Leitsatz (amtlich)
Ein Niedersachsenhaus (Bauernhaus, in dem Wohnung und Stall unter einem Dach sind) kann ein Einfamilienhaus im Sinn des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen sein, wenn die für Wohnzwecke genutzten Räume und die dazu gehörenden Nebenräume mehr als 66 2/3 v. H. der gesamten Nutzfläche umfassen.
Normenkette
GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 24. Mai 1977 erwarb der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ein bebautes Grundstück zum Preis vom 125 000 DM. Auf diesem Grundstück, das eine Fläche von ca. 4 000 qm hat, stehen ein über hundert Jahre altes Niedersachsenhaus (Wohnung und Stall unter einem Dach) und ein Nebengebäude (Wagenschuppen). Die bebaute Fläche des Hauptgebäudes beträgt ca. 247 qm, wovon ca. 132 qm auf den Wohnteil entfallen. Die bebaute Fläche des Nebengebäudes beträgt ca. 219 qm. Die Landwirtschaft wird seit 1972 nicht mehr betrieben. Das Grundstück ist seit dem 1. Januar 1976 als Einfamilienhaus bewertet. Die Wohnung war im Erwerbszeitpunkt oder früher vermietet.
Unter Ablehnung des Antrags auf Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) mit Bescheid vom 15. August 1977 die Grunderwerbsteuer auf 9222,50 DM fest. Es vertrat dabei die Auffassung, das Grundstück sei im Erwerbszeitpunkt nicht mit einem Einfamilienhaus, sondern mit landwirtschaftlichen Gebäuden bebaut gewesen. Nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens hat das Finanzgericht (FG) der Klage, mit der die Aufhebung der Steuerfestsetzung begehrt wird, stattgegeben. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das Gebäude sei aufgrund innerer Aufteilung und äußerer Erscheinung als Einfamilienhaus mit erheblichen Nebenräumen anzusprechen, weil es heute in ländlichen Bezirken vielfach üblich sei, ehemalige Bauernhäuser als Wohn- und Einfamilienhäuser zu nutzen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt mangelnde Sachaufklärung durch das FG sowie Verletzung von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG. Mangelnde Sachaufklärung erblickt das FA darin, daß das FG nicht ermittelt habe, ob der Wohnteil im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages Küche, Toilette und Badezimmer enthalten habe. Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordung - FGO -).
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG ist von der Grunderwerbsteuer auf Antrag der Erwerb eines Grundstückes mit einem Einfamilienhaus ausgenommen, wenn es von dem Erwerber oder den sonst im Gesetz erwähnten Personen binnen fünf Jahren mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bewohnt wird und zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dient.
Das FG-Urteil unterliegt der Aufhebung, weil das FG die Bedeutung der Abgrenzung der zu Wohnzwecken dienenden Räumen nicht beachtet hat.
1. Der Begriff des Einfamilienhauses ist im Gesetz ebensowenig definiert wie beispielsweise in § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Eine dem Inhalt des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG entsprechende Begriffsbestimmung findet sich in § 75 Abs. 5 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG), wonach Einfamilienhäuser Wohngrundstücke sind, die nur eine Wohnung enthalten. Wie der Senat bereits ausgesprochen hat, kann zwar von der Beschreibung in § 75 Abs. 5 Satz 1 BewG ausgegangen, die im übrigen in § 75 BewG enthaltende Beschreibung der Grundstücksarten aber nicht auf die in § 1 Abs. 1 Satz 1 GrEStEigWoG genannten Gebäude übertragen werden; vielmehr ist die Frage, ob ein Gebäude ein Ein- oder Zweifamilienhaus ist primär aus dem Befreiungsgesetz heraus zu beantworten (vgl. Urteile vom 29. Oktober 1980 II R 5/79, BFHE 131, 541, BStBl II 1981, 41, und vom 6. Mai 1981 II R 123/79, BFHE 133, 316, BStBl II 1981, 585). Das Gesetz spricht von einem Einfamilienhaus, dessen Wohnung in bestimmter Weise während eines benannten Zeitraumes bewohnt werden muß und gibt als weiteren Anhaltspunkt ein Mindestmaß der Nutzung zu Wohnzwecken. Ob dieses Mindestmaß im vorliegenden Fall erreicht ist, kann den Feststellungen des FG nicht entnommen werden.
2. Wohnzwecken dienen die eigentlichen Kernwohnräume, Küche, Bad, Toilette und die tatsächlich im Zusammenhang mit der Wohnung genutzten Nebenräume (Keller, Abstellräume, Speisekammern usw.). Diesen Nebenräumen ist eigentümlich, daß sie der Nutzung der Haupträume dienen und zu ihnen in einem untergeordneten Verhältnis stehen. Sofern ein Gebäude darüber hinaus noch weitere Räume enthält, die nicht wohnlich genutzt werden, sondern leerstehen, dienen sie nicht Wohnzwecken (zum Leerstehenlassen im Gegensatz zum Bewohnen vgl. das Urteil des Senats vom 11. Februar 1981 II R 131/80, BFHE 132, 490, BStBl II 1981, 330).
Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt beträgt die überbaute Fläche des Wohnzwecken dienenden Teils des Hauptgebäudes ca. 132 qm, dessen gesamte bebaute Fläche aber ca. 247 qm. Entspricht die Nutzung der Gebäudeteile dem Verhältnis der bebauten Flächen, so wird das Haus zu weniger als 66 v. H. zu Wohnzwecken genutzt. Über das diesbezügliche Verhältnis hat das FG keine Feststellungen getroffen.
3. Die nicht spruchreife Sache ist zum Zwecke der Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird dabei auch zu beachten haben, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Senates nicht auf den Zustand des Gebäudes im Erwerbszeitpunkt ankommt, sondern darauf, in welchem Zustand es der wohnlichen Nutzung zur Erfüllung der weiteren Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG zugeführt wird (vgl. Urteile vom 25. Juni 1980 II R 21/79, BFHE 131, 93, BStBl II 1980, 728, und vom 18. Februar 1981 II R 107/78, BFHE 132, 492, BStBl II 1981, 331). Aus diesem Grunde geht auch die Aufklärungsrüge des FA ins Leere.
Sollte das FG zu der Überzeugung gelangen, daß das Hauptgebäude zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwekken dient oder dienen wird, so hat es die Nutzung des Nebengebäudes zu untersuchen. Da das Nebengebäude aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG über dessen bebaute Fläche nicht von untergeordneter Bedeutung ist, wird ggfs. nicht der gesamte Erwerbsvorgang von der Grunderwerbsteuer freigestellt werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 74112 |
BStBl II 1982, 30 |
BFHE 1981, 189 |