Entscheidungsstichwort (Thema)
Kommanditistenhaftung in der Insolvenz
Leitsatz (redaktionell)
Ein Kommanditist haftet für die Gewerbesteuer der Gesellschaft, die durch die Gewinnzurechnung beim Wechsel von der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich zur Gewinnermittlung nach Tonnage vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft entstanden ist.
Normenkette
HGB §§ 129, 171-172; EStG § 5a Abs. 4 S. 3 Nr. 2; GewStG § 5 Abs. 1; InsO §§ 39, 55; AO § 191
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Januar 2020 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Rz. 1
Die Revision ist zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht mehr vor und die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg, § 552a Satz 1 ZPO. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 13. Oktober 2020 Bezug genommen. Die Stellungnahme des Beklagten vom 11. Januar 2021 gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass.
Rz. 2
1. Soweit sich der Beklagte gegen die Feststellung des Senats wendet, dass es für die Entscheidung nicht darauf ankommt, ob die Kommanditisten für Masseverbindlichkeiten und Massekosten haften, zeigt er das Gegenteil nicht auf.
Rz. 3
a) Dem Kommanditisten steht gegenüber dem Insolvenzverwalter der Einwand zu, dass das von ihm Geforderte zur Tilgung der Gesellschaftsschulden, für die er haftet, nicht erforderlich ist. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür hat der in Anspruch genommene Gesellschafter; jedoch hat der Insolvenzverwalter die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen, sofern nur er dazu im Stande ist (BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 21 mwN).
Rz. 4
Der Kommanditist kann gegen seine Inanspruchnahme entsprechend § 422 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB einwenden, dass durch Zahlungen anderer Kommanditisten der zur Deckung der von der Haftung erfassten Gesellschaftsschulden nötige Betrag bereits aufgebracht wurde. Die Höhe der bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingegangenen Rückzahlungen der Kommanditisten ist deshalb ein für die Gläubigerbefriedigung bedeutsamer Umstand, dessen Darlegung typischerweise nur dem Insolvenzverwalter möglich ist (BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 25; Urteil vom 10. November 2020 – II ZR 132/19, WM 2020, 2372 Rn. 24).
Rz. 5
Dieser Darlegungslast ist der Kläger nachgekommen. Ohne Erfolg wendet der Beklagte hiergegen ein, der Kläger habe nur zu einem zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung liegenden Stand vorgetragen. In der Bezugnahme des Klägers auf diesen Vortrag durch Antragstellung in der mündlichen Verhandlung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. April 1981 – VIII ZR 157/80, WM 1981, 798; Urteil vom 7. Dezember 1995 – III ZR 141/93, NJW-RR 1996, 379; Urteil vom 12. März 2004 – V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 281 mwN; Beschluss vom 13. Dezember 2012 – III ZR 282/11, ZIP 2013, 239 Rn. 13) liegt die Behauptung, diese Zahlen seien im Wesentlichen noch aktuell. Erhebliche Veränderungen dieser Zahlen bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung legt der Beklagte nicht dar.
Rz. 6
b) Ohne Erfolg bleibt insoweit auch der Einwand des Beklagten, der Bundesfinanzhof (vgl. BFHE 241, 233 Rn. 22) ordne die auf der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrages nach § 5a Abs. 4 EStG beruhende Gewerbesteuer als nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Masseverbindlichkeit ein. Der Senat hat mit Urteil vom 15. Dezember 2020 entschieden, dass sich die persönliche Haftung des Kommanditisten nach §§ 171, 172, 161 Abs. 2, § 128 HGB auf solche Gewerbesteuerforderungen erstreckt (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 24 ff. z.V.b. in BGHZ). Im Übrigen beruft sich der Beklagte selbst auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 25. Oktober 2018 (BFHE 263, 22 Rn. 31, 53) wonach der Wechsel des Besteuerungsregimes eine Zäsur darstelle, die wie eine fiktive Entnahme der von dem Wechsel betroffenen Wirtschaftsgüter, hier u.a. des Handelsschiffs, wirke. Die dadurch grundsätzlich bedingte sofortige Gewinnrealisierung werde durch die in § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 bis 3 EStG normierte Gewinnhinzurechnung vergleichbar einer Stundung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Wie eine entstandene aber gestundete Forderung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Haftung der Gesellschafter entzogen worden sein soll, begründet der Beklagte nicht.
Rz. 7
2. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte auf die Verjährung der zur Zeit seiner nur mittelbaren Beteiligung über einen Treuhandkommanditisten die Haftung begründenden Ausschüttungen, weil für Rückgriffsansprüche auf den Treugeber die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist gelte (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2010 – III ZR 209/09, BGHZ 185, 310 Rn. 20 ff.). Der Neukommanditist haftet bis zur Höhe der eingetragenen Haftsumme gemäß § 173 Abs. 1, § 172 Abs. 4, § 171 Abs. 1 HGB, soweit die Kommanditeinlage im Zeitpunkt der Übertragung noch nicht erbracht oder zurückbezahlt worden ist (BGH, Urteil vom 26. März 2019 – II ZR 413/18, ZIP 2019, 965 Rn. 19; vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2020 – II ZR 20/19, ZIP 2020, 2236 Rn. 9). Dieser Anspruch unterliegt der Verjährung nach § 159 HGB (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 62 z.V.b. in BGHZ). Dass die Landgerichte Berlin und Düsseldorf dies, wie der Beklagte behauptet, anders gesehen haben, begründet keinen Zulassungsgrund.
Rz. 8
3. Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte gegen die Verneinung eines Zulassungsgrunds im Hinblick auf die Haftung des Beklagten für nachrangige Insolvenzforderungen im Sinne von § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Der Senat hat bereits entschieden, dass es sich dabei um Nebenforderungen zu Insolvenzforderungen handelt, die wie die Hauptforderung der Haftung der Gesellschafter unterliegen (BGH, Urteil vom 10. November 2020 – II ZR 89/19, juris Rn. 30; Urteil vom 10. November 2020 – II ZR 132/19, WM 2020, 2372 Rn. 30; Urteil vom 17. November 2020 – II ZR 68/20, juris Rn. 18). Der Beklagte begründet nicht, warum die vorinsolvenzlich bestehende Haftung für Nebenforderungen gerade in der Krise der Gesellschaft ausgeschlossen sein soll, in der sie sich bewähren muss. Das umgeht entgegen der Revision auch nicht „den Grundsatz der Erforderlichkeit der Inanspruchnahme”; vielmehr ist die Inanspruchnahme erforderlich, solange nicht alle Forderungen einschließlich der Nebenforderungen befriedigt werden können. Ob nachrangige Forderungen mit den eingezogenen Mitteln tatsächlich befriedigt werden müssen, oder ob der Kläger berechtigt ist, mit den von den Kommanditisten eingezogenen Geldern vorrangige Forderungen zu tilgen, für die diese nicht haften (offen gelassen in BGH, Urteil vom 24. September 2009 – IX ZR 234/07, ZIP 2009, 2204 Rn. 25; Urteil vom 17. Dezember 2015 – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227 Rn. 11; Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 30; für Altkommanditisten verneinend: BGH, Urteil vom 20. März 1958 – II ZR 2/57, BGHZ 27, 51, 57), kann offen bleiben.
Rz. 9
4. Der Beklagte bezieht sich schließlich auch ohne Erfolg auf seinen im Berufungsverfahren erhobenen Einwand, die nachrangigen Forderungen seien im Hinblick auf Zins und Fälligkeit nicht hinreichend substantiiert. Aufgrund der Wirkung der Feststellung der Forderungen zur Tabelle nach § 178 Abs. 3 InsO gegenüber dem Kommanditisten gemäß § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 21 ff.) ist es unerheblich, ob die Fälligkeit aus § 41 InsO oder einer Kündigung der Darlehen folgt (BGH, Urteil vom 10. November 2020 – II ZR 132/19, WM 2020, 2372 Rn. 19; Beschluss vom 12. Januar 2021 – II ZR 206/19, juris Rn. 4).
Unterschriften
Drescher, Wöstmann, Born, Bernau, V. Sander
Fundstellen
BFH/NV 2021, 926 |
HFR 2021, 1043 |
KSI 2021, 200 |