Leitsatz (amtlich)
1. Die Fortschreibung des Einheitswerts eines landwirtschaftlichen Betriebs mit verstärkter Tierhaltung kann nach Art. 2 Abs. 5 BewÄndG 1965 nur vorgenommen werden, wenn der Steuerpflichtige einen Antrag auf Fortschreibung gestellt hat.
2. In den Fällen der Nr. 1 ist der Antrag des Steuerpflichtigen auch dann erforderlich, wenn der Überbestand an Vieheinheiten nach der früheren Regelung als gewerbliches Betriebsvermögen bewertet war.
Normenkette
BewGÄndG 1965 Art. 2 Abs. 5
Tatbestand
Streitig ist die Berechtigung eines Zuschlags zum Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers (Revisionsbeklagter und Steuerpflichtiger) gemäß § 40 BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) wegen verstärkter Tierhaltung.
Der Steuerpflichtige ist Eigentümer eines 12,1017 ha großen landwirtschaftlichen Betriebs. Der Einheitswert war auf den 1. Januar 1954 auf X DM festgestellt worden. Der Bewertung lag ein ha-Satz von 842 DM zugrunde. Nach Errichtung neuer Stallgebäude im Jahre 1961 forderte das FA den Steuerpflichtigen zur Abgabe einer "Erklärung über die Tierhaltung" in den Wirtschaftsjahren 1962/63 bis 1964/65 auf. Auf Grund dieser Erklärung nahm das FA eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1965 unter Berechnung eines Zuschlags von 13 145 DM für einen Überbestand von 26,29 Vieheinheiten vor. Der Berechnung des Zuschlags war ein Bestand von 1 500 Legehennen, der vom Steuerpflichtigen für die Wirtschaftsjahre 1963/64 und 1964/65 angegeben worden war, sowie ein jährlicher Verkauf von 60 Mastschweinen zugrunde gelegt; dies ergab zusammen 39,60 Vieheinheiten. Als gegendüblicher Bestand am 1. Januar 1935 wurden demgegenüber 1,1 Vieheinheiten je ha landwirtschaftliche Nutzfläche, somit 13,31 Vieheinheiten bei 12,10 ha angesetzt. Je Vieheinheit des sich danach ergebenden Überbestandes von 26,29 Vieheinheiten berechnete das FA entsprechend den Weisungen in Ziff. 12 des Erlasses des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10. Juli 1964 (BStBl II 1964, 106) einen Zuschlag von 500 DM.
Der gegen den Wertfortschreibungsbescheid eingelegte Einspruch, mit dem der Steuerpflichtige geltend machte, daß die verstärkte Tierhaltung nur bei einer Hauptfeststellung der Einheitswerte eines landwirtschaftlichen Betriebes berücksichtigt werden dürfe und daß das Herausgreifen von Einzelfällen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG verstoße, war erfolglos.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG hat über die Veränderungen des Viehbestandes in den Jahren 1935, 1964 und 1968 im Oberfinanzbezirk Y Auskünfte von der Landwirtschaftskammer und der OFD Y eingeholt.
Die Vorentscheidung ließ es dahingestellt sein, ob der angefochtene Bescheid mit dem von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsatz des Verbots einer kollektiven Fortschreibung vereinbar ist, zumal eine Berichtigung fehlerhafter Weisungen auch nur bedingt gegeben sei, da bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1935 Richtlinien für eine Bewertung des Reinertrags auf Grund verstärkter Tierhaltung nicht vorgelegen hätten. Der Ländererlaß vom 10. Juli 1964 habe durch eine generelle Weisung eine Lücke geschlossen, die im allgemeinen bisher eine Nichterfassung der Tierhaltung im Rahmen der landwirtschaftlichen Einheitsbewertung zur Folge gehabt habe, wobei allerdings dahingestellt bleiben könne, ob und in welchem Rahmen diese Nichterfassung nicht auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse im Jahre 1935 gerechtfertigt gewesen sei. Eine abschließende Beurteilung dieser Fragen sei nicht veranlaßt, weil die vom Gesetzgeber in Art. 2 Abs. 5 BewÄndG 1965 (BGBl I 1965, 851) getroffene Regelung, Fortschreibungen von Amts wegen im Zusammenhang mit der Tierhaltung bis zum 1. Januar 1967 einschließlich nicht als geboten erscheinen lasse. Insoweit könne von einer gesetzlichen Interpretation dahingehend gesprochen werden, daß der Gesetzgeber unter die Übergangsregelung fallende Wertfortschreibungen nicht als von dem Verbot der kollektiven Fortschreibung betroffen ansehe. Aus dem Wortlauf des Art. 2 Abs. 5 BewÄndG 1965 ergebe sich, daß bei allen Einheitswert-Feststellungen, also auch bei Wertfortschreibungen auf den 1. Januar 1965 und später, die Zugehörigkeit von Tierbeständen zum landwirtschaftlichen Vermögen nach den maßgeblichen Vorschriften des BewG 1965 (§ 33 Abs. 3 Nr. 4 und § 51) und nicht mehr nach bisherigem Recht (§ 29 Abs. 3 BewG) vorzunehmen sei. Für die Stichtage 1. Januar 1965 bis 1. Januar 1967 sei ein Antrag des Steuerpflichtigen erforderlich, der im Streitfall aber nicht vorliege. Eine Einschränkung der Antragsbefugnis des Steuerpflichtigen in dem Sinne, daß damit lediglich Fälle einer bisher andersartigen Bewertung des Viehüberbestandes als gewerbliches Betriebsvermögen erfaßt werden sollten, sei aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu entnehmen.
Da es an dem Antragserfordernis fehlte, hob das FG den Wertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1965 und die Einspruchsentscheidung auf.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es rügt unrichtige Anwendung geltenden Rechts, insbesondere des Art. 2 Abs. 5 BewÄndG 1965. Das FA meint, daß diese Vorschrift nur auf solche Einheitswert-Feststellungen anwendbar sei, bei denen die Fortschreibung deswegen durchgeführt werde, weil die Tierbestände nach dem BewG Betriebsvermögen, nach den §§ 33, 51 BewG 1965 jedoch land- und forstwirtschaftliches Vermögen seien. Ein solcher Sachverhalt liege hier nicht vor, weil die Tierbestände im Streitfall schon nach altem Recht zum landwirtschaftlichen Vermögen gehört hätten, und es sich nur um die Fortschreibung eines schon bestehenden Einheitswerts für land- und forstwirtschaftliches Vermögen handele.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat seine Entscheidung zutreffend damit begründet, daß es an einem Antrag des Steuerpflichtigen auf Wertfortschreibung seines Einheitswerts für den landwirtschaftlichen Betrieb fehlt. Gesetzliche Grundlage für die Fortschreibung des Einheitswerts ist im Streitfall Art. 2 Abs. 5 BewÄndG 1965. Nach Satz 1 erster Halbsatz dieser Vorschrift richtet sich bei der Feststellung von Einheitswerten nach geltendem Recht auf den 1. Januar 1965 oder einen späteren Zeitpunkt die Zugehörigkeit der Tierbestände zum landwirtschaftlichen Vermögen nach § 33 Abs. 3 Nr. 4 und § 51 BewG 1965 (die den Vorschriften des § 28 Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 39a BewÄndG 1965 entsprechen). Der Halbsatz 2 des Satzes dieser Vorschrift erklärt daher die Vorschrift des bisherigen § 29 Abs. 3 BewG für nicht mehr anwendbar. Die Vorentscheidung hat mit zutreffender Begründung ausgeführt, daß diese Vorschriften ganz allgemein nur von der Feststellung von Einheitswerten sprechen, ohne Unterschied, aus welchem Grund die Feststellung von Einheitswerten geboten ist. Eine Einschränkung dahingehend daß Wertfortschreibungen der hier vorliegenden Art zulässig bleiben sollten, läßt sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht erkennen. Auch eine Auslegung in dem Sinne, daß Art. 2 Abs. 5 BewÄndG 1965 nur auf Einheitswert-Feststellungen anwendbar sein soll, in denen ein Überbestand an Vieh als gewerbliches Betriebsvermögen bewertet worden war, ist nicht möglich. Ausgangspunkt einer jeden Auslegung einer Gesetzesnorm muß der Wortlaut des Gesetzes sein. Zwar ist hierbei nicht am Buchstaben des Gesetzes zu haften; vielmehr muß aus dem Zusammenhang des Gesetzes der wahre Wortsinn erforscht werden. Maßgebend bleibt damit der in der Vorschrift zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den er gestellt ist. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder die Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Wege nicht beseitigt werden können. Die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe ist nicht entscheidend (siehe BVerfGE 10, 234 [244], und 11, 126 [130]).
Nach Satz 2 des Abs. 5 des Art. 2 BewÄndG 1965 sind Fortschreibungen "aus diesem Grunde" auf die Stichtage 1. Januar 1965 bis 1. Januar 1967 auf Antrag und erst ab 1. Januar 1968 oder einem späteren Zeitpunkt von Amts wegen ohne Rücksicht auf Fortschreibungsgrenzen durchzuführen. Wenn das Gesetz hier von Fortschreibungen "aus diesem Grunde" spricht, so sind, wie sich aus dem Zusammenhang mit Satz 1 dieser Vorschrift ergibt, alle Fälle von Feststellungen von Einheitswerten nach bisherigem Recht gemeint, bei denen die Zugehörigkeit der Tierbestände zum landwirtschaftlichen Vermögen eine Rolle spielt. Da es sich, wie oben bereits ausgeführt, hierbei um Fälle der Wertfortschreibung innerhalb derselben Vermögensart land- und forstwirtschaftliches Vermögen handeln kann, wäre Voraussetzung für die Wertfortschreibung des Einheitswerts des landwirtschaftlichen Betriebs des Steuerpflichtigen im Streitfall, daß er selbst den Antrag auf Wertfortschreibung gestellt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.
Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, kann auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Norm nichts für eine Auslegung des Gesetzes im Sinne der vom FA vertretenen Auffassung entnommen werden. Die Vorschrift war im Regierungsentwurf noch nicht enthalten und wurde erst vom Finanzausschuß in einem Nachtrag vom 15. Juni 1965 zu seinem schriftlichen Bericht nach der ersten Lesung des Gesetzes in vorläufiger Fassung (Fortschreibung nur auf Antrag, Bundestagsdrucksache IV/3508), und sodann auf Vorschlag aller Fraktionen in der zweiten Lesung in der endgültigen Fassung in den Gesetzentwurf eingefügt (siehe Umdruck 698, Ziff. 3 = Anlage 5 zur 193. Sitzung des Bundestags). Zu der letzten Änderung wurde eine Begründung nicht gegeben. Der Gesetzgeber hatte beabsichtigt, insbesondere den kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben eine echte Veredelungschance zu geben und die Intensivierung der Veredelungsproduktion zu erleichtern (Hinweis u. a. auf Abschn. VI letzter Abs. des schriftlichen Berichts des Finanzausschusses, Bundestagsdrucksache zu IV/3508 und die Bundestagsdrucksachen IV/2154 und IV/2224 und die Bundestagsprotokolle über die zweite Beratung des Gesetzes). Mag der Gesetzgeber hierbei auch in erster Linie diejenigen Fälle im Auge gehabt haben, bei denen die Überstände an Vieh bisher als gewerbliches Betriebsvermögen behandelt und damit der Gewerbe- und Umsatzsteuer unterworfen waren, so ist diese Absicht jedoch nicht Gesetz geworden, wie oben ausgeführt wurde. Auch der Umstand, daß gleichzeitig für die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer eine nahezu gleichlautende Regelung getroffen wurde, die mit der im neuen Bewertungsrecht (§ 51 BewG 1965) getroffenen Regelung im wesentlichen übereinstimmt, vermag angesichts des klaren Wortlauts des Art. 2 Abs. 5 BewÄndG 1965 nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen.
Bei dieser Rechtslage braucht der Senat auf das weitere Vorbringen der Beteiligten und die in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Ausführungen nicht mehr einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 69277 |
BStBl II 1971, 46 |
BFHE 1971, 119 |