Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialabgabe. Abgabepflicht. Landesmedienanstalt. betreiben eines Offene Kanals. Bürgerfunk. keine Programmverantwortung. Begriff des “wesentlichen” Unternehmenszwecks
Leitsatz (amtlich)
- Eine Landesmedienanstalt ist wegen des Betriebs eines Offenen Kanals für den Bürgerfunk als Rundfunkunternehmen zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, wenn sie dafür sorgt, dass Bürger sendefähige Beiträge erstellen, auch wenn sie für die ausgestrahlten Beiträge keine Programmverantwortung trägt und keine eigenen Beiträge senden darf.
- Zum Begriff des “wesentlichen” Unternehmenszwecks iS des § 24 Abs 1 S 1 Nr 3 KSVG.
Normenkette
KSVG § 24 Abs. 1 S. 1 Nrn. 4, 3, 7, S. 2; RdFunkG SH § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 10 Nr. 2, §§ 34, 37 Abs. 1, 5 S. 3, §§ 38, 53 Abs. 1 Nrn. 6-7, 9, Abs. 2, §§ 61-62, 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 26. November 2002 geändert. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 23. November 2001 wird zurückgewiesen.
Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die klagende “Unabhängige Landesanstalt für das Rundfunkwesen” (ULR) ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts des Landes Schleswig-Holstein mit dem Recht zur Selbstverwaltung. Nach § 53 Abs 1 des Landesrundfunkgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (LRG) vom 7. Dezember 1995 (GVOBl Schleswig-Holstein S 422) idF des Gesetzes zur Änderung rundfunkrechtlicher Vorschriften vom 15. Dezember 2000 (GVOBl Schleswig-Holstein S 638) hat sie folgende Aufgaben: “1. Erteilung, Rücknahme und Widerruf der Zulassung zur Veranstaltung von Rundfunk, 2. Programmaufsicht und Anordnung von Maßnahmen, insbesondere zur Sicherung der Meinungsvielfalt, 3. Erteilung und Widerruf der Genehmigung zur Weiterverbreitung sowie Untersagung der Weiterverbreitung von Rundfunkprogrammen in Kabelanlagen, 4. Beratung der Rundfunkveranstalter, 5. Erlass von Satzungen und Richtlinien, 6. Trägerschaft und Durchführung des Offenen Kanals einschließlich dessen Finanzierung, 7. Verwirklichung der Medienforschung, 8. Förderung der rundfunkorientierten Medienkompetenz, 9. Zusammenarbeit mit den anderen Landesmedienanstalten, 10. Förderung von technischer Rundfunkinfrastruktur und von Projekten neuartiger Rundfunkübertragungstechniken.” Daneben ist die ULR gemäß § 53 Abs 2 LRG berechtigt zur finanziellen Förderung (Nr 1) von gemeinnützigen Organisationen mit kultureller oder pädagogischer Ausrichtung im audiovisuellen Bereich, insbesondere solcher, die der Förderung kultureller Filmarbeit dienen, und (Nr 2) von nicht auf Gewinn abzielenden Einrichtungen zur Aus- und Fortbildung im audiovisuellen Bereich und im Journalismus.
Der Offene Kanal ist gemäß § 34 Abs 1 LRG ein regionaler Bürgerfunk im Rahmen von Hörfunk und Fernsehen, in dem die ULR Gruppen und Personen, die selbst nicht Rundfunkveranstalter sind, Gelegenheit gibt, eigene Beiträge im Hörfunk und im Fernsehen regional zu verbreiten. Hierzu schafft sie nach § 37 Abs 1 Satz 1 LRG die personellen und sächlichen Voraussetzungen. Gemäß § 38 Abs 1 LRG obliegt ihr auch die Finanzierung des Offenen Kanals. Nach § 62 Abs 1 Satz 1 LRG sollen die Veranstaltung von Rundfunk und der Offene Kanal sowie die Weiterverbreitung von Programmen nach dem LRG regelmäßig durch unabhängige Einrichtungen der Kommunikationsforschung wissenschaftlich untersucht werden. Die ULR erteilt dazu die Aufträge und legt Fragestellungen und Methoden der Untersuchungen fest. Die Untersuchungsergebnisse hat sie zu veröffentlichen. Ihren Finanzbedarf deckt sie nach § 61 Abs 1 LRG durch einen Anteil an der Rundfunkgebühr gemäß dem Rundfunkstaatsvertrag, durch Rundfunkabgaben, Verwaltungsgebühren und Auslagenersatz, Einnahmen aus Bußgeldern sowie sonstigen Einnahmen. Die ULR gibt die Schriftenreihen “Themen.Thesen.Theorien” sowie die “Graue Reihe” heraus, ferner unterrichtet sie in Faltblättern über sich selbst und über den Offenen Kanal. In der Reihe “Themen.Thesen.Theorien” veröffentlicht sie die Ergebnisse der in ihrem Auftrag durchgeführten Medienforschungsprojekte. In der “Grauen Reihe” dokumentiert sie vorwiegend eigene Veranstaltungen zu aktuellen Medienthemen. Die Schriften werden von der ULR kostenlos an Interessenten abgegeben.
Mit Bescheid vom 13. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000 stellte die beklagte Künstlersozialkasse (KSK) die Abgabepflicht der Klägerin zur Künstlersozialabgabe (KSA) fest, weil diese durch die Herausgabe und die Verbreitung der Schriftenreihen ein Verlagsunternehmen betreibe sowie als Trägerin des Offenen Kanals Rundfunk- und Fernsehprogramme anbiete.
Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 23. November 2001 abgewiesen: Die Klägerin gehe zwar weder einer verlegerischen Tätigkeit nach noch betreibe sie ein Rundfunk- oder Fernsehunternehmen iS des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 4 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Durch die von ihr herausgegebenen Schriften, Werbefaltblätter und die von ihr angebotene Webseite im Internet sowie möglicherweise auch die von ihr veranstalteten Medientreffs betreibe sie aber Öffentlichkeitsarbeit für Zwecke ihres eigenen Unternehmens und erfülle damit den Abgabetatbestand des § 24 Abs 1 Satz 2 Nr 1 KSVG idF des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2606). Werbung im Sinne dieser Vorschrift umfasse wie die Werbung iS von § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 7 KSVG auch Öffentlichkeitsarbeit.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000 aufgehoben (Urteil vom 26. November 2002) und zur Begründung ausgeführt: Eine Abgabepflicht gemäß § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG komme nicht in Betracht. Die Klägerin betreibe keinen Buch-, Presse- oder sonstigen Verlag oder eine Presseagentur iS der Nr 1. Sie gebe die Schriftenreihe “Themen.Thesen.Theorien” und die “Graue Reihe” sowie einige Faltblätter lediglich heraus, verlege sie aber nicht. Bei den Faltblättern handele es sich ohnehin nicht um Presseerzeugnisse. Die Klägerin sei auch kein Rundfunk- oder Fernsehunternehmen iS der Nr 4. Zwar sei sie Trägerin des Offenen Kanals, stelle jedoch lediglich die personellen und sächlichen Zugangsvoraussetzungen zur Verfügung, damit Personen oder Personengruppen sich im Rahmen von Rundfunk oder Fernsehen betätigen könnten. Für den Inhalt der gesendeten Bürgerbeiträge trage sie keine Verantwortung. Außerdem sei es ihr gesetzlich untersagt, eigene Beiträge zu senden (§ 37 Abs 5 Satz 3 LRG). Schließlich sei die Klägerin auch kein Werbeunternehmen iS der Nr 7, da sie keine Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte betreibe. Auch die Voraussetzungen des § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG seien nicht gegeben, weil die Klägerin weder Werbung noch Öffentlichkeitsarbeit für ihr eigenes Unternehmen betreibe. Die Klägerin unterhalte die Schriftenreihen nicht zu werbenden Zwecken; denn als öffentlich-rechtliche Einrichtung unterliege sie überhaupt keinem Wettbewerb und sei daher auf Werbung in keiner Weise angewiesen. Auch soweit sie die Schriftreihen und die Faltblätter im Rahmen ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht zur Öffentlichkeitsarbeit herausgebe, erfülle die Klägerin die Voraussetzungen des § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG nicht, weil sie die Öffentlichkeitsarbeit nicht für Zwecke ihres eigenen Unternehmens betreibe. Beschränke sich eine Behörde bzw eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit den Veröffentlichungen auf ihre originäre Aufgabenerfüllung, nämlich eine gebotene sachliche Aufklärung ohne einen irgendwie gearteten werbenden Zweck, sei der Abgabetatbestand des § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG nicht erfüllt.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 24 Abs 1 KSVG). Sie macht geltend, das Betreiben eines Rundfunk- oder Fernsehsenders werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin keine inhaltliche Programmverantwortung trage. Es reiche aus, wenn sie dafür sorge, dass künstlerische oder publizistische Beiträge gesendet werden können. Sie sei auch mehr als eine bloße Herausgeberin ihrer Schriften, weil sie für den kostenlosen Vertrieb sorge. Mit den Faltblättern und dem Internetauftritt betreibe sie Öffentlichkeitsarbeit für das eigene Unternehmen, was ebenfalls zur Abgabepflicht führe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 26. November 2002 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Kiel vom 23. November 2001 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend. Im Übrigen ist sie der Auffassung, von dem mit dem KSVG verfolgten Gesetzeszweck überhaupt nicht erfasst zu werden. Denn hierfür sei es erforderlich, dass die Unternehmen darauf ausgerichtet seien, durch die Inanspruchnahme der Werke und Leistungen selbstständiger Künstler und Publizisten Einnahmen zu erzielen. Gerade dies sei bei ihr nicht der Fall.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Erfassungsbescheid der Beklagten erweist sich als rechtmäßig, weil die Klägerin mit der Trägerschaft und der Durchführung des Offenen Kanals den Abgabetatbestand des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 4 KSVG (Rundfunk/Fernsehen) sowie durch die Beauftragung wissenschaftlicher Autoren mit Beiträgen zur Medienforschung den Abgabetatbestand des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG (Darbietung publizistischer Leistungen) erfüllt.
- Die Klägerin betreibt mit ihrer Tätigkeit ein Unternehmen iS des § 24 KSVG. Sie macht zu Unrecht geltend, sie werde von vornherein nicht vom Gesetzeszweck des KSVG erfasst, weil ihr Unternehmen nicht darauf ausgerichtet sei, durch die Inanspruchnahme von Werken und Leistungen selbstständiger Künstler und Publizisten Einnahmen zu erzielen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass auch öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen, deren Zweck die Erfüllung öffentlicher Aufgaben und nicht eine Gewinnerzielung ist, von der Abgabepflicht nicht ausgenommen sind (vgl zB BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 6 – Ersatzkasse; SozR 3-5425 § 24 Nr 10 – Jugendzentrum einer Gemeinde; SozR 3-5425 § 24 Nr 15 – Landesversorgungsamt). Die spezifische Solidaritäts- oder Verantwortungsbeziehung zwischen selbstständigen Künstlern und Publizisten auf der einen und den Vermarktern von Kunst und Publizistik auf der anderen Seite beruht nicht darauf, dass derjenige, der Leistungen selbstständiger Künstler oder Publizisten in Anspruch nimmt, hierdurch Gewinne erzielt oder überhaupt erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgt, sondern darauf, dass der Kunstverwerter, der sich der Werke selbstständiger Künstler und Autoren zur Erfüllung seiner Zwecke bedient, eine arbeitgeberähnliche Position einnimmt (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 15). Der Gesetzgeber hat, ausgehend von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1987 (BVerfGE 75, 108 = SozR 5425 § 1 Nr 1), für die KSA nicht eine Vermarktung künstlerischer oder publizistischer Leistungen, sondern deren Inanspruchnahme und Verwertung für eigene Zwecke als maßgeblich angesehen (BT-Drucks 11/2964, S 13). § 24 Abs 1 KSVG unterwirft Unternehmen ohne Rücksicht auf die Rechtsform, in der sie betrieben werden, der Abgabepflicht; öffentlich-rechtliche Unternehmen werden nicht ausgeklammert. Dies gilt auch für den Fall, dass sie bei der Verwertung von Kunst oder Publizistik gerade in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe tätig werden (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 15 – soziale Künstlerförderung). Soweit die Rechtsprechung für den Unternehmensbegriff des KSVG neben einer nachhaltigen, dh nicht nur gelegentlichen Tätigkeit die Absicht der Erzielung von Einnahmen gefordert hat (BSGE 69, 259, 263 = SozR 3-5425 § 24 Nr 1 – gemeindliche Musikschule), wurde es als ausreichend angesehen, wenn zwischen der Verwertung künstlerischer oder publizistischer Leistungen und der Erzielung von Einnahmen nur eine mittelbare Verbindung besteht. Es genügt, dass die Kunstverwertung im Zusammenhang mit Aufgaben steht, die aus Haushaltszuweisungen, aus Beiträgen oder aus anderen Einnahmen finanziert werden (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 6 – privater Rundfunksender; BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 8 – pädagogische Hochschule), was hier (vgl § 61 LRG) der Fall ist.
Die Abgabepflicht der Klägerin folgt aus § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 4 KSVG. Nach der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2606) sind Unternehmer zur KSA verpflichtet, die “Rundfunk oder Fernsehen betreiben”. Aus der gleichzeitigen Nennung von Rundfunk und Fernsehen wird deutlich, dass der Gesetzgeber im Rahmen des KSVG seit der Neuregelung dieses Gesetzes zum 1. Januar 1989 den Begriff Rundfunk lediglich als Synonym für den Begriff Hörfunk verwendet. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird dagegen Rundfunk vielfach auch als gemeinsamer Oberbegriff für Hörfunk und Fernsehen verstanden. Dieser Oberbegriff wurde auch noch in der Ursprungsfassung des KSVG vom 27. Juli 1981 (BGBl I 705) verwendet, wonach gemäß § 24 Abs 2 Nr 1 KSVG “Rundfunkanstalten” zur KSA verpflichtet waren. Erst die Neuregelung zum 1. Januar 1989 hat den Begriff Rundfunk durch die gleichzeitige Hinzufügung des Begriffs Fernsehen zum Synonym für den Begriff Hörfunk werden lassen, und die Streichung des Begriffs “Anstalten” hat klargestellt, dass nicht nur öffentlich-rechtliche, sondern auch private Hörfunk- und Fernsehanbieter, die 1981 noch gar nicht am Markt vertreten waren, von der Abgabepflicht erfasst sein sollten (BT-Drucks 11/2964, S 18).
Auch das LRG des Landes Schleswig-Holstein verwendet den Begriff Rundfunk als den erwähnten Sammelbegriff; denn nach § 1 Abs 1 LRG gilt das Gesetz “für Rundfunk, insbesondere für die (Nr 1) Veranstaltung von Hörfunk und Fernsehen, (Nr 2) Weiterverbreitung vorhandener Rundfunkprogramme in Kabelanlagen, (Nr 3) Offenen Kanäle (Bürgerfunk), (Nr 4) Zuordnung von Übertragungskapazitäten.” Rundfunk ist nach § 3 Abs 1 Satz 1 LRG die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters. § 3 Abs 10 Nr 2 LRG unterscheidet bei den “Rundfunkprogrammen” demgemäß zwischen den “Programmarten” Hörfunk und Fernsehen. Weil § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 4 KSVG Rundfunk und Fernsehen gleichrangig nebeneinander nennt, fallen also “Rundfunkbetreiber” unabhängig davon in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift, ob sie nur Hörfunk oder gleichzeitig Hörfunk und Fernsehen anbieten; reine “Fernsehanbieter” fallen dagegen unter den Begriff Fernsehen.
Die Klägerin betreibt Rundfunk iS des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 4 KSVG, weil sie für Hörfunk und Fernsehen jeweils einen Offenen Kanal (Bürgerfunk) einzurichten hat (§ 34 LRG), ihn trägt, durchführt (§ 37 Abs 1, § 53 Abs 1 Nr 6 LRG) und ihn auch finanziert (§ 38 LRG).
Mit dem Bürgerfunk wird jedem Bürger die Möglichkeit gegeben, ein von ihm erstelltes und gestaltetes Fernseh- oder Radioprogramm zu senden. Die Funktion des Bürgerfunks, grundsätzlich jedermann den Zugang zum Medium Rundfunk zu ermöglichen, setzt voraus, dass die Berechtigten die finanziellen und technischen Möglichkeiten haben, Sendungen zu produzieren. “Bürgerfunker” müssen zudem über hinreichende Kenntnisse verfügen, um ihre Programmbeiträge inhaltlich und technisch so gestalten zu können, dass diese sendefähig sind. Mit der Unterstützung solcher Gruppen, die ohne ausreichende technische und finanzielle Ausstattung nicht oder nur sehr eingeschränkt Zugang zum privaten Rundfunk erhalten könnten, sollen hinreichende Bedingungen geschaffen werden, dass diese Gruppen das ihnen nach Art 5 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) eingeräumte Grundrecht auch tatsächlich ausüben können (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Dezember 2001 – 8 A 538/01 – NWVBl 2002, 299, 302). Die Klägerin bietet den Bürgern mit dem Offenen Kanal also eine Plattform, damit diese in eigener Verantwortung Fernseh- oder Radioprogramme senden können. Sie gestaltet hingegen keine selbstverantworteten Programme, und nach § 37 Abs 5 Satz 3 LRG ist es ihr sogar ausdrücklich untersagt, eigene Beiträge im Sendebetrieb zu verbreiten oder ein eigenes Rahmenprogramm zu gestalten.
Damit unterscheidet sich die Klägerin von den herkömmlichen – öffentlich-rechtlichen und privaten – Rundfunk-, Hörfunk- und Fernsehsendern und den von ihnen verbreiteten Programmen. Unter “Programm” wird dabei im Allgemeinen eine auf längere Dauer angelegte, planmäßige und strukturierte Abfolge von eigenständig verantworteten Sendungen oder Beiträgen verstanden (vgl auch § 3 Abs 2 LRG). Als Veranstalter eines solchen Programms ist anzusehen, wer seine Struktur festlegt, die Abfolge plant, die Sendungen zusammenstellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung dem Publikum anbietet (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1998 – 1 BVR 661/94 – BVerfGE 97, 298, 310). Die so gearteten Rundfunk-, Hörfunk- und Fernsehveranstalter werden – unabhängig von ihrer Rechtsform – in erster Linie vom Abgabetatbestand des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 4 KSVG erfasst (BT-Drucks 11/2964 S 18; Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl 1992, § 24 RdNr 89).
Auf diesen Kreis professioneller Anbieter mit eigener Programmverantwortung ist der Abgabetatbestand aber nicht schon deshalb begrenzt, weil es andere zum Zeitpunkt der Verabschiedung des KSVG im Jahre 1981 noch nicht gab und auch keine Landesmedienanstalten mit ihrer Vielzahl von Aufgaben existierten, zu denen die Klägerin gehört (vgl § 53 Abs 1 Nr 9 LRG). Der ab 1. Januar 1989 geltende Wortlaut des Gesetzes schließt nicht aus, auch Verbreiter von Sendungen über elektromagnetische Wellen oder Kabel ohne Programmverantwortung als Rundfunkunternehmen einzuordnen. § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 4 KSVG spricht nicht etwa von der “Veranstaltung”, sondern vom “Betrieb” von Rundfunk oder Fernsehen, was es erlaubt, nicht nur die herkömmlichen Rundfunkveranstalter darunter zu verstehen. Der Begriff des “Betriebs” von Rundfunk ist umfassender. Er geht, wie in § 3 Abs 1 Satz 1 LRG hervorgehoben, über die Veranstaltung von Rundfunk hinaus und erfasst auch die Verbreitung solcher Darbietungen, wie es beim Offenen Kanal geschieht. Dies entspricht ganz der Absicht des Gesetzgebers, die kunstverwertenden Unternehmen in möglichst breitem Umfang zu erfassen und nur solche Unternehmen auszuklammern, die sich auf rein technische Maßnahmen der Verbreitung (Ausschluss der Filmtheater in § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KSVG) oder der Vervielfältigung (Ausschluss der Kopierwerke in § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 5 KSVG) beschränken. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall, weil sie durch eigenen personellen Einsatz (§ 37 Abs 1 LRG) auch dafür sorgt, dass Programmbeiträge der Bürger in “fernsehgerechter Form” gesendet werden können. Sie nimmt – wenn auch ohne inhaltliche Programmverantwortung – auf die Gestaltung der Sendungen Einfluss und schafft damit wesentliche Voraussetzungen für deren Ausstrahlung, die über eine bloß technische Unterstützung hinausgehen.
Die Feststellungen des LSG reichen im Übrigen aus, um auch den – von den Beteiligten und den Vorinstanzen bis dahin nicht in Erwägung gezogenen, in der mündlichen Verhandlung über die Revision aber erörterten – Abgabetatbestand des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG zu bejahen, weil ein wesentlicher Unternehmenszweck der Klägerin darauf gerichtet ist, für die “Darbietung publizistischer Leistungen” zu sorgen, indem sie nach ihrem gesetzlichen Auftrag regelmäßig Beiträge zur Medienforschung von wissenschaftlichen Autoren erstellen lässt und diese allgemein zugänglich macht.
Nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG idF des Gesetzes vom 13. Juni 2001 (BGBl I 1027) sind Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen abgabepflichtig, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Dieser Abgabetatbestand ist im vorliegenden Fall für die Zeit ab 1. Juli 2001 erfüllt, weil zu diesem Zeitpunkt die bis dahin auf die Aufführung oder Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen beschränkte Gesetzesfassung um die publizistischen Werke oder Leistungen erweitert worden ist.
Im Rahmen ihrer in § 53 Abs 1 LRG genannten Aufgaben, insbesondere der Verwirklichung der Medienforschung (Nr 7), lässt die Klägerin entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung (vgl § 62 LRG) regelmäßig Gutachten, Aufsätze und sonstige Beiträge von wissenschaftlichen Autoren verschiedener Fachrichtungen erstellen und veröffentlicht diese in den von ihr herausgegebenen Schriftenreihen. Damit sorgt sie für die “Darbietung” (im Sinne einer allgemeinen Verbreitung bzw Ermöglichung der Kenntnisnahme) publizistischer Werke oder Leistungen. Dass wissenschaftliche Autoren zu den Publizisten iS der §§ 1, 2 KSVG gehören, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig (zum Begriff vgl BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 7 und Nr 12).
Die Sorge für die Verbreitung publizistischer Werke oder Leistungen stellt auch einen “wesentlichen” Zweck des Unternehmens iS des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG dar. Ist das Unternehmen eine Behörde oder andere öffentliche Einrichtung und werden deren Aufgaben durch Gesetz geregelt, zählen prinzipiell alle gesetzlichen Pflichtaufgaben zu den wesentlichen Unternehmenszwecken iS des KSVG, auch wenn sich die Bedeutung und der Umfang der einzelnen Pflichtaufgaben voneinander unterscheiden mögen. Die in § 53 Abs 1 LRG aufgeführten Aufgaben der Klägerin, zu deren Erfüllung ua Aufträge an wissenschaftliche Autoren erteilt (§ 62 LRG) und die Schriftenreihen herausgeben werden, sind solche gesetzlichen Pflichtaufgaben. Da sie im Zuständigkeitskatalog des § 53 Abs 1 LRG gleichrangig nebeneinander stehen, bilden sie jeweils einen “wesentlichen” Zweck der Arbeit der Klägerin. Etwas anderes gilt allenfalls für die – hier nicht betroffenen – Nebenaufgaben, zu denen die Klägerin nach dem Gesetz zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet ist (vgl § 53 Abs 2 LRG).
Der Begriff des “wesentlichen” Zwecks darf dabei nicht gleichgesetzt werden mit dem Begriff des “überwiegenden” Zwecks, wie er zB in § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KSVG verwendet wird. Unternehmen sind nach jener Vorschrift wie Theater, Orchester und Chöre zur KSA verpflichtet, wenn ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten. Einen “überwiegenden” Zweck solcher publizistischer Darbietungen verlangt der Abgabetatbestand des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG nicht. Es kann nicht angenommen werden, dass die unterschiedliche Wortwahl in beiden Abgabetatbeständen nur auf ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers zurückzuführen ist. Beide Fassungen beruhen auf der Neuregelung des § 24 KSVG durch das Gesetz vom 25. September 1996 (BGBl I 1461) und folgen unmittelbar aufeinander, sodass von einer bewussten Unterscheidung der Begriffe ausgegangen werden muss. Die nach den Gesetzesmaterialien der einschränkenden Neufassung der Abgabetatbestände des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 3 KSVG zu Grunde liegende Absicht, künftig die Abgabepflicht zu begrenzen, weshalb in beiden Fällen der “Hauptzweck” der – dort ergänzend aufgeführten – sonstigen Unternehmen bei der Aufführung oder Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen liegen müsse, um die Abgabepflicht auszulösen (BT-Drucks 13/5108, S 17), hat in dem Wortlaut der Neufassung des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG keinen entsprechenden Niederschlag gefunden und führt dazu, die – weitere – Formulierung “wesentlicher” Zweck als nicht gleichbedeutend mit der – engeren – Formulierung “überwiegender” Zweck bzw “Hauptzweck” auszulegen. Es kann bei einem Unternehmen naturgemäß allenfalls einen überwiegenden Zweck geben, aber durchaus mehrere wesentliche, dh das Unternehmen kennzeichnende bzw wesensbestimmende Zwecke. Der Abgabetatbestand des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG ist damit erfüllt, wenn der wesentliche Zweck bzw einer dieser wesentlichen Zwecke darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen, ohne dass es sich zugleich um den überwiegenden Zweck, also den Tätigkeitsschwerpunkt oder den Hauptzweck, handeln muss. Es ist daher für die Abgabepflicht der Klägerin ausreichend, dass die im Rahmen ihrer Pflichtaufgaben (§ 53 Abs 1 Nr 7, § 62 LRG) erfolgende (Sorge für die) Darbietung publizistischer Werke oder Leistungen einen “wesentlichen” Zweck ihrer Tätigkeit darstellt, und es ist unerheblich, dass dies nach dem Aufgabenkatalog des § 53 LRG ersichtlich nicht ihrem “überwiegenden” Zweck entspricht, der durch die Pflichtaufgaben nach § 53 Abs 1 Nr 1 bis 3 LRG gekennzeichnet sein dürfte.
Wenn – wie hier – für die Tätigkeit eines Unternehmens wenigstens ein Abgabetatbestand für den gesamten erfassten Zeitraum zutrifft, steht seine grundsätzliche Abgabepflicht und damit die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit des Erfassungsbescheides fest. Es bedarf hier daher keiner Entscheidung der Frage, ob die Klägerin daneben auch noch, wie von der Beklagten angenommen, als Verlagsunternehmen iS des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KSVG (vgl zu diesem Begriff Urteil des Senats vom 4. März 2004 – B 3 KR 17/03 R – zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) einzustufen ist oder, wie das SG gemeint hat, wegen Werbung bzw Öffentlichkeitsarbeit für Zwecke ihres eigenen Unternehmens iS des § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG der Abgabepflicht unterliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der hier noch anwendbaren, bis zum 1. Januar 2002 gültigen Fassung (vgl § 197a SGG iVm Art 17 Abs 1 Satz 2 6. SGGÄndG vom 17. August 2001, BGBl I 2141).
Fundstellen
FA 2004, 318 |
NZS 2004, 599 |
SozR 4-5425 § 24, Nr.4 |