Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesellschaftsteuerpflicht nachträglicher Gesellschafterleistungen
Leitsatz (NV)
1. Die Leistungen, die die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft bis zu deren Eintragung im Handelsregister erbringen, werden von §2 Abs. 1 Nr. 1 KStVG, die nach der Eintragung erbrachten Leistungen von §2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG erfaßt (Bestätigung ständ. Rechtsprechung).
2. §2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG gilt auch dann, wenn die Leistungsverpflichtung bereits im Gründungsvertrag begründet wurde.
Normenkette
KVStG § 2 Abs. 1 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die mit notariellem Vertrag vom ... Oktober 1990 gegründet wurde. Sie entstand mit der Eintragung ins Handelsregister am ... November 1990.
Gemäß §3 des Gesellschaftsvertrages wurde folgende Vereinbarung getroffen:
"(1) Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt DM 200 000.
(2) Von dem Stammkapital übernehmen
a) (Gesellschafterin 1) eine Stammeinlage in Höhe von 150 000 DM. Diese Stammeinlage wird mit einem Agio von 600 000 DM ausgegeben, so daß von der Gesellschafterin 1 insgesamt 750 000 DM zu erbringen sind.
b) (Gesellschafterin 2) eine Stammeinlage in Höhe von 50 000 DM. Diese Stammeinlage wird mit einem Agio von 700 000 DM ausgegeben, so daß von der Gesellschafterin 2 insgesamt 750 000 DM zu erbringen sind.
(3) Die übernommenen Stammeinlagen sind sofort in voller Höhe in bar zu leisten. Von dem Agio sind einzuzahlen
a) von der (Gesellschafterin 1) DM 50 000 bis zum 15. Oktober 1990,
b) von der (Gesellschafterin 2) DM 150 000 bis zum 15. Oktober 1990.
Der jeweilige Restbetrag auf das Agio ist innerhalb von dreißig Tagen nach Aufforderung durch die Geschäftsführung zu zahlen."
Mit der am 31. Januar 1991 eingegangenen Erklärung meldete die Klägerin die Einzahlung von 150 000 DM bzw. 50 000 DM auf das Stammkapital sowie eine solche von 200 000 DM auf das Agio in der Form von Barleistungen als steuerpflichtigen Rechtsvorgang an.
Mit Gesellschaftsteuerbescheid vom 26. Februar 1991 besteuerte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gemäß §2 Abs. 1 Nr. 1 des Kapitalverkehr steuergesetzes (KVStG) die eingezahlten Stammeinlagen sowie die bis zum 15. Oktober 1990 gezahlten Agio-Teilbeträge. Der Steuerbescheid wurde bestandskräftig.
Anläßlich einer mit Beginn des 22. Februar 1994 durchgeführten Außenprüfung wurde festgestellt, daß die restlichen Agio-Beträge in Höhe von 1 100 000 DM im Jahre 1991 eingezahlt worden waren. Das FA erließ deshalb am 13. April 1994 gemäß §2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG einen weiteren Gesellschaft steuerbescheid, durch den die restlichen Agio-Beträge erfaßt wurden.
Der gegen diesen Bescheid gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 774, veröffentlicht.
Der Beschluß des FG über die Zulassung der Revision wurde dem FA am 19. Januar 1996 zugestellt. Das FA hat die Revision mit einem Schriftsatz eingelegt, der erst am 20. Februar 1996 beim FG einging. Nach einem dem FA am 27. März 1996 zugestellten Hinweis des Bundesfinanzhofs (BFH) beantragte das FA Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trug es vor, die Revisionsschrift sei am 12. Februar 1996 zur Post gegeben worden. Es habe mit einer Postlaufzeit von 8 Tagen nicht rechnen müssen. Mit der Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, die Klage unter Aufhebung des Urteils des FG Köln vom 8. November 1995 11 K 2676/95 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
A. Die Revision ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt. Dem FA war wegen der Versäumung der Frist für die Einlegung der Revision gemäß §§121, 56 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Es hat glaubhaft gemacht (§56 Abs. 2 Satz 1 FGO), daß die Revisionsschrift 7 Tage vor Fristablauf zur Post gegeben wurde. Es konnte damit rechnen, daß die Revisionsschrift am 13. Februar 1996 beim FG einging. Die erheblich längere Postlaufzeit hat es nicht zu vertreten. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, §56 FGO Rz. 4 c; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., §56 Rz. 29, jeweils m. w. N.).
B. Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. Nach §2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer. Nach §2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG unterliegen auch Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden, der Gesellschaftsteuer. Die Tatbestände der beiden Vorschriften sind insbesondere für den Fall voneinander abzugrenzen, daß eine Leistung i. S. des §2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG erst nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister erbracht wird, die Verpflichtung zu der Leistung jedoch schon durch den Gesellschaftsvertrag in seiner ursprünglichen Fassung begründet wurde. Zu dieser Abgrenzungsfrage hat der BFH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß §2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG nur die bis zur Eintragung der Kapitalgesellschaft (Kapitalerhöhung) in das Handelsregister erbrachten Leistungen erfaßt (vgl. BFH-Entscheidungen vom 22. Juli 1987 I R 74/85, BFHE 150, 447, BStBl II 1987, 823, 825; vom 6. Februar 1980 II R 61/78, BFHE 129, 423, BStBl II 1980, 213; vom 24. Juli 1972 II R 69/71, BFHE 107, 508, BStBl II 1972, 907). Entsprechend fallen unter §2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG alle Leistungen, die erst nach der Eintragung der Kapitalgesellschaft in das Handelsregister erbracht werden. Dies gilt auch dann, wenn die Verpflichtung zu der Leistung bereits im Zeitpunkt des Erwerbs der Gesellschaftsrechte begründet worden war. Der BFH hat dies in Übereinstimmung mit der einhellig im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. Egly/Klenk, Gesellschaftsteuer, 4. Aufl., §1 KVStG Rdnr. 8; Brönner/Kamprad, Kapitalverkehrsteuer, 4. Aufl., §2 Rdnr. 4) mit dem Zweck und dem Wesen der Kapitalverkehrsteuer begründet. Besteuerungsobjekt ist die Eigenkapitalbildung, d. h. jede Form der Eigenkapitalzuführung durch die Gesellschafter. Die Eigenkapitalzuführung wird erst durch die Erfüllung von Einlageverpflichtungen verwirklicht. Dies ist der Grund, weshalb in den Fällen des §2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG die Gesellschaftsteuer immer nur von den bis zur Eintragung im Handelsregister eingezahlten Beträgen zu erheben ist. Spätere Resteinzahlungen sind nur nach §2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG steuerpflichtig. Sie erfüllen einen eigenständigen Besteuerungstatbestand, weshalb ein eigenständiger Steuerbescheid ergehen muß. Insoweit bedarf es keiner Änderung des den Tatbestand des §2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG erfassenden Bescheides.
2. Der erkennende Senat hält an dieser ständigen Rechtsprechung fest. Nachdem das KVStG für die Zeit ab dem 1. Januar 1992 außer Kraft getreten ist, besteht schon aus Gründen der Rechtssicherheit kein Anlaß, von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung abzugehen. Die davon abweichende Vorentscheidung kann keinen Bestand haben. Die Sache ist entscheidungsreif. Der Streitfall ist steuerlich unter §2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG zu subsumieren. Die Einlageverpflichtung über 1,1 Mio. DM war im Gesellschaftsverhältnis veranlaßt. Da die Beträge von 1,1 Mio. DM nach der Eintragung der Klägerin in das Handels register eingezahlt wurden, war ein eigenständiger Bescheid zu erlassen. Die Steuerschuld entstand erst im Jahre 1991. Sie war am 13. April 1994 bei Erlaß des angefochtenen Bescheides noch nicht verjährt. Darauf, ob die Einzahlungsverpflichtung bereits in der Eröffnungsbilanz ausgewiesen wurde, kommt es nicht an. Ebenso ist es entscheidungsunerheblich, ob und wie die Klägerin auf ihre Anmeldepflicht hingewiesen wurde. Der angefochtene Steuerbescheid ist deshalb rechtmäßig. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 66849 |
BFH/NV 1998, 209 |