Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Auch in Fällen, in denen bei Weiterveräußerung eines Erbbaurechts das bei dessen Bestellung schon vorhanden gewesene Gebäude mitübernommen wird, kann der Erwerbsvorgang die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Gebäude mitumfassen.
GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG;
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1; GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5; GrEStG § 2 Abs. 2 Ziff. 1; ErbbauVO 12/1/2
Tatbestand
Die Bfin. erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom 11. September 1953 von der Witwe ihres verstorbenen Filialleiters F. ein Erbbaurecht. In diesem Vertrage wurde u. a. erklärt:
"Auf dem Herrn F. im Erbbaurecht überlassenen Grundstück hat die .... (Bfin.) aus ausschließlich eigenen Mitteln ein Wohnhaus errichtet und dieses Herrn F. mit Mietvertrag zur Benützung überlassen."
Daß die Bfin. für den Erwerb dieses Wohnhauses eine Gegenleistung entrichten sollte, ergibt der bezeichnete Vertrag nicht.
Dem Vorgang vom 11. September 1953 ging folgendes voraus: Durch privatschriftlichen Vertrag vom 4. Juni 1948 hatte die Stadt X. dem verstorbenen F. das in Betracht kommende rund 600 qm große Grundstück verpachtet. Im Pachtvertrag, der die Berechtigung des Pächters zur Errichtung von Bauwerken unter gewissen Voraussetzungen vorsah, wurde u. a. ausgeführt:
"Bei Pachtlösung ist der Pächter verpflichtet, das Grundstück ohne Entschädigungsanspruch zu räumen und den früheren Zustand wieder herzustellen. Die Stadtgemeinde ist jedoch berechtigt, auf Verlangen die auf dem Grundstück errichteten Bauwerke zu dem von der Preisprüfungsstelle festgesetzten Preis käuflich zu erwerben."
Bald nach Abschluß des Pachtvertrages wurde auf dem Grundstück das vorbezeichnete Wohnhaus errichtet. Durch notariellen Vertrag vom 3. Februar 1950 bestellte die Stadt X. dem verstorbenen Filialleiter F. an demselben Grundstück ein Erbbaurecht.
Unstreitig ist, daß in dem Erwerb des Erbbaurechts durch die Bfin. ein nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG steuerpflichtiger Erwerbsvorgang zu erblicken ist. Streitig ist, ob auch wegen des auf dem Grundstück bereits vor der Bestellung des Erbbaurechts errichteten Wohnhauses eine Gegenleistung anzusetzen ist. Das Finanzamt hat die für die Herstellung des Gebäudes aufgewendeten Kosten als "Verzicht auf eigene Forderung" (= 39.625,96 DM) und damit als Teil der Besteuerungsgrundlage angesehen und zur Steuer herangezogen.
Insgesamt wurde die Gegenleistung wie folgt errechnet:
Von der Bfin. übernommene Sicherungshypothek für Straßenherstellungs- und Anliegerkosten-Beiträge in Höhe von ---------------------------------------- 1.160,- DM
2. Verzicht auf eigene Forderung -------------- 39.625,96 DM ------------------------------------- insgesamt 40.785,96 DM.Dagegen wurde die von der Bfin. übernommene Erbbauzinsverpflichtung auf Grund des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG nicht als zur Gegenleistung gehörig angesehen.
Die Bfin. machte geltend: Schon bei Abschluß des Pachtvertrages vom 4. Juni 1948 habe der Filialleiter F. nur treuhänderisch für sie, die Bfin., gehandelt. Sie, die Bfin., habe allein den Pachtzins gezahlt. Daher sei steuerlich nicht F., sondern sie, die Bfin., als Pächterin anzusehen. Die Genehmigung für den Hausbau sei ihr gegenüber erteilt und das bezugsfertige Haus ihr gegenüber abgenommen worden. Zur Zeit der Bestellung des Erbbaurechts (3. Februar 1950) sei das Gebäude bereits bezugsfertig gewesen. Bürgerlich-rechtlich sei es somit Bestandteil des Grundstücks und damit formell Eigentum der Stadt X. geworden. Auch noch nach der Bestellung des Erbbaurechts sei das Gebäude im Eigentum der Stadt X. verblieben. § 12 Abs. 1 Satz 2 der Erbbaurechtsverordnung stehe dieser Auffassung nicht entgegen, da hiernach ein vor der Bestellung des Erbbaurechts vorhandenes Bauwerk nur dann als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts angesehen werden könne, wenn der Erbbauberechtigte und der, dem das Gebäude wirtschaftlich gehört, personengleich seien. Durch den Vertrag vom 11. September 1953 sei weder das formelle Eigentum an dem Gebäude auf sie, die Bfin., übergegangen, noch habe sich an der wirtschaftlichen Zugehörigkeit des Gebäudes etwas geändert. Der Wert des Gebäudes könne somit bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlage nicht angesetzt werden.
Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.
Mit der Besteuerung von zum Erbbaurecht gehörigen Gebäuden haben sich sowohl der Oberste Finanzgerichtshof im Urteil II 70/43 S vom 8. September 1947 (Slg. Bd. 54 S. 213) als auch der erkennende Senat im Urteil II 14/53 U vom 17. Februar 1954 (BStBl 1954 III S. 99, Slg. Bd. 58 S. 491) befaßt. Diese Urteile betreffen aber anders gelagerte Tatbestände; sie können somit auf den Streitfall nicht unmittelbar angewendet werden. Beide Urteile ergingen zu Fällen, in denen das Gebäude von dem Erbbauberechtigten nach der Bestellung des Erbbaurechts errichtet wurde. Hier dagegen ist das Gebäude vor der Bestellung des Erbbaurechts fertiggestellt worden.
Im Streitfall kann davon ausgegangen werden, daß bürgerlich-rechtlich das Eigentum am Gebäude seit seiner Errichtung der Stadt X. gehörte und bei Bestellung des Erbbaurechts nach § 12 Abs. 1 Satz 2 der Erbbaurechtsverordnung auf den Filialleiter F. überging. Es kann also als richtig angesehen werden, daß F. das Gebäudeeigentum entsprechend der im Schrifttum herrschenden Auffassung, bürgerlich-rechtlich betrachtet, bei Bestellung des Erbbaurechts erwarb. Siehe Staudinger, Kommentar zum BGB, 11. Aufl., 1956, III. Bd. 1. Teil, § 12 der Erbbaurechtsverordnung Anm. 12b, S. 938; Wolff-Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl., 1957, § 104 II 1, S. 422; Palandt, BGB, 18. Aufl., 1959, Anm. 1 zu § 12 der Erbbaurechtsverordnung, S. 914, und 19. Aufl., 1960 Anm. 1 zu § 12 der Erbbaurechtsverordnung, S. 912; Güthe-Triebel, Grundbuchordnung, 6. Aufl., 1937, S. 1825 N I; anderer Ansicht: Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB, 10. Aufl., 1954, III. Bd. Anm. 2 zu § 12 der Erbbaurechtsverordnung, S. 411. Voraussetzung ist, daß dem Filialleiter F. dieses Eigentum, was aber wohl zu verneinen ist, nicht bereits auf Grund des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB vom Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung an gehörte (siehe dazu das Urteil des Bundesgerichtshofs V ZR 264/56 vom 5. März 1958, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 95 BGB Nr. 5).
In Fällen der vorliegenden Art kommt es jedoch grunderwerbsteuerlich nicht darauf an, wem bürgerlich-rechtlich das Eigentum am Gebäude zustand, sondern darauf, wem es am Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs (11. September 1953) im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG zuzurechnen war, d. h. ob dem Filialleiter F. oder schon der Bfin., weil sie die Mittel zum Hausbau zur Verfügung gestellt hatte. Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, "die es ohne Begründung eines Anspruchs auf übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten". Entscheidend ist also, wem die Verwertungsmacht im Sinne des § 1 Abs. 2 zuzurechnen ist, nämlich ob demjenigen, der die Mittel zur Errichtung zur Verfügung stellte (d. h. hier die Bfin.) oder demjenigen, dem die Mittel zur Verfügung gestellt wurden (d. h. hier dem Filialleiter F.). Nach dem Urteil des Senats II 60/56 U vom 24. Oktober 1956 (BStBl 1956 III S. 364, Slg. Bd. 63 S. 433) ist ein Grundstück (hier ein Gebäude) im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG dem zuzurechnen, dem Besitz und Nutzung zustehen und der an der Substanz des Grundstücks wertmäßig beteiligt ist. Da das Finanzgericht bei der Beurteilung der Sache dies nicht berücksichtigt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
Im Streitfall war zwischen der Bfin. und dem verstorbenen F. ein Darlehnsvertrag oder ein anderer Vertrag, durch den F. zur Rückzahlung der von der Bfin. für den Hausbau aufgewendeten Beträge verpflichtet war, anscheinend nicht geschlossen worden. Das könnte - ebenso wie der Umstand, daß im Vertrag vom 11. September 1953 eine Gegenleistung für das Wohnhaus nicht ausdrücklich vereinbart wurde - dafür sprechen, daß der Bfin. von vornherein die Verwertungsmacht an dem Wohnhaus zugestanden hat. Hinzu kommt, daß die mit dem Gebäude zusammenhängenden Lasten offenbar nicht von F., sondern von der Bfin. getragen wurden. Insbesondere zahlte F. eine Miete, nicht aber, soweit ersichtlich ist, Zinsen für das zum Bau der Gebäude aufgewendete Kapital; zahlte aber F. eine Miete, so wäre es ungewöhnlich, ihm dennoch das Gebäude wirtschaftlich zuzurechnen. Weiter war F. vermutlich an der Substanz des Gebäudes wertmäßig nicht beteiligt. Demgemäß ist es unwahrscheinlich, daß etwaige Abschreibungen (sei es auf Grund des § 7, sei es auf Grund des § 7b EStG) zugunsten des F. vorgenommen wurden. Diesem Umstand dürfte für die Beurteilung ganz besondere Bedeutung zukommen; es ist kaum anzunehmen, daß die Bfin., wenn ihr das Gebäude von vornherein gehörte, nicht auch von der Abschreibungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat. Zu prüfen wäre ferner, ob F. das Gebäude als Bauherr errichtete, insbesondere den Behörden und den Handwerkern gegenüber als solcher auftrat, sowie außerdem, wer die Gefahr getragen hätte, wenn das Gebäude zufällig untergegangen wäre oder sich in seinem Wert verschlechtert hätte. Weiterhin könnte für die Beurteilung von Bedeutung sein, wie F. bei anderen Steuern behandelt wurde; insbesondere wäre von Interesse, ob F. Schuldner der Grundsteuer war. Beachtlich wäre z. B. auch, ob auf das Gebäude einkommensteuerlich die Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 angewendet wurde oder nicht. Der Umstand, daß die Bfin. anläßlich der Einheitsbewertung in einem Schreiben an das Finanzamt am 12. März 1953 F. als Eigentümer des Einfamilienhauses bezeichnete, kann nicht als ausschlaggebend angesehen werden. Als "Eigentümer" im Sinn dieser Erklärung ist vermutlich der Eigentümer im Sinn des bürgerlichen Rechts zu verstehen, nicht aber derjenige, dem das Gebäude wirtschaftlich zuzurechnen war. Maßgebend sind die wirklichen Verhältnisse. Anscheinend war das Gebäude seit Errichtung im Sinn des § 1 Abs. 2 GrEStG der Bfin. zuzurechnen.
Die Angelegenheit bedarf in dieser Hinsicht noch näherer Prüfung. Sollte sich ergeben, daß das Gebäude von vornherein wirtschaftlich der Bfin. gehörte, so würde der Erwerbsvorgang den Erwerb der wirtschaftlichen Verfügungsmacht nicht mitumfassen. In diesem Fall würde der Erwerbsvorgang den Erwerb des Erbbaurechts und den des bürgerlich-rechtlichen Eigentums betreffen. Steuerberechnungsgrundlage wäre die Gegenleistung (vgl. das Urteil des Senats II 129/51 U vom 27. Februar 1952, BStBl 1952 III S. 98, Slg. Bd. 56 S. 250). Daß die vom Erwerber übernommene Erbbauzinsverpflichtung auf Grund besonderer Regelung (ß 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG grunderwerbsteuerlich nicht zur Gegenleistung gehört, ändert nichts daran, daß ein Fall des § 10 Abs. 1 GrEStG vorliegt, wenn überhaupt eine Gegenleistung gewährt wird. Das wäre hier der Fall, weil die Bfin. auch die Sicherungshypothek von 1.160 DM übernommen hat (siehe dazu das vorerwähnte Urteil II 129/51 U vom 27. Februar 1952). Eine Berechnung der Steuer nach § 10 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG (d. h. nach dem Einheitswert) käme also nicht in Betracht. Sollte sich jedoch herausstellen, daß das Gebäude wirtschaftlich dem verstorbenen F. zuzurechnen war, so wäre die Steuer, auch soweit das Gebäude in Betracht kommt, vom Wert der Gegenleistung zu berechnen (ß 10 Abs. 1 GrEStG). In diesem Fall wäre die vom Finanzamt errechnete Gegenleistung als zutreffend anzusehen.
Ein abweichendes Ergebnis würde auch nicht eintreten, wenn entsprechend der im Schrifttum von einer Minderheit vertretenen Auffassung (siehe oben) unterstellt wird, daß bürgerlich-rechtlich das Gebäude-Eigentum nach wie vor der Stadt X. zusteht; denn in diesem Fall würde der Erwerb der wesentlichen Bestandteile des Erbbaurechts (hierher gehört das bei dessen Bestellung schon vorhandene Gebäude; § 12 Abs. 1 Satz 2 der Erbbaurechtsverordnung) zusammen mit dem Erwerb des eigentlichen Erbbaurechts der Steuer unterliegen (ß 1 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG). Es wäre also gleichfalls entscheidend, ob die Bfin. das Gebäude auch wirtschaftlich erworben hat.
Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache zur nochmaligen Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409670 |
BStBl III 1960, 366 |
BFHE 1961, 313 |
BFHE 71, 313 |