.S. von § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG, wenn es eine zum unmittelbaren menschlichen Genuß geeignete Flüssigkeit darstellt, die Alkohol enthält und den Charakter von Wein verloren hat.
Orientierungssatz
1. Umfangreiche Ausführungen zur Auslegung des Begriffs "Trinkbranntwein" i.S. des § 103a Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG; keine Heranziehung der von den Verbänden der Spirituosenindustrie ausgearbeiteten und vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. verabschiedeten Begriffsbestimmungen für Spirituosen, weil sie keine Rechtsnormen sind, sondern die Anschauung der beteiligten Wirtschaftskreise darstellen.
2. Die Anschauung der beteiligten Wirtschaftskreise könnte bei der Auslegung einer Vorschrift nur dann eine Rolle spielen, wenn sich aus dieser Vorschrift selbst ergäbe, daß für eine Begriffsbestimmung die Verkehrsanschauung maßgebend sein soll (vgl. BFH-Urteil vom 3.7.1984 VII R 85/83).
3. NV: Grundsätzlich sind unechte Rückwirkungen von Gesetzen mit dem GG vereinbar. Allerdings ist auch bei unechter Rückwirkung das Vertrauen enttäuscht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Berechtigte nicht zu rechnen brauchte. Jedoch kann sich der einzelne dann nicht auf sein Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten gesetzlichen Regelung berufen, wenn dieses Vertrauen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände billigerweise eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber nicht beanspruchen kann (vgl. BVerfG-Urteil vom 16.7.1985 1 BvL 5/80). Hier: Regelung des § 103a Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 13.11.1979 begegnet weder wegen der Rückwirkung auf den 1.10.1979 noch im übrigen verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH).
Normenkette
BranntwMonG § 103a Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1979-11-13; GG Art. 20
Tatbestand
I. Mit Steuerbescheid vom 1.April 1981 nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) für 124 454,85 DM Branntweinsteuer mit der Begründung in Anspruch, von ihr bei der Herstellung von Früchten in Alkohol verwendeter Apfel- und Orangenwein sowie Burgunderrotwein sei nach § 103a Abs.1 Nr.1 des Gesetzes über das Branntweinmonopol (BranntwMonG) zu versteuern.
Die Klägerin stellt alkoholhaltige Fruchtspezialitäten her. Früchte werden in bestimmte Vorbehandlungsflüssigkeiten eingelegt und anschließend, zunächst ohne Flüssigkeit, in die Verkaufsbehältnisse eingewogen. Diese werden sodann mit alkoholischer Flüssigkeit aufgefüllt und unter Vakuum verschlossen. Die Vorbehandlungsflüssigkeiten bestehen zum Teil auch aus Apfel-, Orangen- und Burgunderrotweinen. Sie werden später im Rahmen der Auffüllflüssigkeit mitverwendet. Die Auffüllflüssigkeit besteht im übrigen aus versteuert bezogenem Branntwein und weiteren Zutaten, z.B. Saft- und Zuckerlösung. Der von der Klägerin in der Vorbehandlungs- und in der Auffüllflüssigkeit verwendete Apfel- und Orangenwein hatte einen Alkoholgehalt von mindestens 12 Vol. %, der verwendete Burgunderrotwein einen solchen von mindestens 11,5 Vol. %. Der Alkoholgehalt im Erzeugnis der Klägerin beträgt 14 bis 17 Vol. %.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung des Steuerbescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung. Die Klage hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des HZA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Gegenstand des angefochtenen Steuerbescheids sind Burgunderrotwein (Wein i.S. des Gesetzes über Wein, Likörwein, Schaumwein, weinhaltige Getränke und Branntwein aus Wein --WeinG-- vom 14.Juli 1971, BGBl I 1971, 893; VSF SV 0616) sowie Apfel- und Orangenwein (dem Wein ähnliche Getränke, vgl. § 75 Abs.4 WeinG i.V.m. § 10 Abs.1 WeinG vom 25.Juli 1930). Diese Erzeugnisse sind zwar kein Branntwein i.S. des BranntwMonG; nach § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 13.November 1979 unterliegen sie aber seit dem 1.Oktober 1979 (Art.6 dieses Änderungsgesetzes) der Branntweinsteuer, "wenn sie zu Trinkbranntwein oder für die Trinkbranntweinherstellung geeigneten Halberzeugnissen verarbeitet werden". Der angefochtene Steuerbescheid ist danach rechtmäßig, wenn die Erzeugnisse, die unter Verwendung der von der Klägerin verarbeiteten Weine und Obstweine hergestellt worden sind (Vorbehandlungsflüssigkeit, Auffüllflüssigkeit, Fruchtspezialität) entweder Trinkbranntweine oder für die Trinkbranntweinherstellung geeignete Halberzeugnisse i.S. des § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG sind. Das FG hat das zu Unrecht verneint. Es hat den Begriff des Trinkbranntweins verkannt.
2. Eine gesetzliche Definition des Begriffs Trinkbranntwein fehlt. Sein Inhalt ist daher dem § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG durch Auslegung zu entnehmen. Aus Wortlaut, Sinn und Zweck dieser Vorschrift ergibt sich (vgl. die Ausführungen unter Buchst.a bis e), daß Trinkbranntwein im Sinn dieses Besteuerungstatbestandes eine zum unmittelbaren menschlichen Genuß geeignete Flüssigkeit ist, die Alkohol enthält und nicht mehr den Charakter von Wein besitzt. Ob der Begriff weiter voraussetzt, daß das Erzeugnis neben dem Gärungsalkohol des Weines auch im Brennverfahren gewonnenen Alkohol enthält, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden, da feststeht, daß den streitbefangenen Waren Alkohol im letztgenannten Sinne zugesetzt worden ist.
a) Der Branntweinsteuer unterliegt grundsätzlich nur Branntwein, nicht aber auch Wein oder Obstwein. § 103a Abs.1 BranntwMonG enthält jedoch eine Abweichung von diesem Grundsatz. Der Branntweinsteuer sollen danach solche Weine und dem Wein ähnliche Getränke unterworfen werden, die zu bestimmten Erzeugnissen verarbeitet werden. Bei den in der Vorschrift genannten Verarbeitungserzeugnissen ("Trinkbranntwein oder für die Trinkbranntweinherstellung geeignete Halberzeugnisse") handelt es sich --wie auch immer diese Begriffe genau zu definieren sind-- jedenfalls um solche Waren, die ihrerseits normalerweise unter Verwendung von Branntwein hergestellt zu werden pflegen. Daraus ergibt sich der Sinn der Neuregelung des § 103 Abs.1 Nr.1 BranntwMonG: Die Regelung will erstens verhindern, daß auf einem Kerngebiet der Verwendung von Branntwein, der Herstellung von Trinkbranntwein, die Branntweinbesteuerung durch Verwendung von anderen alkoholhaltigen, aber der Branntweinsteuer nicht unterworfenen Erzeugnissen vermieden wird. Sie sieht zweitens die Herausnahme von Weinen und den Weinen ähnlichen Getränken aus der Branntweinbesteuerung nur dann für gerechtfertigt an, wenn diese Erzeugnisse als solche verwendet werden, nicht aber, wenn sie Gegenstand einer bestimmten Verarbeitung geworden sind, bei denen ihre Weineigenart verlorengeht.
b) Die Richtigkeit dieser Auffassung wird durch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Änderungsgesetzes vom 13.November 1979 --soweit der § 103a BranntwMonG betroffen ist, ist dieser Entwurf unverändert Gesetz geworden-- bestätigt. Dort heißt es (BTDrucks 8/2319 S.8; vgl. auch den Bericht des Berichterstatters des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages in BTDrucks 8/3006 S.14):
"Alkoholische Erzeugnisse, die nicht oder nur teilweise der
Branntweinbesteuerung unterliegen, z.B. Wein, Likörwein, Fruchtsaftaromen,
verlieren ihre Eigenschaft, wenn sie zur Herstellung von Spirituosen oder
Grundstoffen der Spirituosenindustrie verwendet werden. Deshalb sollen die
genannten Erzeugnisse in diesen Fällen in die Branntweinbesteuerung
einbezogen werden. Das entspricht auch dem Vorschlag der EG-Kommission zur
Harmonisierung der Alkoholsteuern."
Der in Bezug genommene Kommissionsvorschlag (für eine Richtlinie über die Harmonisierung der Verbrauchsteuern auf Alkohol; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- C 43/25 vom 29.April 1972), der bisher noch nicht verwirklicht worden ist, sieht in seinem Art.2 u.a. vor, daß die Richtlinie grundsätzlich nicht für Wein und Obstwein gelten solle. Nach Art.3 des Richtlinienentwurfs sollte aber eine Verbrauchsteuerschuld entstehen mit
"der Verarbeitung von Erzeugnissen, die nach Art.2 vom Anwendungsbereich
dieser Richtlinie ausgenommen sind, sofern diesen Erzeugnissen
unverarbeiteter oder in anderen Erzeugnissen enthaltener Äthylalkohol
zugesetzt wird oder sie einer Behandlung unterzogen werden, durch die sie
die Eigenschaft verlieren, aufgrund derer sie vom Anwendungsbereich dieser
Richtlinie ausgenommen sind".
Daraus ergibt sich zunächst die Richtigkeit des Hinweises des FG, daß § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG einen Auffangtatbestand enthält für Erzeugnisse, die als Ersatzstoffe für Branntwein Verwendung finden können, und dem Umstand Rechnung trägt, daß bei der Herstellung von Trinkbranntwein Wein und Branntwein miteinander in Wettbewerb stehen. Dieser Wettbewerb besteht aber entgegen der Auffassung des FG unabhängig davon, wie sich das verarbeitete Erzeugnis geschmacklich darstellt. Es kann also nicht darauf ankommen, ob, wie das FG meint, in der Mischflüssigkeit der Alkohol in Geruch und Geschmack mehr als nur spurenhaft wahrnehmbar ist. Vielmehr ist maßgebend, ob die Flüssigkeit als solche noch wesentlich Wein bzw. Obstwein ist. Hat nämlich der Wein seine Arteigenschaft durch die bestimmte Verarbeitung verloren, so entfällt der Grund, weswegen sein Alkoholgehalt von der Branntweinsteuer freigestellt ist.
c) Die Richtigkeit dieser Auffassung wird auch dadurch belegt, daß sie die einzige ist, die sicherstellt, daß § 151 BranntwMonG, der durch das gleiche Änderungsgesetz vom 13.November 1979 neu gefaßt worden ist, nicht wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot des Art.95 EWGV teilweise unanwendbar ist.
Nach § 151 Abs.1 BranntwMonG unterliegen eingeführte "branntweinhaltige Erzeugnisse" dem Monopolausgleich (der der Branntweinsteuer auch der Höhe nach voll entspricht). Waren der von der Klägerin hergestellten Beschaffenheit sind, wie nicht zweifelhaft ist, branntweinhaltige Erzeugnisse im Sinne dieser Vorschrift. Nach § 151 Abs.1 BranntwMonG unterliegen also den von der Klägerin hergestellten Waren gleichartige Erzeugnisse bei ihrer Einfuhr dem Monopolausgleich im Hinblick auf ihren gesamten Gehalt an Weingeist. Diese Abgabenerhebung verstieße aber gegen das Diskriminierungsverbot des Art.95 Abs.1 EWGV, falls Erzeugnisse wie die der Klägerin im Inland nur hinsichtlich des verwendeten Anteils an Abtriebsalkohol der Branntweinsteuer unterlägen. Da unterstellt werden kann, daß der Gesetzgeber aufgrund der zahlreichen Urteile des EuGH, des erkennenden Senats und der FG zur Frage der Vereinbarkeit der deutschen Regelungen über die Branntweinsteuer mit Art.95 EWGV diese Problematik bekannt war, kann nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe durch das Änderungsgesetz vom 13.November 1979 eine Regelung getroffen, die das Diskriminierungsverbot des Art.95 EWGV verletzt. Das legt eine Auslegung des § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG nahe, die nicht zwangsläufig die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 151 BranntwMonG zur Folge hat. Es muß also davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber des Änderungsgesetzes vom 13.November 1979 den Alkoholgehalt von Waren der von der Klägerin hergestellten Art nicht nur dem Monopolausgleich hatte unterwerfen wollen, sondern auch durch die Neufassung des § 103a BranntwMonG im selben Umfang der Branntweinsteuer.
d) Zu Unrecht beruft sich das FG auf Art.1 Nr.1 der Begriffsbestimmungen für Spirituosen. Diese sind (in ihrer Fassung von 1971; vgl. Hoppe/Heinricht, a.a.O.) von den Verbänden der Spirituosenindustrie ausgearbeitet und vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. verabschiedet worden (vgl. Hoppe/Heinricht, a.a.O.). Sie sind also keine Rechtsnormen, sondern stellen die Anschauung der beteiligten Wirtschaftskreise dar. Diese Anschauung könnte aber bei der Auslegung des § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG nur dann eine Rolle spielen, wenn sich aus dieser Vorschrift selbst ergäbe, daß für die Bestimmung des Begriffs "Trinkbranntwein" die Verkehrsanschauung maßgebend sein soll (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 3.Juli 1984 VII R 85/83, BFHE 141, 385). Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr ist die genannte Bestimmung dahin zu verstehen, daß ihr selbst durch Auslegung zu entnehmen ist, welchen Inhalt und welche Grenzen der Begriff "Trinkbranntwein" hat. Überdies liegen der Erstellung der Begriffsbestimmungen für Spirituosen gerade deshalb, weil sie den Handelsbrauch festschreiben wollen, Motive zugrunde, die die Begriffsbestimmungen als ungeeignet erscheinen lassen, den Ausschlag bei der Auslegung eines später in Kraft getretenen Steuertatbestandes zu geben.
e) Für die Auslegung des Begriffs "Trinkbranntwein" i.S. des § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG ist aus der Verordnung über den Mindestalkoholgehalt von Trinkbranntweinen vom 28.Februar 1958 nichts zu entnehmen. Diese Verordnung setzt lediglich für bestimmte, namentlich genannte Liköre einen Mindestalkoholgehalt fest, der --außer bei Eierlikör (14 Vol. %)-- mindestens bei 25 Vol. % liegt. Damit macht aber diese Verordnung keine Aussage, daß Erzeugnisse mit niedrigerem Mindestalkoholgehalt keine Trinkbranntweine sind. Dafür spricht auch § 2 dieser Verordnung, wonach die Vorschriften über den Mindestalkoholgehalt nicht für Spirituosen gelten, die aus EWG-Mitgliedstaaten eingeführt werden. Überdies ergibt sich aus der Verordnung über den Weingeistgehalt von Trinkbranntweinen, die unter Zusatz von Tafelwässern hergestellt sind, vom 26.März 1968 (BGBl I 1968, 236; VSF V 2061), daß auch unter Zusatz von Tafelwässern hergestellte Getränke mit einem Alkoholgehalt von nur 12 bis 15 Vol. % noch als Trinkbranntweine angesehen werden.
3. Die Weine und Obstweine, die Gegenstand des angefochtenen Steuerbescheides waren, sind bei Zugrundelegung der unter Nr.2 dargelegten Grundsätze und der Feststellungen des FG zu Trinkbranntweinen im genannten Sinn verarbeitet worden. Dabei braucht nicht weiter darauf eingegangen zu werden, daß es für die zur Herstellung der Vorbehandlungs- bzw. Auffüllflüssigkeiten eingesetzten Weine auf deren Beschaffenheit und lediglich bei den unmittelbar den vorbehandelten Früchten zugesetzten Weinen auf die Beschaffenheit des Enderzeugnisses ankommt. Denn jedenfalls sind alle drei Erzeugnisse als Trinkbranntwein i.S. des § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG anzusehen, weil sie zum unmittelbaren menschlichen Genuß geeignete Flüssigkeiten darstellen, Alkohol enthalten und nicht mehr den Charakter von Wein oder Obstwein aufweisen. Das gilt für die Vorbehandlungs- und Auffüllflüssigkeiten trotz des Umstandes, daß sie weiterverarbeitet worden sind, da sie bereits vor dieser Weiterverarbeitung die Voraussetzungen eines "Trinkbranntweins" erfüllen. Es braucht daher auch nicht auf die Frage eingegangen zu werden, ob die Verarbeitungserzeugnisse nicht auch unter den Begriff "für die Trinkbranntweinherstellung geeignete Halberzeugnisse" i.S. des § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG fallen.
++/ 4. Die Klägerin hält § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG für nichtig, da diese Vorschrift die Erhebung von Branntweinsteuer für die Auffüllflüssigkeit der von ihr hergestellten Obstdauerwaren vorsehe; die Vorschrift habe sich echte Rückwirkung beigelegt, da ihre, der Klägerin, gesamte Kalkulation bisher stets darauf ausgerichtet gewesen sei, daß für den verwendeten Wein keine Branntweinsteuer zu entrichten sei.
Die Klägerin verkennt, daß eine echte Rückwirkung nur vorläge, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingegriffen hätte. Das ist aber --abgesehen von der unter Nr.4 behandelten Frage-- nicht der Fall. Was die Klägerin vielmehr rügt, ist eine sog. unechte Rückwirkung des § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG, d.h. eine Einwirkung dieser Vorschrift auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft.
Grundsätzlich sind unechte Rückwirkungen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit dem Grundgesetz vereinbar. Aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit ergeben sich dafür allerdings verfassungsrechtliche Grenzen. Auch bei unechter Rückwirkung ist das Vertrauen enttäuscht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Berechtigte nicht zu rechnen brauchte, den er also bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte. Jedoch kann sich der einzelne dann nicht auf sein Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten gesetzlichen Regelung berufen, wenn dieses Vertrauen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände billigerweise eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber nicht beanspruchen kann (vgl. zuletzt Urteil des BVerfG vom 16.Juli 1985 1 BvL 5/80, Wertpapier-Mitteilungen 1985, 1043).
So liegt der Fall hier. Die Tatsache allein, daß für die Auffüllflüssigkeit in der Vergangenheit Branntweinsteuer nicht zu entrichten war, schuf noch keine schützenswerte Vertrauensposition der Klägerin dahin, der Gesetzgeber werde auch in Zukunft Branntweinsteuer dafür nicht erheben.
Auch im übrigen begegnet die Regelung des § 103a Abs.1 Nr.1 BranntwMonG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 26.Juni 1984 VII R 60/83, BFHE 141, 369). /++
Fundstellen
Haufe-Index 61074 |
BFHE 144, 502 |
BFHE 1986, 502 |
BB 1986, 186-186 (S) |
HFR 1986, 120-120 (ST) |