Leitsatz (amtlich)

Legt das Aufsichtsratsmitglied ohne rechtliche oder kaufmännische Rechtfertigung dem Vorstand den Abschluß eines für die Aktiengesellschaft schädlichen Rechtsgeschäfts nahe, so hat es den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen, ohne einwenden zu können, es habe nur als Vertreter des Geschäftspartners und in Erfüllung einer Verpflichtung gehandelt, die es dem Geschäftspartner geschuldet habe.

 

Tatbestand

Die klagende Aktiengesellschaft nimmt den Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch, und zwar in erster Linie mit der Begründung, er habe sie vorsätzlich unter Ausnutzung seines Einflusses auf ihren Vorstand bestimmt, zu ihrem eigenen Schaden zu handeln. Dem liegt – soweit in der Revisionsinstanz noch interessierend – folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Juli 1974 war der Beklagte Vorsitzender des Aufsichtsrats der Klägerin und persönlich haftender Gesellschafter der Sch. Bergwerksgesellschaft KG, die die Mehrheit ihrer Aktien hielt. Er war außerdem persönlich haftender Gesellschafter der F. Kunststoffgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft, der zusammen mit der Klägerin die Anteile an der S. KG gehörten, sowie einer der beiden persönlich haftenden Gesellschafter des Bankhauses B. („Bankhaus”), das der seit vielen Jahren mit hohen Verlusten arbeitenden, aber von der Klägerin weitgehend finanzierten Firma S. Kredite gewährt hatte. Als das Bankhaus zur damaligen Zeit infolge der Herstattkrise in Liquiditätsschwierigkeiten geriet, rief der Prokurist B. des Bankhauses bei der Klägerin an und verlangte die Ausstellung eines Wechsels über 2 Mio DM. Der Vorstand der Klägerin lehnte die Ausstellung des Wechsels zunächst ab. Nachdem sodann der Beklagte selbst mit dem Vorstandsmitglied R. telefoniert hatte, stellte die Klägerin am 18. Juli 1974 einen Wechsel über 1 Mio DM aus und ließ ihn von der S. KG indossieren. Das Bankhaus akzeptierte den Wechsel und ließ ihn von der Landeszentralbank diskontieren. Wenig später wurde über das Vermögen des Bankhauses das Vergleichsverfahren eröffnet. Daraufhin ließ die Landeszentralbank den Wechsel vorzeitig protestieren und forderte Zahlung von der Klägerin, nahm auf deren Bitte jedoch nicht bei ihr, sondern bei der Firma S. Rückgriff. Damit diese zahlen konnte, gewährte ihr die Klägerin ein Darlehen von 1.004.155,18 DM. Die S. KG rechnete sodann mit ihrem Rückgriffsanspruch gegenüber Ansprüchen des Bankhauses aus einem täglich kündbaren Kontokorrentkredit von 1.000.000 DM auf. Das Darlehen hat sie der Klägerin nur unvollständig zurückgezahlt; im Jahre 1975 fiel sie in Konkurs.

Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, er habe bei seinem Telefonat mit ihrem Vorstandsmitglied R. seine beherrschende Stellung in der Gesellschaft ausgenutzt, um die Ausstellung des Wechsels durchzusetzen. Dieser sei nicht etwa zur Erfüllung einer Verbindlichkeit, sondern nur aus Gefälligkeit gegenüber dem Bankhaus gegeben worden. Der Beklagte habe schon bei seinem Gespräch mit R. mit dem Zusammenbruch des Bankhauses gerechnet und ihre Inanspruchnahme als Wechselausstellerin zumindest billigend in Kauf genommen. Die Klägerin hat unter anderem auf den ihr aus der Wechselausstellung angeblich entstandenen Schaden im Wege der Klage 100.000 DM nebst Zinsen verlangt.

Der Beklagte hat behauptet, über die Wechselausstellung nur als Vertreter des Bankhauses mit der Klägerin verhandelt zu haben, und geltend gemacht, für den der S. KG gewährten Kredit habe die Klägerin schon aufgrund eines Kreditantrages einstehen müssen. Das Bankhaus habe jederzeit den der S. KG gewährten Kontokorrentkredit fälligstellen und so den Konkurs über das Vermögen von S. herbeiführen können. Die Klägerin aber habe S. sanieren wollen. Ihr Schaden sei geringer, als von ihr angegeben. Außerdem habe sie ihre Schadensminderungspflicht verletzt.

Die Vorinstanzen haben den Beklagten zur Zahlung der verlangten 100.000 DM nebst Zinsen aus dem den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Sachverhalt verurteilt. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Als Aufsichtsratsvorsitzender der Klägerin, persönlich haftender Gesellschafter ihrer Mehrheitsaktionärin und wegen seiner Stellung in der Firma S. habe der Beklagte die Möglichkeit gehabt, einen nicht jedermann offenstehenden Einfluß auf das Handeln des Vorstands der Klägerin zur Ausstellung des Wechsels zu veranlassen. Die Wechselausstellung sei pflichtwidrig gewesen, weil die Klägerin dazu nicht verpflichtet gewesen sei und sich auch keine Sicherheiten für den Fall ihrer Inanspruchnahme habe geben lassen. Dies habe zu einer von dem Beklagten von vornherein billigend in Kauf genommenen Schädigung der Klägerin in Höhe von mindestens 100.000 DM geführt, so daß er dieser gemäß § 117 AktG für den entstandenen Schaden hafte.

Die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Feststellungen greift die Revision in erster Linie mit der Verfahrensrüge an: Das Berufungsgericht habe den von ihm für die Heranziehung des § 117 AktG für entscheidend gehaltenen, aber streitigen Inhalt des Telefonats, mit dem der Beklagte über das Vorstandsmitglied der Klägerin R. den Vorstand zur Wechselzeichnung veranlaßt habe, in unzulässiger Weise festgestellt, nämlich ohne die hierzu von der Klägerin benannten Zeugen zu vernehmen, sondern unter bloßer Übernahme angeblicher Äußerungen R.'s über das Telefongespräch, die lediglich in einem von der Klägerin vorgelegten privaten Rechtsgutachten niedergelegt gewesen seien. Die Bedenklichkeit dieses Verfahrens braucht jedoch ebensowenig erörtert zu werden wie die sachlichrechtliche Frage, ob das Berufungsgericht im übrigen die Voraussetzungen für eine Schadensersatzpflicht des Beklagten nach § 117 AktG zu Recht bejaht hat. Der Beklagte haftet der Klägerin, ohne daß es auf die beanstandeten Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts ankommt, allein aufgrund seiner sonstigen Feststellungen und des unstreitigen Sachverhalts, wobei seine eigenen Tatsachenbehauptungen als wahr unterstellt werden können. Die Haftung ergibt sich aus §§ 116, 93 AktG.

Nach diesen Vorschriften ist ein Aufsichtsratsmitglied zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den es pflichtwidrig unter Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Verwaltungsmitglieds durch sein Verhalten verursacht hat. Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor.

Unstreitig hat der Beklagte durch seinen Anruf bei R. den Vorstand der Klägerin, der zunächst das Ansinnen des Prokuristen des Bankhauses, einen Wechsel (allerdings über 2 Mio DM) auszustellen, abgelehnt hatte, bewogen, den Wechsel (über 1 Mio DM) zur Verfügung zu stellen. Nach den rechtlich einwandfreien Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Klägerin hieraus auch ein Schaden entstanden, da ihr die S. KG aus dem Verkauf eines Grundstücks auf das zur Bezahlung des Wechsels gewährte Darlehen von 1.004.155,18 DM nur 897.740,74 DM erstattet hat und im Sommer 1975 in Konkurs gefallen ist. Eine Schädigung der Klägerin war für den Beklagten, wie das Berufungsgericht weiterhin in unangreifbarer tatrichterlicher Würdigung festgestellt hat, als mögliche Folge der Wechselzeichnung vorhersehbar, weil er mit den schwierig gewordenen Verhältnissen des wenig später zum Vergleichsverfahren genötigten Bankhauses vertraut und ihm bekannt war, daß die ohnehin hoch überschuldete und im wesentlichen nur von der Klägerin gestützte S. KG den Wechsel aus eigener Kraft nicht würde einlösen können. Schließlich steht fest, daß der Beklagte die Klägerin eingeschaltet hat, um für das in den Strudel der Herstatt-Krise geratene Bankhaus „Liquidität bereitzustellen” und dazu einen diskontfähigen Wechsel zu erhalten.

Hieraus ergibt sich der schuldhafte Verstoß des Beklagten gegen seine Pflichten als Mitglied und Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Klägerin; denn die gesetzliche Pflicht des Aufsichtsrats zur Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 Abs 1 AktG) und die damit verbundene Verantwortung, fehlerhaftes oder gar gesellschaftsschädigendes Verhalten der Verwaltung abzuwenden, schließt mit Selbstverständlichkeit die Pflicht ein, solche Maßnahmen nicht von sich aus dem Vorstand nahezulegen; ob dieser die möglichen Nachteile für die Gesellschaft selbst erkennt und ob er sich in seiner Entscheidung frei fühlt oder nicht, ist dabei nicht ausschlaggebend; jeder von ihnen – Aufsichtsratsmitglied wie Vorstandsmitglied – ist aus eigener, selbständiger Verpflichtung verantwortlich. Auf die im Rechtsstreit nicht geklärte Frage, ob die Wechselausstellung nach der Geschäftsordnung obendrein der förmlichen Zustimmung des Aufsichtsrats oder des Beklagten als seines Vorsitzenden bedurft haben würde und mit welchem Nachdruck der Beklagte bei seinem Anruf auf R. eingewirkt hat, kommt es gar nicht erst an.

Demgegenüber greift keiner der Gesichtspunkte durch, mit denen der Beklagte auch im Revisionsrechtszuge die Pflichtwidrigkeit seines Handelns oder wenigstens sein Verschulden auszuräumen versucht.

Der Beklagte kann zunächst nicht mit Erfolg geltend machen, daß er nur in seiner Eigenschaft als Vertreter des Bankhauses gehandelt habe und sein Verhalten durch dessen Interesse gerechtfertigt gewesen sei. Die Spaltung einer Person mit kollidierenden Pflichten in solche Verhaltensweisen, die nur dem einen, nicht aber zugleich dem anderen Verantwortungsbereich zugeordnet werden könnten, ist, wenn tatsächlich beide Bereiche betroffen sind, nicht möglich. Interessenkollisionen sind, wenn ein Aufsichtsratsmitglied zwei Gesellschaften angehört, auch grundsätzlich nicht in dem Sinne entlastend, daß die Pflichterfüllung gegenüber der einen die Pflichtverletzung gegenüber der anderen Gesellschaft rechtfertigen könnte (RGZ 165, 68, 82; Mertens in Kölner Komm z AktG § 93 Anm 22 mwN). Veranlaßt ein Aufsichtsratsmitglied, wie es hier der Fall war, seine Gesellschaft zum Abschluß eines für sie schädlichen Geschäfts mit einem Unternehmen, dem es selbst interessenmäßig verbunden und dessen vertretungsberechtigtes Organ er ist, so ist das trotz gegenläufiger Interessen und Pflichten in seiner Person gegenüber jener Gesellschaft pflichtwidrig und von ihm zu vertreten.

Das Wechselgeschäft war auch aus den anderen vom Beklagten geltend gemachten Gründen angesichts der drohenden Verluste für die Klägerin mit den Sorgfaltspflichten des Aufsichtsratsmitglieds nicht zu vereinbaren. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe gerade diese Gründe verkannt und in diesem Zusammenhang den entscheidungserheblichen Sachverhalt nur unvollständig erfaßt und gewürdigt (§ 286 ZPO), ist ebenfalls nicht begründet.

Ihr kann zunächst darin nicht gefolgt werden, die Wechselausstellung sei kaufmännisch richtig gewesen, weil sich die Klägerin aus Kreditaufträgen in Höhe der Wechselsumme ohnehin in der Haftung für S.-Schulden gegenüber dem Bankhaus befunden habe. Dem Berufungsgericht ist nämlich darin beizupflichten, daß sich das nicht mit einem schriftlichen Kreditauftrag aus dem Jahre 1971 begründen läßt. Das Bankhaus hatte seinerzeit der S. KG durch Bürgschaft gegenüber der Deutschen B.-Bank einen Avalkredit bis zur Höhe von 1 Mio DM gewährt, und die Klägerin hatte sich verpflichtet, das Bankhaus freizustellen, falls es aus dieser Bürgschaft in Anspruch genommen werden sollte (vgl Schreiben des Bankhauses vom 11.2.1971). Nach der Behauptung der Klägerin bestanden aber im Jahre 1974 keine Verpflichtungen aus dieser Freistellungserklärung mehr. Der Beklagte hat zwar das Gegenteil behauptet, das aber nicht ausreichend substantiiert. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen. Denn aus einem in den Prozeß eingeführten Schreiben des Bankhauses vom 5. Juli 1974 – dessen rechtsgeschäftliche Bedeutung im übrigen umstritten ist – ergibt sich an Tatsachen jedenfalls so viel, daß die Bürgschaft des Bankhauses inzwischen auf eine Summe von 50.000 DM zurückgeführt worden und die Haftungserklärung der Klägerin als zu dieser Zeit „gegenstandslos” zu betrachten war. Der Beklagte hat auch nicht schlüssig dargelegt, daß es im Jahre 1974 noch ohne Mitwirkung der Klägerin zu einer weiteren Kreditgewährung der B.-Bank in diesem Rahmen an die S. KG mit entsprechender Rückgriffshaftung der Klägerin hätte kommen können. Daß das Bankhaus, wie die Revision meint, nur eine Tratte auf S. hätte zu ziehen brauchen, um die (unbefristete) Freistellungserklärung der Klägerin wieder aufleben zu lassen, hat schon deshalb keine ausreichende tatsächliche Grundlage, weil nichts dafür vorgetragen ist, daß die B.-Bank angesichts der wirtschaftlichen Lage des Bankhauses und der Verschuldung der S. KG damals noch bereit gewesen wäre, ein solches Papier zu diskontieren.

Die kaufmännische Rechtfertigung des Wechselgeschäfts kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß der unstreitig der S. KG vom Bankhaus gewährte Kontokorrentkredit von 1 Mio DM durch einen mündlich erteilten Kreditauftrag der Klägerin abgesichert gewesen wäre und die Wechselhingabe der Realisierung einer solchen Haftung entsprochen hätte. Der Beklagte hatte zwar bereits in der Klageerwiderung (S 14) behauptet, die Klägerin habe durch ihr Vorstandsmitglied B. ihn selbst als Vertreter des Bankhauses jeweils in Beiratssitzungen der S. KG gebeten, dieser Kredit zu gewähren. Die letzte Erhöhung der Kreditlinie – von 1,4 auf 2 Mio DM – sei in dieser Weise am 17. Oktober 1972 vereinbart worden. Der Vorstand der Klägerin habe, wie sich aus den ihm – dem Beklagten – zugegangenen Sitzungsprotokollen ergebe, den Kreditauftrag jeweils genehmigt. Mit diesem Vorbringen brauchte sich das Berufungsgericht – entgegen der Ansicht der Revision – jedoch nicht zu befassen. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 18. Oktober 1977 S 10/11 die Erteilung eines mündlichen Kreditauftrages bestritten und zum Beweise des Gegenteils eine Notiz über die Beiratssitzung vom 17. Oktober 1972 sowie Bilanzen vorgelegt, die, wie sie hervorhob, teilweise noch vom Beklagten selbst genehmigt worden waren und aus denen sich eine Verpflichtung der Klägerin gegenüber dem Bankhaus aus einem generellen Kreditauftrag nicht ergab. Die Klägerin hatte weiter behauptet (aaO S 12), keines ihrer Vorstandsprotokolle von 1971 bis 1975 enthalte die Genehmigung eines Kreditauftrages. Daraufhin hatte sich der Beklagte in dem weiteren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 12. Januar 1978 (S 10) auf die Behauptung zurückgezogen, der mündliche Kreditauftrag sei bei Begründung des Kreditverhältnisses S. „in den 60er Jahren” erteilt worden (und habe keiner ständigen Wiederholung in jeder Vorstandssitzung und Beiratssitzung bedurft). Zum Beweise dafür hatte er sich zwar – wie schon in der Klagerwiderung für die angebliche Vereinbarung vom 17. Oktober 1972 – auf das Zeugnis des Vorstandsmitglieds B. berufen, hatte jedoch – abgesehen davon, daß er für diesen Zeitpunkt keine Genehmigung der anderen Vorstandsmitglieder behauptet hat – keine näheren Angaben darüber gemacht, wie es angesichts des vorangegangenen substantiierten Bestreitens der Klägerin erforderlich gewesen wäre. In der Berufungsbegründung hat der Beklagte alsdann seinen Vortrag nicht nur nicht ergänzt, sondern im Gegenteil erklärt, auf einen mündlichen Kreditantrag käme es (wegen des schriftlichen Kreditauftrags) nicht mehr an; und später ist er darauf nur noch in einer prozeßrechtlich unerheblichen beiläufigen Bemerkung zurückgekommen. Bei dieser Sachlage konnte das Berufungsgericht davon ausgehen, jene ohnehin unzureichend vorgetragenen Behauptungen habe der Beklagte überhaupt fallen gelassen, so daß insoweit nichts mehr in den Entscheidungsgründen ausgeführt zu werden brauchte. Für einen konzernrechtlichen Außenhaftungstatbestand, der ohne besondere rechtsgeschäftliche Erklärung noch zu Lasten der Klägerin in Betracht gezogen werden könnte, gibt der Parteivortrag keine ausreichenden Anhaltspunkte.

Schließlich meint die Revision, das Berufungsgericht habe vor allem auch verkannt, daß die Ausstellung des Wechsels für die Klägerin zumindest kaufmännisch vertretbar gewesen sei, weil sie an der Erhaltung und Sanierung der S. KG interessiert gewesen sei und von dieser den Konkurs habe abwenden müssen, der gedroht habe, weil das dringend auf Liquidität angewiesene Bankhaus täglich den Kontokorrentkredit habe kündigen und Rückzahlung verlangen können. Diesen Ausführungen steht aber entgegen, daß der Beklagte selbst in der Berufungsbegründung (S 24) auf eine entsprechende Einlassung der Klägerin eingeräumt hat, das Bankhaus habe zwar eine solche Möglichkeit gehabt, es sei aber nie die Rede davon gewesen, die S. KG in Konkurs gehen zu lassen. Tatsächlich hätte, soweit der Parteivortrag das erkennen läßt, ein Konkurs von S. dem Bankhaus in seiner damaligen Lage gar nicht weitergeholfen. Der Kontokorrentkredit war nur durch die „Negativerklärung” vom 17. Oktober 1972 abgesichert, nach der ein Firmengrundstück der S. KG über bereits bestehende Grundpfandrechte hinaus nicht weiter belastet werden sollte. Diese nur schuldrechtliche Absicherung wäre dem Bankhaus gerade im Konkurs verloren gegangen, und auch sonst hätte es sich von einem Konkurs der S. KG für eine Verbesserung seiner Liquidität nichts versprechen können. Eine Entschließung, ob S. vor einem Konkurse durch weitere Aufwendungen zu bewahren sei, war daher für die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht aktuell. Dementsprechend hat das Bankhaus damals auch weder den Kontokorrentkredit gekündigt, noch ist dieser mit dem Wechsel abgelöst oder – wie der Beklagte wiederholt ausgeführt hat – in einen „Wechseldiskontkredit umgewandelt” worden. Denn den Wechsel haben weder S. noch die Klägerin, sondern hat das Bankhaus akzeptiert; dieses hatte ihn daher einzulösen, ohne daß der Kontokorrentkredit betroffen war. Aus all dem wird ohne weiteres deutlich, daß das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, es habe sich im damaligen Zeitpunkt für die Klägerin nur darum gehandelt, dem Bankhaus mit Rücksicht auf seine Liquiditätsschwierigkeiten ein diskontfähiges Papier zu verschaffen, diesem also nur gefälligkeitshalber einen Wechsel zur Verfügung zu stellen, ohne daß ein aktuelles Eigeninteresse der Klägerin erkennbar gewesen sei.

Zur Höhe des Schadens, den der Beklagte nach alledem gemäß §§ 116,93 AktG der Klägerin zu ersetzen hat, ist das Berufungsgericht trotz gewisser Zweifel zugunsten des Beklagten davon ausgegangen, die gesamten 897.740,74 DM, die die Klägerin aus dem Firmengrundstück der S. KG erhalten hat, seien auf das zur Wechseleinlösung zur Verfügung gestellte Darlehen von 1.004.155,18 DM anzurechnen. Die Tatsache, daß die Landeszentralbank im August 1974 die S. KG in der Endabrechnung nur mit 988.571,85 DM belastet hat, hat das Berufungsgericht nicht übersehen, so daß die Rüge aus § 286 ZPO insoweit nicht begründet ist. Die im Anschluß an das landgerichtliche Urteil getroffene Feststellung, der Differenzbetrag sei der Klägerin bereits mittelbar im Rahmen des ihr ausgezahlten Grundstückserlöses zugutegekommen, so daß für die Schadensermittlung nichts abzuziehen sei, liegt auf tatsächlichem Gebiet und ist im Revisionsrechtszug nicht angreifbar. Ebenso kann die im angefochtenen Urteil enthaltene Würdigung des Einwands, daß sich die Klägerin ein mitwirkendes Verschulden anrechnen lassen müsse, weil sie ihre Schadensminderungspflicht verletzt habe, aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Insbesondere ist der Revision nicht darin zu folgen, die Klägerin hätte sich im Regreßwege unmittelbar an das Bankhaus wenden und sich nicht zur Abwicklung des Wechsels über S. entschließen sollen. Eine eigene Einlösung des Wechsels und der Regreß beim Bankhaus hätte der Klägerin nur eine Vergleichsquote verschafft; von S. (als Indossantin) hätte sie (als Ausstellerin) in diesem Falle wechselmäßig nichts zu beanspruchen gehabt. Die Klägerin hätte sich vielmehr bei einem solchen Vorgehen des Anspruchs begeben, aus dem Erlös des Grundstücksverkaufs von S. weitgehend schadlos gehalten zu werden, so wie es nach Ablösung des Kontokorrentkredits mit Hilfe des Darlehens möglich wurde. Angesichts der unsicher gewordenen Verhältnisse war aus der damaligen Sicht jedenfalls die eigene Einlösung des Wechsels und der Regreß beim Bankhaus kein Weg, den die Klägerin unter dem Gesichtspunkt des § 254 Abs 2 BGB hätte vorziehen müssen.

Die weiteren Rügen, mit denen die Revision die Verurteilung des Beklagten wegen angeblicher Mängel des Verfahrens angegriffen hat, hat der Senat ebenfalls geprüft, aber nicht für durchgreifend und dies auch nicht für begründungsbedürftig erachtet (§ 565a ZPO). Das angefochtene Urteil hat daher im Ergebnis Bestand. Das gilt auch für die von der Revision angezweifelte Entscheidung über die Kosten, die das Oberlandesgericht, soweit sie den jetzt noch im Streit befindlichen Anspruch betreffen, allein dem Beklagten auferlegt hat, obwohl es insoweit in Höhe von 50.000 DM nur auf den Hilfsantrag hin verurteilt hat. Denn das entspricht der gesetzlichen Streitwertregelung (§ 19 Abs 4 GKG) und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urt v. 21.2.1962 – IV ZR 235/61 = LM ZPO § 92 Nr 8).

 

Fundstellen

Haufe-Index 649036

NJW 1980, 1629

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