2.6.1 IDW S 15: Bescheinigung des WP im StaRUG-Verfahren
Mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen hat der Gesetzgeber seit 2021 gesetzliche Verfahrenshilfen geschaffen, um vorinsolvenzliche Sanierungen unter bestimmten Bedingungen auch gegen den Willen opponierender Gläubiger zu ermöglichen. In bestimmten Fällen bestellt das Gericht von Amts wegen einen Restrukturierungsbeauftragten (§ 73 StaRUG). Dies ist z. B. der Fall, wenn in die Rechte von Verbrauchern oder Kleinstunternehmen eingegriffen wird. Hat der Schuldner die Bescheinigung eines in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrenen WP, RA, StB oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorgelegt, aus der sich ergibt, dass der Schuldner die Voraussetzungen der Stabilisierungsanordnung (§ 51 Abs. 1 und 2 StaRUG) erfüllt, kann das Gericht vom Vorschlag des Schuldners zur Person des Restrukturierungsbeauftragten nur dann abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich ungeeignet ist (§ 74 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). Mit dem verabschiedeten IDW S 15 konkretisiert das IDW die Anforderungen an die Bescheinigung nach § 74 Abs. 2 StaRUG und die Beurteilung der Voraussetzungen der Stabilisierungsanordnung (§ 51 StaRUG).
2.6.2 IDW S 9: Bescheinigungen des WP zur Eigenverwaltung
Damit ein Krisenunternehmen das insolvenzrechtliche Schutzschirmverfahren (§ 270d InsO) nutzen kann, war es schon bisher erforderlich, dass ein WP, RA, StB oder eine Person mit vergleichbarer Qualifikation eine Bescheinigung vorlegt, aus der hervorgeht, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, nicht aber Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Zudem musste bestätigt werden, dass die Sanierung des Unternehmens nicht offensichtlich aussichtslos ist. Seit dem 1.1.2021 gelten nun auch zusätzliche Anforderungen für die Anordnung der regulären Eigenverwaltung (§ 270a InsO): Insbesondere muss der Schuldner neben einer Eigenverwaltungsplanung (§ 270a Abs. 1 InsO) auch weitere Erklärungen (§ 270a Abs. 2 InsO) vorlegen. Diese zusätzlichen Anforderungen der regulären Eigenverwaltung müssen beim Schutzschirmverfahren ebenfalls erfüllt sein. Daher hat das IDW den entsprechenden Standard ergänzt und nun veröffentlicht. Der IDW Standard: Bescheinigung nach § 270d InsO und Beurteilung der Anforderungen nach § 270a InsO (IDW S 9) geht – wie bisher – auf die besonderen Anforderungen des Schutzschirmverfahrens und auf die neuen Anforderungen der regulären Eigenverwaltung ein.
2.6.3 Anforderungen an Insolvenzpläne (IDW ES 2 n. F.)
IDW ES 2 n. F. konkretisiert insb. eine Neuregelung zum Obstruktionsverbot: Gemäß § 245 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO dürfen weder ein Nachranggläubiger noch ein Anteilsinhaber einen durch Leistung in das Vermögen des Schuldners nicht vollständig ausgeglichenen wirtschaftlichen Wert erhalten. IDW ES 2 n. F. stellt klar, dass ein Anteilseigner einen nicht vollständig ausgeglichenen wirtschaftlichen Wert erhält, wenn er nicht mindestens den Wert den unbesicherten Gläubigern über die Plan-Insolvenzquote zur Verfügung stellt, der sich aus einem durch den (vorläufigen) Gläubigerausschuss oder durch die Gläubigerversammlung frei gegebenen M&A-Prozess aus belastbaren Angeboten von Investoren ergibt.
2.6.4 Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW ES 6 n. F.)
Der Entwurf der Neufassung stellt einerseits klar, dass soweit ESG-Aspekte für das Geschäftsmodell eines Unternehmens oder für dessen weitere Entwicklung relevant sind, darauf auch in Sanierungskonzepten detailliert einzugehen ist. Andererseits wird zudem die Bedeutung von steuerlichen Aspekten für den Sanierungserfolg klarer als bisher herausgestellt. So wird etwa klargestellt, dass im Sanierungskonzept insb. solche Steuern zu berücksichtigen sind, die durch oder im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen ausgelöst werden (bspw. Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG oder Ertragsteuern aufgrund eines Schuldenerlasses, wobei ggf. die Steuerfreiheit des Sanierungsertrags gemäß §§ 3a, 3c Abs. 4 EStG, 7b GewStG und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen zu beachten sind).
2.6.5 Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW ES 11 n. F.)
Der BGH hat mit Urteil vom 28.6.2022 (II ZR 112/21) die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit konkretisiert. Mit dem IDW ES 11 n. F. werden die Regelungen zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit sowie zu den Anforderungen an Cash-Pooling-Systeme aufgegriffen. Bisher sah der BGH zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit eine Art dynamische Bilanz vor, in der künftige Vermögenswerte (sog. Aktiva II) und künftige Verpflichtungen (sog. Passiva II) aufgeführt werden. IDW S 11 hat schon bisher die Ermittlung anhand eines Finanzplans präferiert. Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung stellt klar, dass die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit auf Basis eines Finanzplans bzw. mehrerer aufeinanderfolgender Plan-Finanzstatus zulässig ist.