Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Fortführung der erhöhten Absetzungen des Rechtsvorgängers durch den Rechtsnachfolger bei unentgeltlichem Erwerb eines selbstgenutzten Einfamilienhauses nach 1986
Leitsatz (NV)
Wer nach 1986 unentgeltlich ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Einfamilienhaus erwirbt, kann die vom Rechtsvorgänger in Anspruch genommenen erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG nicht fortführen. § 11 d EStDV ist weder direkt noch analog anwendbar.
Normenkette
EStG §§ 7b, 52 Abs. 21 S. 4; EStDV § 11d
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1988 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Eltern des Klägers errichteten im Jahre 1986 auf einem ihnen gemeinsam gehörenden Grundstück ein Einfamilienhaus, das sie nach Bezugsfertigkeit im Oktober 1986 dem Kläger unentgeltlich zur Nutzung überließen.
Im November 1987 starb der Vater des Klägers. Er wurde aufgrund eines Eheund Erbvertrages von der Mutter des Klägers allein beerbt. Durch notariellen Vertrag vom 8. Dezember 1987 übertrug die Mutter das Grundstück unentgeltlich auf den Kläger.
Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Grundstück waren im Veranlagungszeitraum 1986 nach § 21 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt worden. Neben erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG hatten die Eltern des Klägers den erweiterten Schuldzinsenabzug nach § 21 a Abs. 4 EStG in Anspruch genommen. Im Veranlagungszeitraum 1987 waren bei der Einkommensteuerveranlagung der Eltern die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge sowie Schuldzinsen gemäß § 52 Abs. 21 Sätze 4 und 5 EStG wie Sonderausgaben berücksichtigt worden.
In der Einkommensteuererklärung 1988 beantragte der Kläger, den erhöhten Absetzungen entsprechende Beträge sowie Schuldzinsen zum Abzug wie Sonderausgaben zuzulassen. Aufgrund der Übertragung des Grundstücks im Wege vorweggenommener Erbfolge sei er berechtigt, die erhöhten Absetzungen der Rechtsvorgänger fortzuführen und auch die Schuldzinsen abzuziehen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug ab. Der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 1988 war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte nur die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge. Es war der Auffassung, bei den nach § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben abziehbaren Beträgen handle es sich dem Grunde nach nicht um Sonderausgaben, sondern um erhöhte Absetzungen, die nur für Zwecke der Steuerfestsetzung zu einem Abzug wie Sonderausgaben führten. Daher sei § 11 d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) anwendbar, so daß auch der Kläger als Einzelrechtsnachfolger der Mutter die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge wie Sonderausgaben abziehen könne. Der Schuldzinsenabzug scheitere dagegen schon daran, daß für Schuldzinsen eine dem § 11 d EStDV entsprechende Vorschrift fehle. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 517 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 7 b i. V. m. § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG und § 11 d EStDV.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Er führt aus: Ab 1987 könnten die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge wie Sonderausgaben abgezogen werden, wenn bei einer Wohnung im eigenen Haus bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen vorgelegen hätten. Das sei hier nicht der Fall, weil der Kläger die eigene Wohnung erst nach dem 31. Dezember 1986 von seiner Mutter erhalten habe. Nach Auffassung der Finanzverwaltung dürfe nur der Gesamtrechtsnachfolger den Sonderausgabenabzug nach § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG vornehmen, nicht aber der Einzelrechtsnachfolger. Eine analoge Anwendung des § 11 d EStDV komme nicht in Betracht.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit das FG die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge berücksichtigt hat, und zur uneingeschränkten Abweisung der Klage.
1. Entgegen der Auffassung des FG berechtigt § 11 d EStDV den Einzelrechtsnachfolger, der ein nach 1986 unentgeltlich übertragenes Grundstück zu eigenen Wohnzwecken nutzt, nicht zur Fortführung der erhöhten Absetzungen des Rechtsvorgängers.
a) Nach § 7 b Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Bauherr bei einem vor dem 1. Januar 1987 hergestellten Einfamilienhaus im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden sieben Jahren - abweichend von § 7 Abs. 4 und 5 EStG - bis zu 5 v. H. der Herstellungskosten (bei einem Einfamilienhaus höchstens 10 000 DM) absetzen. Da die erhöhten Absetzungen an die Stelle der Absetzungen von § 7 EStG treten, muß auch die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG erfüllt sein, daß der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einkünften nutzt. Absetzungen für Abnutzung (AfA) und erhöhte Absetzungen können daher grundsätzlich nur im Rahmen einer Einkunftsart als Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden.
Bis zum Veranlagungszeitraum 1986 gehörte zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus. Folglich waren bis zu diesem Zeitpunkt auch bei selbstgenutzten Einfamilienhäusern erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG als Werbungskosten abziehbar. Ab dem Veranlagungszeitraum 1987 wird der Nutzungswert des selbstgenutzten Einfamilienhauses nicht mehr versteuert (§ 52 Abs. 21 Satz 1 i. V. m. §§ 21 Abs. 2, 21 a EStG). Wer nach dem 31. Dezember 1986 ein Einfamilienhaus zu eigenen Wohnzwecken nutzt, verwirklicht daher keine Einkunftsart mehr und kann somit keine erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG beanspruchen.
Das gilt nach dem Urteil des Senats vom 7. August 1991 X R 116/89 (BFHE 165, 267) auch für den Einzelrechtsnachfolger, der nach 1986 ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Einfamilienhaus unentgeltlich erworben hat. Denn § 11 d EStDV enthält keine selbständige Anspruchsgrundlage für den Abzug von AfA oder erhöhten Absetzungen, sondern regelt entsprechend der Ermächtigung in § 51 Abs. 1 Nr. 2 p EStG lediglich die Bemessungsgrundlage und den Abzugszeitraum für die Absetzungen des Rechtsnachfolgers. Ebenso wie der Bauherr oder der Erwerber kann der Rechtsnachfolger erhöhte Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er das unentgeltlich erworbene Wirtschaftsgut zur Einkünfteerzielung einsetzt (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Dezember 1990 XI R 15/89, BFH/NV 1991, 450).
Da der Kläger das Einfamilienhaus im Streitjahr 1987 zu eigenen Wohnzwecken genutzt und somit nach der für diesen Veranlagungszeitraum geltenden Rechtslage keine Einkunftsart verwirklicht hat, stehen ihm keine erhöhten Absetzungen zu.
b) Ebensowenig dürfen die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge wie Sonderausgaben berücksichtigt werden. Diese Befugnis haben nach § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG nur Steuerpflichtige, bei denen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen vorgelegen haben. Einen solchen Abzug hätte nur die Mutter des Klägers geltend machen können, sofern sie nach 1986 das Einfamilienhaus zu eigenen Wohnzwecken genutzt hätte, nicht aber der Kläger, der nie zur Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen berechtigt war.
c) Der Sonderausgabenabzug steht dem Kläger auch nicht - wie zum Teil in der Literatur vertreten wird (z. B. Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 10 e Anm. 6 d m. w. N.) - aufgrund analoger Anwendung des § 11 d EStDV zu. Eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes, die zu einer Analogie zugunsten des Klägers berechtigen würde, liegt nicht vor. Es gibt keinen übergeordneten einkommensteuerrechtlichen Grundsatz, nach dem der Einzelrechtsnachfolger mit dem Einrücken in die zivilrechtliche Rechtsstellung des Rechtsvorgängers auch dessen steuerliche Vergünstigung weiterführen kann. Grund für die Berechtigung des Einzelrechtsnachfolgers, bei unentgeltlichem Erwerb die AfA des Rechtsvorgängers fortzuführen, ist der Einsatz des Wirtschaftsguts zur Einkünfteerzielung. Wird das unentgeltlich erworbene Wirtschaftsgut - wie im Streitfall - privat verwendet, ist dieses Tatbestandsmerkmal nicht verwirklicht.
Die Regelung in § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG, nach der es dem Erwerber oder Bauherrn eines zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses gestattet ist, die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge wie Sonderausgaben abzuziehen, ist aus Gründen des Vertrauensschutzes in das Gesetz aufgenommen worden. Eigentümer eines Einfamilienhauses, die 1986 erhöhte Absetzungen in Anspruch nehmen konnten, sollten durch den Wegfall der Nutzungswertbesteuerung nicht die ihnen bis zum Ablauf des Begünstigungszeitraums zustehenden erhöhten Absetzungen verlieren. Dieser Vertrauensschutz ist aber nicht geboten für Steuerpflichtige, die nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung ein Grundstück unentgeltlich erwerben. Diese Personen haben weder Einkünfte erzielt noch hierfür Aufwendungen getätigt.
Fundstellen
Haufe-Index 418096 |
BFH/NV 1992, 296 |