Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch eines Unterhaltsberechtigten auf Erstattung von Kosten, die ihm durch die Zustimmung zum steuerlichen Realsplitting entstehen (hier: Kosten eines Steuerberaters).
Normenkette
BGB § § 1569 ff., § 242; EStG 1979 § 10 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Februar 1987 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien waren Eheleute. Der Kläger hat der Beklagten seit 1980 zuerst Trennungs- und für die Zeit ab 28. Mai 1984 Geschiedenenunterhalt von monatlich 1.000 DM gewährt. Er hat sie aufgefordert, für die Jahre 1982, 1983 und 1984 dem sogenannten begrenzten Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzustimmen. Die Beklagte, die Hausfrau ist und mit ihren beiden Kindern ein ihr gehörendes, mit Grundpfandrechten belastetes Einfamilienhaus bewohnt, hat von dem Kläger die Abgabe einer schriftlichen Erklärung verlangt, daß er sich „verbindlich verpflichte, Frau … (die Beklagte) von sämtlichen steuerlichen Nachteilen freizustellen, die ihr dadurch entstehen, daß sie (dem) Antrag an das Finanzamt … auf Abzug von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben (Realsplitting) zustimmt”. Der Kläger hat der Beklagten eine schriftliche Erklärung übermittelt, die dem vorstehenden Wortlaut entspricht, darüber hinaus aber noch folgenden Absatz enthält.
„Diese Freistellung gilt nur für solche steuerliche Nachteile, die meine geschiedene Ehefrau … nicht selbst verschuldet. Sie hat in ihren Erklärungen gegenüber dem Finanzamt … sämtliche Steuervorteile auszunutzen (Abschreibungen, Freibeträge etc.)”.
Darauf hat die Beklagte ihre Zustimmung zum begrenzten Realsplitting davon abhängig gemacht, daß der Kläger ihr (auch) die Kosten für die Einschaltung eines Steuerberaters bei der Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung erstatte. Das hat der Kläger abgelehnt und sie darauf verwiesen, sich beim Finanzamt beraten zu lassen. Seiner erneuten Aufforderung, ihre Zustimmung zu erteilen, ist die Beklagte nicht nachgekommen und hat die „Anlage U” zur Einkommensteuererklärung des Klägers nicht unterzeichnet. Deshalb hat der Kläger sie, auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er hat vorgetragen, infolge ihrer Weigerung habe er für die Jahre 1982 bis 1984 insgesamt 6.870 DM höhere Steuern sowie Verspätungszuschläge von 60 DM zahlen müssen. Außerdem hat er gestaffelte Zinsen aus diesen Beträgen sowie vorgerichtliche Portoauslagen von 2,80 DM geltend gemacht.
Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 6.932 DM nebst 4% Zinsen seit 10. Oktober 1985 verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen (das Urteil ist in FamRZ 1987, 1046 abgedruckt). Hiergegen hat der Kläger (zugelassene) Revision eingelegt, mit der er die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers verneint, weil die Beklagte ihre aus § 242 BGB herzuleitende unterhaltsrechtliche Nebenpflicht, dem begrenzten Realsplitting zuzustimmen, nicht verletzt habe. Diese Pflicht bestehe nur, wenn gewährleistet sei, daß dem Berechtigten der ihm zustehende Nettounterhalt im Ergebnis ungeschmälert verbleibe. Davon könne hier nicht ausgegangen werden, weil der Kläger die Übernahme der Kosten eines Steuerberaters verweigert habe. Dessen Inanspruchnahme, deren Vergütung aus ihrem laufenden Unterhalt der Beklagten nicht zuzumuten gewesen sei, habe ihr aber nicht verwehrt werden können. Sie lebe in einfachen Verhältnissen, sei seit Jahren Hausfrau und habe keinerlei Erfahrungen in geschäftlichen oder steuerrechtlichen Angelegenheiten. Unter diesen Umständen habe sie sich angesichts des Inhalts der vom Kläger verfaßten Freistellungserklärung ohne die Konsultation eines Steuerberaters überfordert fühlen dürfen. Welche Steuervorteile für sie im einzelnen in Betracht gekommen seien, habe die Beklagte, die gemeinsam mit der Tochter der Parteien sowie einer studierenden Tochter aus erster Ehe in dem noch mit Schulden belasteten Einfamilienhaus lebe, nicht allein beurteilen können. Hinzu komme, daß die Beklagte aufgrund der seit 1976 geführten zahlreichen Rechtsstreitigkeiten und der immer noch außergewöhnlich schwierigen Beziehung der Parteien dem Kläger gegenüber verständlicherweise unsicher und mißtrauisch sei. Es sei ihr auch nicht zuzumuten gewesen, sich statt auf den Rat eines fachkundigen Dritten Iediglich auf die Auskunft des Finanzamts zu verlassen. Der Kläger habe der Beklagten die Kosten eines Steuerberaters ebenso ersetzen müssen wie sonst einen konkret dargelegten finanziellen Nachteil, der ihr aus der Zustimmung zum Realsplitting erwachsen wäre. Der Aufwand stehe auch nicht außer Verhältnis zu den steuerlichen Vorteilen, die dem Kläger aus dem begrenzten Realsplitting erwachsen wären, so daß eine Kostentragung durch ihn nicht unbillig erscheine.
2. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
a) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß ein getrennt lebender oder geschiedener Ehegatte, der seine Zustimmung zum steuerlichen Realsplitting verweigert, sich gegenüber dem unterhaltspflichtigen Ehegatten schadensersatzpflichtig machen kann. Zwar geht es hierbei um die Verletzung einer letztlich aus dem Wesen der Ehe folgenden und nach der Scheidung als Nachwirkung der Ehe fortbestehenden Rechtspflicht. Indessen können auch Verstöße gegen solche Pflichten, soweit sie nicht die höchstpersönlichen Beziehungen der Parteien, sondern den rein geschäftsmäßigen, vermögensrechtlichen Bereich betreffen, Schadensersatzansprüche begründen. Das hat der Bundesgerichtshof bereits für den Fall einer Verweigerung der Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung entschieden und eine Schadensersatzpflicht des Ehegatten bejaht, der diese Zustimmung unberechtigt verweigert hat (BGH, Urteil vom 13. Oktober 1976 – IVZR 104/84 – FamRZ 1977, 38, 41; vgl. ferner Senatsurteil vom 4. November 1987 – IVb ZR 83/86 – FamRZ 1988, 143). Für die hier in Frage kommende Verletzung der Mitwirkungspflicht beim begrenzten Realsplitting gilt nichts anderes.
b) Die Verpflichtung des unterhaltsberechtigten Ehegatten, dem steuerlichen Realsplitting zuzustimmen, ist davon abhängig, daß der Unterhaltspflichtige die finanziellen Nachteile ausgleicht, die dem Berechtigten daraus erwachsen (vgl. Senatsurteile vom 23. März 1983 – IVb ZR 369/81 – FamRZ 1983, 576f.; 26. September 1984 – IVb ZR 30/83 – FamRZ 1984, 1211, 1212 und 9. Oktober 1985 – IVb ZR 39/84 – FamRZ 1985, 1232, 1233). Zu diesen Nachteilen gehört in erster Linie die Steuerbelastung oder Steuermehrbelastung, die sich für den Unterhaltsempfänger aus der Besteuerung der erhaltenen Unterhaltszahlungen ergibt. Von dieser Einkommensteuerschuld hat der Unterhaltsverpflichtete den anderen freizustellen. Er kann dessen Zustimmung zum Realsplitting nur Zug um Zug gegen eine derartige Freistellungsverpflichtung verlangen. Von einer entsprechenden Verpflichtung zum Ausgleich sonstiger Nachteile kann der Unterhaltsberechtigte seine Zustimmung nur abhängig machen, wenn er diese Nachteile im Einzelfall substantiiert darlegt (Senatsurteil vom 23. März 1983 a.a.O. S. 577).
Zu den sonstigen Nachteilen hat der Senat in der vorgenannten Entscheidung insbesondere finanzielle Auswirkungen gerechnet, die sich aus Gesetzen außerhalb des Einkommensteuerrechts ergeben, etwa weil diese bei der durch das gegebenen Höhe des zu versteuernden Einkommens eine Kürzung oder den Entzug öffentlicher Leistungen vorsehen. Es können im Einzelfall aber auch Kosten darunterfallen, die der Unterhaltsberechtigte aus Anlaß der Zustimmung zum Realsplitting zur sachgerechten Wahrnehmung seiner Interessen aufwendet. Die Mitwirkung beim Realsplitting muß für ihn aus unterhaltsrechtlicher Sicht bei Abwägung der beiderseitigen Interessen zumutbar sein (vgl. Senatsurteil vom 23. März 1983 a.a.O.). Entscheidend ist danach, ob dem Unterhaltsberechtigten die Zustimmung zum Realsplitting ohne die Aufwendung der jeweiligen Kosten zugemutet werden kann.
c) Das Berufungsgericht hat diese Frage für die Kosten der von der Beklagten für notwendig gehaltenen Inanspruchnahme eines Steuerberaters verneint. Seine Beurteilung kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden.
Allerdings wird es im allgemeinen nicht notwendig sein, daß ein Unterhaltsempfänger sich zunächst an einen Steuerberater wendet, ehe er sich über die Erteilung der Zustimmung zum Realsplitting schlüssig wird, oder daß er diesen sonst im Zuge der Steuerveranlagung einschaltet. Erklärt der Unterhaltspflichtige von vornherein verbindlich, daß er den anderen von den ihn dadurch treffenden steuerlichen Lasten freistellt, so hat dieser im allgemeinen keinen Anlaß, wegen des Realsplittings noch den Rat oder die Unterstützung eines Steuerberaters in Anspruch zu nehmen. So lag es hier jedoch nicht, vielmehr hatte der Kläger von der Beklagten die Ausschöpfung „sämtlicher Steuervorteile” verlangt und seine Freistellungserklärung entsprechend eingeschränkt. Unter diesen Umständen und bei der vom Berufungsgericht festgestellten Unerfahrenheit der Beklagten in steuerlichen Dingen einerseits sowie der Zerstrittenheit der Parteien andererseits kann es nicht als rechtsfehlerhaft angesehen werden, wenn das Gericht die Beklagte für berechtigt gehalten hat, sich an einen Steuerberater zu wenden, und ohne die Bereitschaft des Klägers, die dadurch entstehenden Kosten auszugleichen, eine Pflicht zur Mitwirkung beim Realsplitting verneint hat.
Was die Revision dagegen vorbringt, dringt nicht durch.
Ihrer Ansicht, daß es der Einschaltung eines Steuerberaters nicht bedurft hätte, weil die Beklagte sich vom zuständigen Finanzamt hätte beraten lassen können, kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte hatte bis dahin weder Lohn- oder Einkommensteuer entrichtet noch war sie zur Einkommensteuer veranlagt worden. ob sie in den Jahren 1980 und 1981 Einkommensteuererklärungen hätte abgeben müssen, wie der Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen hat, ist insoweit ohne Belang. Jedenfalls steht zwischen den Parteien außer Streit, daß die Beklagte tatsächlich keine Steuererklärungen abgegeben hat. Damit hatte sie nicht die Möglichkeit, an bereits vorliegende Veranlagungen und Bescheide anzuknüpfen und sich unter Bezugnahme darauf wegen lediglich ergänzender Fragen an das Finanzamt zu wenden. Vielmehr kam es ihr auf eine erstmalige, umfassende Auskunft und Beratung an, um sich gegenüber den Forderungen und Vorbehalten des Klägers in dessen Verpflichtungserklärung abzusichern und vor finanziellen Einbußen zu schützen. Eine solche Beratung konnte die Beklagte von ihrem Finanzamt nicht erwarten. Entgegen der Ansicht der Revision obliegt den Finanzbehörden keine allgemeine Auskunfts- und Beratungspflicht. Soweit ihnen in § 89 AO Fürsorge- und Betreuungspflichten gegenüber den Steuerpflichtigen auferlegt werden, beziehen sich diese auf die Wahrung der Rechte und Pflichten in verfahrensrechtlicher, nicht aber in materiell-rechtlicher Hinsicht. Das schließt zwar ggf. auch Hinweise zu materiellen Rechtsfragen ein, soweit dies für eine zweckentsprechende Antragstellung erforderlich ist. Eine Pflicht zur allgemeinen Rechtsberatung in steuerlicher Hinsicht wird dadurch aber nicht begründet. Vielmehr entspricht es allgemeiner Auffassung, daß § 89 AO die Finanzbehörden gerade nicht mit der Rolle eines Beraters in steuerrechtlichen Fragen betraut (vgl. Gröger/Schöll, AO Rdn. 4f.; Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO Rdn. 5, 32f.; Kühn/Kutter/Hofmann, AO 15. Aufl. Rdn. 2, 4; Tipke/Kruse, AO Rdn. 1, 4, jeweils zu § 89). Auch aus § 151 AO ergibt sich nichts anderes.
Unter diesen Umständen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht den Standpunkt eingenommen hat, die Beklagte sei nicht darauf beschränkt gewesen, bei ihrem Finanzamt Rat zu suchen, sondern habe sich von einem fachkundigen Dritten beraten lassen dürfen.
d) Auch sonst läßt das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers erkennen.
Fundstellen