Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers gegenüber Dritten
Leitsatz (amtlich)
Wenn der Geschäftsführer bei Abschluß eines Vertrages den Zustimmungsvorbehalt anderer Gesellschaftsorgane zum Gegenstand der mit dem Dritten vereinbarten Regelung macht, findet § 37 Abs. 2 GmbHG keine Anwendung.
Normenkette
GmbHG § 37 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 22.03.1995) |
LG Mosbach |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22. März 1995 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
In der klagenden GmbH haben sich 22 Metzger, Ausbeiner und Zerleger zusammengeschlossen, um im Rahmen eines mit einem Fleichproduzenten geschlossenen Werkvertragsverhältnisses Ausbein- und Zerlegearbeiten durchzuführen. Nachdem gegen die damalige Geschäftsführung der Gesellschaft strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts von Unterschleifen geführt worden waren, beschloß die Gesellschafterversammlung der Klägerin am 11. April 1989, den beklagten Rechtsanwalt als Treuhänder für die finanzielle Abwicklung der Geschäftsvorgänge einzusetzen. Über den weiteren Inhalt der Beschlußfassung – vor allem um die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Treuhandverhältnis gekündigt werden kann – streiten die Parteien.
In der Folgezeit hat der Beklagte seine Treuhandtätigkeit wahrgenommen, in diesem Rahmen den Werklohn der Gesellschaft vereinnahmt, 90 % dieser Summe als Vergütung an die einzelnen als Ausbeiner und Zerleger tätig gewesenen Gesellschafter ausgezahlt und den Restbetrag, von dem die laufenden Geschäftskosten der Gesellschaft beglichen werden mußten, auf einem besonderen Konto angesammelt. Nachdem im Laufe des Jahres 1990 eine neue Geschäftsführung eingesetzt worden war, kam es zu Auseinandersetzungen mit dem Beklagten, in deren Verlauf die Geschäftsführer das Treuhandverhältnis – auch aus wichtigem Grund – kündigten und mit der vorliegenden Stufenklage zunächst auf Herausgabe der Buchungsunterlagen und auf Auskunft geklagt haben. Der Beklagte hat – nach Festsetzung von Zwangsgeld – dem rechtskräftig zuerkannten Begehren entsprochen. Auf der Grundlage der erteilten Auskunft hat die Klägerin von dem Beklagten Auskehrung des von ihm verwalteten Guthabens von 176.592,07 DM nebst Zinsen begehrt. Vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht hatte die Klägerin auch mit dem Zahlungsbegehren Erfolg. Der Beklagte verfolgt mit der Revision sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Dessen Entscheidung beruht auf der Annahme, die neue Geschäftsführung der Klägerin habe das Treuhandverhältnis mit dem Beklagten ohne weiteres kündigen können. Das gelte auch, wenn man mit dem Beklagten annehmen wolle, daß nach dem maßgeblichen Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 11. April 1989 die Treuhandschaft nur mit deren Zustimmung habe beendet werden dürfen, weil eine derartige Absprache nur im Innenverhältnis wirke und die unbeschränkbare Vertretungsmacht der Geschäftsführer (§ 37 Abs. 2 GmbHG) nicht berühre.
Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht. Das Berufungsgericht hat die rechtliche Bedeutung des – allerdings nicht immer widerspruchsfreien – Vortrags des Beklagten nicht richtig erfaßt, weil es sich zu sehr an dem Wortlaut des § 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG orientiert und den Sinn dieser Bestimmung außer acht gelassen hat.
§ 37 Abs. 2 GmbHG ist wie die parallelen Vorschriften etwa des § 126 Abs. 2 HGB, des § 82 Abs. 1 AktG, des § 27 Abs. 2 GenG oder des § 50 Abs. 1 HGB Ausdruck des Prinzips, daß der Handelsverkehr auf dem Gebiet der rechtsgeschäftlichen und organschaftlichen Vertretungsbefugnis klare Verhältnisse erfordert. Für den Dritten, der auf diesem Gebiet mit einem Vertreter ein Rechtsgeschäft abschließt oder Erklärungen entgegennimmt, ist es, wenn nicht praktisch undurchführbar, so jedenfalls unzumutbar, sich in jedem Einzelfall über den Umfang der Vertretungsbefugnis des anderen Teils zu informieren. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber gerade bei den Handelsgesellschaften den Umfang der organschaftlichen Vertretungsbefugnis zwingend festgelegt (vgl. BGHZ 38, 26, 33). Dieser Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes begrenzt zugleich die Anwendbarkeit jener Vorschriften. Deswegen findet z.B. § 37 Abs. 2 GmbHG keine Anwendung auf die Rechtsbeziehungen, die ein Gesellschafter mit der Gesellschaft selbst eingeht (vgl. BGHZ 38 a.a.O. zu § 126 HGB; BAG ZIP 1994, 1290 für den Zustimmungsvorbehalt für die Kündigung eines Dienstverhältnisses; ferner Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 16. Aufl. § 37 Rdnr. 23); auch die allgemein anerkannte Durchbrechung des § 37 Abs. 2 GmbHG und der ihm verwandten Vorschriften in den Fällen des Mißbrauchs der Vertretungsmacht (vgl. z.B. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. § 35 Rdnr. 12 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. § 10 II 2 S. 264 ff.) ist Ausdruck des Gedankens, daß der Zweck der Norm jedenfalls dann nicht betroffen ist, wenn dem Dritten die Überschreitung der Befugnisse des Vertreters bekannt ist.
Ebensowenig geht es um den Verkehrsschutz dann, wenn der Geschäftsführer bei Abschluß des Vertrages den an sich nur intern wirkenden Zustimmungsvorbehalt anderer Gesellschaftsorgane zum Gegenstand der mit dem Dritten vereinbarten Regelung macht (s. Hachenburg/Mertens, GmbHG, 8. Aufl. § 35 Rdnr. 44); derartige Abreden im Außenverhältnis sind unbedenklich zulässig, weil der dritte Vertragspartner die interne Beschränkung des handelnden Vertreters kennt und sie in Form einer Wirksamkeitsbedingung zum Vertragsinhalt macht. Nach dem für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Vortrag des Beklagten kann ein solcher Fall hier vorliegen. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin soll nämlich bei seiner Einsetzung als Treuhänder beschlossen haben, daß das Treuhandverhältnis nur dann aufgehoben werden könne, wenn dem die Gesellschafterversammlung zustimmt. Wie nach dem Zusammenhang seiner Ausführungen angenommen werden muß, soll dieser Beschluß zugleich umgesetzt worden sein, indem ein formloser Vertrag mit dem entsprechenden Inhalt zwischen dem anwesenden damaligen Geschäftsführer der Klägerin und ihm geschlossen worden ist, der Grundlage für sein Tätigwerden bei der finanziellen Abwicklung der Gesellschaftsgeschäfte geworden ist.
Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat das Berufungsgericht die umstrittene Frage nicht geklärt, ob ein Treuhandvertrag mit diesem Inhalt geschlossen worden ist. Auch wenn der Vortrag des Beklagten – offenbar auf der Grundlage der verfehlten rechtlichen Vorstellung, er verwalte die angesammelten Gelder für die Gesellschafter der Klägerin als Gesamthandsgemeinschaft – nicht immer widerspruchsfrei ist, läßt sich nicht ausschließen, daß die Gesellschafterversammlung tatsächlich beschlossen hat, das zwischen der Gesellschaft und dem Beklagten begründete Treuhandverhältnis solange fortzusetzen, bis die Gesellschafter selbst zu der Überzeugung kämen, daß die zur Berufung des Beklagten Anlaß gebende Gefahr, die Geschäftsführung der Gesellschaft bereichere sich zu Lasten der einzelnen Gesellschafter, nicht mehr bestehe. Sollte sich dies als richtig herausstellen und festgestellt werden, daß der entsprechende Gesellschafterbeschluß – und sei es auch nur durch schlüssiges Verhalten – zum Vertragsinhalt gemacht worden ist, ist das Treuhandverhältnis nicht wirksam gekündigt worden und der Beklagte nicht berechtigt, das angesammelte Guthaben an die Geschäftsführer der Klägerin herauszugeben.
Nach dem Vorbringen des Beklagten kommt auch in Betracht, daß die Gesellschafterversammlung der Klägerin sich die Entscheidung über die Beendigung des Treuhandverhältnisses in der Weise vorbehalten hat, daß allein ihr Beschluß den Kündigungsgrund darstellt, also ein von der Geschäftsführung gefaßter Entschluß nicht bloß ihrer Zustimmung bedarf, sondern daß sie selbst Träger der zur Beendigung des Treuhandauftrages führenden Entschließung bleibt, die allenfalls auf ihre Weisung hin durch die Geschäftsführer dem Beklagten gegenüber bekannt zu machen ist.
Damit das Berufungsgericht die danach erforderlichen Feststellungen treffen kann, ist die Sache zurückzuverweisen; die Parteien erhalten dadurch zugleich Gelegenheit, sich auf den neuen rechtlichen Gesichtspunkt einzustellen und ihr Vorbringen klarzustellen.
Unterschriften
Röhricht, Prof. Dr. Henze, Dr. Goette, Dr. Kapsa, Dr. Kurzwelly
Fundstellen
Haufe-Index 714219 |
NJW 1997, 2678 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1997, 1419 |
DNotZ 1998, 963 |
MDR 1997, 860 |