Leitsatz (amtlich)
a) Eine qualifizierte Nachrangabrede steht der Qualifikation des Rückzahlungsanspruchs als unbedingt i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG nur dann entgegen, wenn die Abrede wirksam ist.
b) Zur fehlenden Transparenz einer in einem Vermögensanlagevertrag enthaltenen Rangrücktrittsklausel.
Normenkette
BGB § 307 Bl, § 823 Bf; KWG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 32 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 22.02.2018; Aktenzeichen 3 S 1/17) |
AG Berlin-Spandau (Urteil vom 05.12.2016; Aktenzeichen 6 C 364/16) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Berlin vom 22.2.2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt den Beklagten im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Der Beklagte war Mitglied des Vorstands der G. AG (nachfolgend: G.). Die G. bot zunächst ein Anlagemodell an, wonach der Anleger der G. seine Ansprüche aus Versicherungen, insb. Lebensversicherungen, verkaufen sollte. Der Kaufpreis sollte das Doppelte des Rückkaufwertes betragen und, je nach vereinbartem Modell, innerhalb eines Zeitraums von sechs bis zehn Jahren durch Kombination von Sofort-, Raten- und/oder Schlusszahlungen erbracht werden. Über eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG verfügte die G. nicht.
Rz. 3
Am 6.7.2009 kaufte die G. die Rechte der Klägerin aus zwei Lebensversicherungsverträgen, deren Rückkaufswerte 5.711,55 EUR bzw. 1.607,66 EUR betrugen. Spätestens im Jahr 2010 gelangte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu der Auffassung, dass das betriebene Anlagemodell erlaubnispflichtig sei. Sie hörte die G. hierzu im Februar 2011 an. Am 17.3.2011 vereinbarte die G. mit der Klägerin, die geschlossenen Kaufverträge rückwirkend aufzuheben und in ein Rückgewährschuldverhältnis umzuwandeln. Die Rückabwicklungsverträge sahen die Überweisung der Differenz zwischen den von der G. realisierten Rückkaufswerten und den zwischenzeitlich von ihr erbrachten Zahlungen i.H.v. 925,32 EUR bzw. 260,40 EUR alternativ auf ein Konto der Klägerin oder auf das Konto eines Treuhänders vor. Die Klägerin entschied sich für Letzteres und wies den Treuhänder an, die Rückzahlungsbeträge von 4.786,23 EUR bzw. 1.347,26 EUR zur Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen aus - ebenfalls am 17.3.2011 mit der G. geschlossenen - Vermögensanlageverträgen an diese zu überweisen.
Rz. 4
Die Vermögensanlageverträge enthalten u.a. folgende Regelungen:
Anlagebetrag: 4.786,23 EUR [bzw. 1.347,26 EUR] Laufzeit: 108 Monate. Zinssatz: 13,340 % p.a. [bzw. 13,336 % p.a.] Zinsberechnung: Die Zinsen werden nach der ISMA-Regel 251 pro rata temporis taggenau berechnet. Zinszahlung: Monatlich nachträglich. Tilgung: (i) Monatliche Tilgung i.H.v. 5,993 % p.a. [bzw. 5,992 % p.a.] des Anlagebetrages für die Dauer von 108 Monaten (die "Laufende Tilgung") und (ii) einmalige Schlusszahlung i.H.v. 2.170,39 EUR [bzw. 610,91 EUR] am Ende der Laufzeit. Die Laufenden Tilgungen werden zusammen mit den Zinszahlungen ausgezahlt. Rangrücktritt: Zur Vermeidung einer etwaigen Überschuldung der Gesellschaft tritt der Kunde mit seinen Forderungen aus diesem Vermögensanlagevertrag (der "Vertrag") hinter alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen anderer Gläubiger der Gesellschaft, die nicht ebenfalls im Rang zurückgetreten sind, zurück. Zahlungen auf Forderungen des Kunden aus diesem Vertrag sind lediglich aus einem künftigen Jahres- oder Liquidationsüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen der Gesellschaft zu leisten. Die Ansprüche des Kunden aus diesem Vertrag sind mit den Ansprüchen anderer Gläubiger der Gesellschaft, die ebenfalls im Rang zurückgetreten sind, gleichrangig. Dies gilt auch für den Fall der Insolvenz der Gesellschaft.
Rz. 5
Auch für dieses Vermögensanlagegeschäft verfügte die G. nicht über eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG. Bis November 2014 zahlte die G. an die Klägerin weitere 4.446,45 EUR. In der Folgezeit wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. eröffnet.
Rz. 6
Die Klägerin begehrt - soweit im Revisionsverfahren von Interesse - Ersatz ihres Schadens i.H.v. 1.687,04 EUR (Rückkaufswert abzgl. erhaltener Zahlungen) Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus den abgeschlossenen Kaufverträgen sowie die Feststellung, dass die Verbindlichkeit des Beklagten auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht.
Rz. 7
Das AG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das LG hat das amtsgerichtliche Urteil auf die Berufung des Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 8
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin gegen den Beklagten keine Schadensersatzansprüche zu. Da die ursprünglichen Kaufverträge rückabgewickelt worden seien, komme es allein auf die im Jahr 2011 abgeschlossenen Vermögensanlageverträge an. Einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 32 Abs. 1, 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG, § 14 Abs. 1 StGB stehe entgegen, dass die von der G. angenommenen Anlagebeträge angesichts der in den Vermögensanlageverträgen enthaltenen Rangrücktrittsklausel nicht - wie in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG vorausgesetzt - unbedingt rückzahlbar seien. Die Klausel begründe einen qualifizierten Rangrücktritt mit insolvenzverhindernder Funktion, da sie eine Rückzahlung ausschließe, solange und soweit diese eine Insolvenzeröffnung zur Folge hätte. Zwar enthalte die Klausel keine ausdrückliche Formulierung in diesem Sinne. Wenn Zahlungen aber, wie in der Klausel geregelt sei, nur aus einem künftigen Jahres- oder Liquidationsüberschuss zu leisten seien, seien sie zwangsläufig auch dann ausgeschlossen, wenn sie zu einem Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen würden. Eine etwaige AGB-rechtliche Unwirksamkeit der Rangrücktrittsklausel sei unerheblich.
Rz. 9
Sei man anderer Auffassung, bestände ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten, da die Rangrücktrittsklausel unwirksam sei und die angenommenen Gelder deshalb unbedingt rückzahlbar seien. Zwar sei die Klausel nicht überraschend i.S.v. § 305c BGB. Sie halte aber einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand, da sie gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, einem tragenden Prinzip des Insolvenzrechts, und damit gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung verstoße.
Rz. 10
Die G. habe das mit dem Ankauf der Versicherungen und anderen Anlagen verbundene Einlagengeschäft gewerbsmäßig i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG betrieben, da die Investitionen der durch den Verkauf der Versicherungen erzielten Gewinne auf Dauer angelegt und mit einer Gewinnerzielungsabsicht verbunden gewesen seien. Der Beklagte habe auch vorsätzlich gehandelt. Für die Annahme des Vorsatzes genüge es, dass der Schuldner die tatsächlichen Umstände des Geschäfts und dessen Umfang kenne. Aufgrund der organschaftlichen Stellung des Beklagten sei davon auszugehen, dass er Kenntnis von dem Anlagekonzept gehabt habe. Der Beklagte sei auch keinem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlegen. Er habe keine Umstände vorgetragen, die einen solchen Verbotsirrtum begründen könnten.
II.
Rz. 11
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 32 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 KWG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht verneint werden.
Rz. 12
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Bestimmung des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers darstellt (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 16.10.2018 - VI ZR 459/17 VersR 2019, 176 Rz. 7; v. 16.5.2017 - VI ZR 266/16 VersR 2017, 1091 Rz. 12).
Rz. 13
2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die aufgrund der Vermögensanlageverträge zwischen der Klägerin und der G. vom 17.3.2011 durchgeführten Anlagegeschäfte seien nicht als Bankgeschäfte i.S.d. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG zu qualifizieren.
Rz. 14
a) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG bedarf der schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will. Dabei ist unter einem Bankgeschäft die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums zu verstehen, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG).
Rz. 15
b) Wie die Revision zu Recht geltend macht, hat die G. durch Annahme der auf Veranlassung der Klägerin von dem Treuhänder überwiesenen Anlagebeträge Bankgeschäfte im Sinne der Alt. 2 des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG betrieben. Die von ihr angenommenen Gelder waren insb. unbedingt rückzahlbar im Sinne dieser Bestimmung. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führte die in den Vermögensanlageverträgen enthaltene Rangrücktrittsklausel nicht zu einer lediglich bedingten Rückzahlungspflicht. Denn diese Klausel ist wegen Verstoßes gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB normierte Transparenzgebot unwirksam.
Rz. 16
aa) Unbedingt rückzahlbar sind solche Gelder, die der Kapitalgeber nach den konkreten vertraglichen Vereinbarungen bei Fälligkeit ohne zusätzliche Voraussetzung - insb. unabhängig vom Geschäftserfolg des Kapitalnehmers (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2015 - VI ZR 569/13 VersR 2015, 726 Rz. 15 m.w.N.) - jederzeit wieder zurückfordern kann (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.2018 - VI ZR 459/17 VersR 2019, 176 Rz. 12; v. 10.7.2018 - VI ZR 263/17 VersR 2018, 1400 Rz. 21; BGH, Urt. v. 26.3.2018 - 4 StR 408/17, NJW 2018, 1486 Rz. 19, m.w.N.). Hieran fehlt es jedenfalls dann, wenn zwischen dem Kapitalgeber und dem Kapitalnehmer eine sog. qualifizierte Nachrangabrede des Inhalts getroffen wird, dass die Forderung des Kapitalgebers außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus ungebundenem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen sämtlicher normaler Insolvenzgläubiger befriedigt werden darf, der für den Fall der Insolvenz erklärte Rangrücktritt also mit einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre verbunden wird (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2018 - VI ZR 263/17 VersR 2018, 1400 Rz. 21; BGH, Urt. v. 26.3.2018 - 4 StR 408/17, NJW 2018, 1486 Rz. 19, m.w.N.; Bitter, ZIP 2015, 345 f.; Gehrlein, WM 2017, 1385 f.; Poelzig, WM 2014, 917, 919; Primozic/Schaaf, ZInsO 2014, 1831).
Rz. 17
bb) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, zielt die in den Vermögensanlageverträgen enthaltene Nachrangklausel auf eine solche Wirkung ab. Denn sie enthält sowohl einen Rangrücktritt des Kapitalgebers als auch die Bestimmung, dass Zahlungen auf Forderungen des Kunden lediglich aus einem künftigen Jahres- oder Liquidationsüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen der Gesellschaft zu leisten seien. Dabei kann offen bleiben, ob die Klausel die beabsichtigte Wirkung einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre in letzter Konsequenz erreicht oder ob sie - so die Revision - angesichts der Verwendung des Begriffs des Jahresüberschusses unter bestimmten Umständen, beispielsweise im Fall von Verlustvorträgen (vgl. Frystatzki, NZI 2013, 609, 613), Tilgungen ermöglicht, ohne dass die sonstigen Verbindlichkeiten gedeckt sind, und damit den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Kapitalnehmers nicht in jedem Fall verhindert. Ebenso offenbleiben kann, ob der Rückzahlungsanspruch des Kapitalgebers - wie die Revision meint - im zuletzt genannten Fall als unbedingt i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 KWG zu qualifizieren wäre, oder ob einer solchen Beurteilung nicht der Umstand entgegensteht, dass die Klausel eine Zahlung auch in diesem Fall vom Unternehmenserfolg des Kapitalnehmers abhängig macht.
Rz. 18
cc) Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Umstand, dass die Rangrücktrittsvereinbarung AGB-rechtlich unwirksam ist, im vorliegenden Zusammenhang nicht unerheblich. Vielmehr steht eine qualifizierte Nachrangabrede der Qualifikation des Rückzahlungsanspruchs als unbedingt nur dann entgegen, wenn die Abrede wirksam ist. Stellt sich die in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Abrede dagegen als überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB dar und wurde sie deshalb nicht Vertragsbestandteil oder hält sie der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand, vermag sie eine entsprechende Wirkung nicht zu entfalten (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2018 - VI ZR 263/17 VersR 2018, 1400 Rz. 22; BGH, Urt. v. 26.3.2018 - 4 StR 408/17, NJW 2018, 1486 Rz. 20 ff., 32).
Rz. 19
dd) So verhält es sich im Streitfall. Dabei kann offenbleiben, ob die in den Vermögensanlageverträgen enthaltene Rangrücktrittsklausel überraschend und deshalb gem. § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden ist. Denn die Klausel ist unwirksam, weil sie den Anforderungen des Transparenzgebots (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht genügt.
Rz. 20
(1) Die Parteien wenden sich nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass es sich bei der Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Diese Annahme lässt auch keine Rechtsfehler erkennen.
Rz. 21
(2) Die Rangrücktrittsklausel hält einer Inhaltskontrolle nicht stand (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die in diesem Zusammenhang erforderliche Auslegung der Klausel kann der Senat ungeachtet der Frage, ob die Klausel über den räumlichen Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendet wird, selbst vornehmen (vgl. BGH, Urt. v. 9.4.2014 - VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rz. 25).
Rz. 22
(a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Dies gilt auch für die Bestimmungen zu den Hauptleistungspflichten (§ 307 Abs. 3 Satz 2 BGB; BGH, Urt. v. 6.12.2018 - IX ZR 143/17 WM 2019, 592 Rz. 35).
Rz. 23
Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen (BGH, Urt. v. 17.7.2018 - VI ZR 274/17 VersR 2018, 1460 Rz. 9; v. 14.3.2017 - VI ZR 721/15, BGHZ 214, 204 Rz. 23, jeweils m.w.N.). Er muss einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2015 - VIII ZR 104/14 WM 2015, 1487 Rz. 16 m.w.N.). Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte und Pflichten feststellen können, damit er die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen bei Vertragsschluss hinreichend erfassen kann (BGH, Urt. v. 17.1.1989 - XI ZR 54/88, BGHZ 106, 259, 264, juris Rz. 22) und nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.2018 - IX ZR 99/17, BGHZ 218, 183 Rz. 34; v. 6.12.2018 - IX ZR 143/17 WM 2019, 592 Rz. 35; v. 5.3.2008 - VIII ZR 95/07 NJW 2008, 1438 Rz. 17; v. 26.9.2007 - VIII ZR 143/06 NJW 2007, 3632 Rz. 31 m.w.N.). Der Vertragspartner soll u.a. davor geschützt werden, infolge falscher Vorstellungen über die angebotene Leistung zu einem unangemessenen Vertragsabschluss verleitet zu werden (vgl. BGH, Urt. v. 17.1.1989 - XI ZR 54/88, BGHZ 106, 259, 264; Roloff in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 307 BGB Rz. 20; vgl. zur Bedeutung zutreffender Information für den Akt des Vertragsschlusses einerseits und die Vertragsabwicklung andererseits auch: Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rz. 326). Die eindeutige und durchschaubare Vermittlung der mit einem beabsichtigten Vertragsschluss verbundenen Rechte und Pflichten ist Voraussetzung für eine informierte Sachentscheidung (Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rz. 326). Die Klausel muss deshalb nicht nur in ihrer Formulierung verständlich sein, sondern auch die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit wie möglich verdeutlichen (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2014 - IV ZR 289/13 VersR 2015, 318 Rz. 23; Roloff in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 307 BGB Rz. 20; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rz. 325, 335, jeweils m.w.N.). Eine Intransparenz kann sich nicht nur bei einzelnen Klauseln aus ihrer inhaltlichen Unklarheit, mangelnden Verständlichkeit oder der unzureichenden Erkennbarkeit der Konsequenzen ergeben, sondern auch aus der Gesamtregelung (vgl. Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rz. 335a; Bork, ZIP 2014, 997; BAG v. 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 NZA 2008, 40, 41). Abzustellen ist dabei auf die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1988 - III ZR 188/87, BGHZ 106, 49, juris Rz. 27; v. 30.6.1995 - V ZR 184/94, BGHZ 130, 150, 154, juris Rz. 9; v. 4.4.2018 - IV ZR 104/17 VersR 2018, 532 Rz. 9). Da die G. ihre Vermögensanlage Privatanlegern angeboten hat, musste sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen so gestalten, dass auch juristisch und kaufmännisch nicht vorgebildete Kunden sie ohne besondere Erläuterung verstehen können (vgl. BGH, Urt. v. 17.1.1989 - XI ZR 54/88, BGHZ 106, 259, 264, juris Rz. 22; v. 6.12.2018 - IX ZR 143/17 NJW 2019, 1446 Rz. 36).
Rz. 24
(b) Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Klausel nicht. Sie verdeutlicht dem juristisch und kaufmännisch nicht vorgebildeten Durchschnittskunden die rechtliche Tragweite der getroffenen Nachrangabrede und die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile nicht in ausreichendem Maße.
Rz. 25
(aa) Die von der G. verwendeten Vertragsformulare zielen auf den Abschluss qualifizierter Nachrangdarlehen ab. In dem Vermögensanlagevertrag werden zunächst die typischen Vertragspflichten eines (Privat)Darlehens aufgeführt. Die Vermögensanlage wird dahingehend beschrieben, dass der Kunde der Gesellschaft einen bestimmten Anlagebetrag für eine feste Laufzeit gegen Zahlung von Zinsen überlässt, wobei die Zinszahlung monatlich nachträglich erfolgen soll. Der Anlagebetrag soll durch eine monatlich mit den Zinszahlungen zu erbringende laufende Tilgung und eine einmalige Schlusszahlung am Ende der Laufzeit zurückgeführt werden. Der auf diese Beschreibung folgende Absatz enthält sodann einen Rangrücktritt verbunden mit einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre in der Form, dass Zahlungen auf Forderungen des Kunden lediglich aus einem künftigen Jahres- oder Liquidationsüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen der Gesellschaft zu leisten sind.
Rz. 26
(bb) Die Verwendung einer derart qualifizierten Nachrangabrede in einem Darlehensvertrag verleiht dem darlehenshalber überlassenen Betrag den Charakter von Risikokapital. Sie kann dazu führen, dass sämtliche Ansprüche des Darlehensgebers aus dem Darlehen dauerhaft nicht durchsetzbar sind (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.2018 - IX ZR 143/17 ZIP 2019, 679 Rz. 32, 42; Bitter, ZIP 2015, 345, 354). Zugleich bewirkt sie eine Wesensänderung der Geldhingabe vom bankgeschäftstypischen Darlehen mit unbedingter Rückzahlungsverpflichtung hin zur unternehmerischen Beteiligung mit einer eigenkapitalähnlichen Haftungsfunktion (BaFin-Merkblatt: Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts, Stand: März 2014, NZG 2014, 379, 381; Gehrlein, WM 2017, 1385, 1387; Primozic/Schaaf, ZInsO 2014, 1831, 1835). Das darlehenshalber überlassene Geld wird zu wirtschaftlichem Eigenkapital und dient den nicht im Rang zurückgetretenen Gläubigern als Haftungsgegenstand (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.2018 - IX ZR 143/17 ZIP 2019, 679 Rz. 33; VG Frankfurt, ZIP 2015, 367, 368; Bitter, ZIP 2015, 345, 346; Poelzig, WM 2014, 917 ff.). Dem Darlehensgeber wird ein unternehmerisches Verlustrisiko auferlegt, das an sich nur das Eigenkapital trifft, ohne dass ihm zugleich die korrespondierenden Informations- und Mitwirkungsrechte eingeräumt würden, die es ihm ermöglichten, Einfluss auf die Realisierung dieses Risikos zu nehmen, insb. verlustbringende Geschäftstätigkeiten zu beenden, bevor das eingebrachte Kapital verbraucht ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.2.2014 - IX ZR 137/13 ZIP 2014, 1087 Rz. 14; v. 6.12.2018 - IX ZR 143/17, Rz. 32 f. Bitter, ZIP 2015, 345, 349; Bitter/Rauhut, ZIP 2014, 1005, 1014; Poelzig, WM 2014, 917 ff.). Mit einer solchen vertraglichen Gestaltung werden aus Sicht des Darlehensnehmers die Vorteile des Fremdkapitals (insb. keine Gewinn- und Vermögensbeteiligung, kein Einfluss auf die Unternehmensführung und keine sonstigen Mitwirkungs- und Informationsrechte) mit den Vorteilen des Eigenkapitals (Beteiligung am unternehmerischen Risiko, keine Insolvenzantragspflicht bei fehlender Möglichkeit der ohnehin verbotenen Rückzahlung) verknüpft (Bitter, ZIP 2015, 345, 351; Poelzig, WM 2014, 917). Für den Darlehensgeber bedeutet dies, dass das von ihm übernommene Risiko in gewisser Hinsicht sogar über das unternehmerische Risiko eines Gesellschafters hinausgehen kann (Bitter, ZIP 2015, 345, 349). Während die Organe der GmbH oder der Aktiengesellschaft die Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung einberufen müssen, wenn es zu einem Verlust des hälftigen Stamm- bzw. Grundkapitals gekommen ist (§ 49 Abs. 3 GmbHG, § 92 Abs. 1 AktG), und es sodann den Kapitalgebern überlassen ist zu entscheiden, ob sie die Geschäftstätigkeit gleichwohl fortsetzen und damit riskieren wollen, auch noch die zweite Hälfte des eingebrachten Kapitals aufzubrauchen, hat der Nachrangdarlehensgeber keine derartigen Informations- und Entscheidungsbefugnisse (vgl. näher Bitter, ZIP 2015, 345, 354).
Rz. 27
(cc) Diese mit der Verwendung der streitgegenständlichen Rangrücktrittsklausel verbundenen besonderen Risiken erschließen sich einem durchschnittlichen Privatanleger ohne juristische und kaufmännische Vorbildung nicht. Insbesondere die weitreichenden Auswirkungen der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre werden nicht hinreichend deutlich erläutert. Die Bestimmung macht nicht ausreichend klar und verständlich erkennbar, dass der Darlehensgeber mit der Vermögensanlage ein über das allgemeine Insolvenzausfallrisiko hinausgehendes unternehmerisches Risiko übernimmt, dessen Realisierung er mangels Mitwirkungs- und Kontrollrechten in keiner Weise beeinflussen kann. Aufgrund der unmittelbar vor der Rangrücktrittsklausel befindlichen Bestimmungen zur festen Laufzeit und zu den monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen tritt für die angesprochenen Verkehrskreise auch nicht hinreichend deutlich zutage, dass es zu einer dauerhaften Aussetzung jeglicher Zahlung kommen kann.
Rz. 28
(dd) Nach alledem kann offenbleiben, ob die Klausel auch deshalb gegen das Transparenzgebot verstößt, weil ihr die Tiefe des Rangrücktritts und die Erstreckung der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre auf die Zinsen nicht klar und unmissverständlich zu entnehmen sind (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.2018 - IX ZR 143/17 NJW 2019, 1446 Rz. 36; Gehrlein, WM 2017, 1385, 1387 f.; Bork, ZIP 2014, 997, 1001 f.).
III.
Rz. 29
Das Berufungsurteil war aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Rz. 30
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Frage, ob die Verbindlichkeit des Beklagten auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht, lediglich festgestellt, der Beklagte habe Kenntnis von dem streitgegenständlichen Anlagekonzept gehabt. Dies trägt bereits nicht die Beurteilung, der Beklagte habe in Bezug auf das Betreiben erlaubnispflichtiger Bankgeschäfte Vorsatz aufgewiesen. Zwar hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass die rechtlich richtige Beurteilung der normativen Tatbestandsmerkmale des § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG nicht zum Tatvorsatz gehört. Erforderlich ist aber, dass der Täter die dem Gesetz entsprechende Wertung im Wege einer "Parallelwertung in der Laiensphäre" nachvollzieht. Dies setzt voraus, dass er die Tatsachen kennt, die dem normativen Begriff zugrunde liegen, und auf der Grundlage dieses Wissens den sozialen Sinngehalt des Tatbestandsmerkmals richtig begriffen, d.h. den Bedeutungssinn des Bankgeschäfts als normatives Tatbestandsmerkmal zutreffend erfasst hat (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.2012 - VI ZR 166/11 VersR 2012, 1038 Rz. 20 ff.; v. 16.5.2017 - VI ZR 266/16 VersR 2017, 1091 Rz. 16, 21 ff.; v. 30.7.2019 - VI ZR 486/18, juris Rz. 27; BGH, Urt. v. 24.9.1953 - 5 StR 225/53, BGHSt 4, 347, 352, juris Rz. 19; vom 3.4.2008 - 3 StR 394/07, BGHR StGB § 17 Vermeidbarkeit 8 Rz. 30; vom 26.3.2018 - 4 StR 408/17, NJW 2018, 1486 Rz. 34; vom 18.7.2018 - WM 2018, 2038 Rz. 8).
Rz. 31
Abgesehen davon wäre eine vorsätzliche Verletzung des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG für sich genommen nicht ausreichend, um die geltend gemachte Forderung - wie von der Klägerin begehrt - als eine solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung i.S.v. § 302 Nr. 1 InsO zu qualifizieren und die Nachhaftung des Schuldners zu rechtfertigen. Hierfür genügt es nicht, dass eine vorsätzliche Handlung adäquat kausal zu einem Schaden geführt hat. Vielmehr muss auch die Verletzungsfolge vom Vorsatz umfasst sein (vgl. BGH, Urt. v. 21.6.2007 - IX ZR 29/06 WM 2007, 1620 Rz. 10; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 302 Rz. 3 [Stand Juni 2019]; Waltenberger in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 9. Aufl., § 302 Rz. 7).
Fundstellen
Haufe-Index 13553902 |
BB 2019, 2881 |
BB 2019, 2960 |
DB 2019, 2740 |
DStR 2019, 12 |