Beratungsvertrag: Erweiterte Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats

Ein Beratungsvertrag, der zwischen einer AG und einer Gesellschaft abgeschlossen wird, bei der ein Aufsichtsratsmitglied der AG zwar nicht Aktionär, aber gesetzlicher Vertreter ist, bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrats.

Zum Sachverhalt

Der Vorsitzende des Aufsichtsrats der D. AG war gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der I. AG, einem Consultingunternehmen. Die D. AG schloss mit der I. AG einen Beratungsvertrag ab, ohne diesen zuvor dem Aufsichtsrat vorzulegen. Als Gegenleistung für die durch die I. AG in der Folge vorgenommenen Beratungsleistungen wurde ihr durch die D. AG eine Vergütung von rund 61.000 EUR bezahlt. Als dies dem späteren Aufsichtsratsvorsitzenden der D. AG bekannt wurde, verlangte die D. AG als Klägerin vom früheren Aufsichtsratsvorsitzenden als Beklagten die Rückzahlung der Vergütung.

Das Landgericht Essen wies die Klage zunächst ab, bevor das Oberlandesgericht Hamm dieser überwiegend stattgab. Hiergegen wandte sich der frühere Aufsichtsratsvorsitzende mit seiner Revision zum Bundesgerichtshof.

Das Urteil des BGH vom 29.06.2021 (Az. II ZR 75/20)

Die Revision blieb erfolglos. Auch der BGH war der Auffassung, dass der Beklagte zur Rückzahlung der Vergütung in Höhe von rund 61.000 EUR verpflichtet sei und wies die Revision daher zurück.

Der Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung der D. AG gegen ihren früheren Aufsichtsratsvorsitzenden ergebe sich aus § 114 Abs. 2 Satz 1 Aktiengesetz (AktG), der auch im vorliegenden Fall (analog) anwendbar sei. Es sei unerheblich, dass § 114 AktG seinem Wortlaut nach nur Beratungsverträge erfasse, die das Aufsichtsratsmitglied persönlich mit der Aktiengesellschaft schließt. Eine entsprechende Anwendung gebiete vor allem der Schutzzweck der §§ 113, 114 AktG, wonach die Aktiengesellschaft vor verdeckten Aufsichtsratsvergütungen und der Gefährdung der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds durch zu enge Beraterbeziehungen zu schützen sei. Vor allem Letzteres sei hier der Fall. Die Unabhängigkeit sei hier gefährdet gewesen, weil sich bereits aus der Stellung des Beklagten als Aufsichtsratsvorsitzender der D. AG und zugleich als gesetzlicher Vertreter der I. AG Interessenkollisionen ergeben könnten. Dies gelte darüber hinaus unabhängig von einer etwaigen Beteiligung an der Gesellschaft und/ oder der Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung, da den Beklagten in jedem Falle der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg der Gesellschaft in seiner beruflichen Stellung treffe.

Praxishinweis

Beratungsverträge zwischen einer AG und Aufsichtsratsmitgliedern der AG bedürften nach § 114 Abs. 1 AktG zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Aufsichtsrats. Ohne die Zustimmung oder eine nachträgliche Genehmigung hat das betroffene Aufsichtsratsmitglied eine bereits erhaltene Vergütung zurück zu zahlen, § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG. Damit will der Gesetzgeber die unsachliche Beeinflussung von Aufsichtsratsmitgliedern durch den vertragschließenden Vorstand verhindern und zugleich sicherstellen, dass die Regelungen zur Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder (§ 113 AktG) nicht umgangen werden.

Der Wortlaut der Vorschrift erfasst nur Verträge zwischen der AG und ihren Aufsichtsratsmitgliedern selbst. Bereits vor der Entscheidung des BGH war jedoch anerkannt, dass § 114 AktG über seinen Wortlaut hinaus anzuwenden ist: dann nämlich, (a) wenn es sich bei dem Vertragspartner um eine nahestehende Person des Aufsichtsratsmitglieds im Sinne des § 115 Abs. 2 AktG handelt, (b) wenn das Aufsichtsratsmitglied gleichzeitig gesetzlicher Vertreter und Alleingesellschafter / Alleinaktionär des Vertragspartners ist (BGH, Urteil vom 03.07.2006 – II ZR 151/04) oder (c) wenn das Aufsichtsratsmitglied zwar nicht Alleingesellschafter / Alleinaktionär, aber dennoch am Vertragspartner beteiligt ist und mehr als nur ganz geringfügige Leistungen von diesem erhält (BGH, Urteil vom 10.07.2012 – II ZR 48/11).

Mit seiner aktuellen Entscheidung bestätigt der Bundesgerichtshof erneut seine Tendenz zu einem weiten Anwendungsbereich des § 114 AktG. Er verzichtet nunmehr ganz auf das Erfordernis einer Beteiligung an der betreffenden Gesellschaft und lässt es genügen, dass das Aufsichtsratsmitglied lediglich gesetzlicher Vertreter des Vertragspartners ist. Er begründet dies maßgeblich mit dem Schutzzweck der §§ 113, 114 AktG, wonach die Aktiengesellschaft vor verdeckten Aufsichtsratsvergütungen und der Gefährdung der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds durch zu enge Beraterbeziehungen zu schützen sei.

Die Entscheidung mahnt die Praxis zur Vorsicht beim Abschluss von Beratungsverträgen. Immer dann, wenn ein Aufsichtsratsmitglied in besonderer Weise mit einem Vertragspartner der AG verbunden ist, sollte die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats geprüft werden, um etwaige Rückzahlungspflichten zu vermeiden.

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