Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderung an Rechtsmittelbelehrung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Daß nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine dem Gesetz genügende Rechtsmittelbelehrung eine Berechnung des Streitwerts im konkreten Fall oder eine Anleitung zur Streitwertberechnung nicht zu enthalten braucht, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es reicht aus, wenn in der Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich der Streitwertrevision über die Wertgrenze belehrt wird.

2. Die Rechtsmittelsicherheit in Finanzstreitsachen ließe sich erhöhen, wenn § 546 Abs. 2 ZPO nach § 155 FGO sinngemäß angewendet würde. Ob jedoch § 546 Abs. 2 ZPO der sinngemäßen Anwendung im finanzgerichtlichen Verfahren zugänglich ist, ist eine Frage des einfachen Rechts, die das Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen hat.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; FGO § 115 Abs. 1, § 155; ZPO § 546 Abs. 2

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 22.06.1984; Aktenzeichen VI R 39/84)

Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 01.12.1983; Aktenzeichen II 43/83)

 

Gründe

1. Die Verwerfung der Revision verletzt keine Grundrechte des Beschwerdeführers. Der Bundesfinanzhof konnte in Auslegung und Anwendung einfachen Rechts zu dem Ergebnis kommen, daß der Streitwert 5750,– DM und damit nicht mehr als 10 000,– DM betrage und die Revision als Streitwertrevision nicht zulässig sei. Gestritten wurde um die Einkommensteuer 1980. Daß der Beschwerdeführer auch beantragt hat, den gegebenenfalls rücktragsfähigen Verlust – eine unselbständige Besteuerungsgrundlage im Sinne des § 157 Abs. 2 AO – mit 109 191,– DM statt mit nur 20 000,– DM anzusetzen, brauchte sich auf die Streitwertberechnung durch den Bundesfinanzhof nicht auszuwirken. Eine Verpflichtung des Finanzamts zur Änderung der Einkommensteuer für das Vorjahr 1979 im Wege des Verlustrücktrags (§ 10 d EStG) hat der Beschwerdeführer im Klage- und Revisionsverfahren vor dem Finanzgericht und dem Bundesfinanzhof nicht zusammen mit der Anfechtungsklage gegen den Einkommensteuerbescheid 1980 zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht.

2. Der Bundesfinanzhof konnte der Revisionsbegründungsschrift verfassungsrechtlich unbedenklich die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde entnehmen. Das Finanzgericht hatte die Revision nicht ausdrücklich zugelassen; in der an den Bundesfinanzhof gerichteten Revisionsbegründungsschrift beantragte der Beschwerdeführer, die Revision wegen Divergenz und Verfahrensmangel doch zuzulassen.

Die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde als verspätet läßt keine Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers erkennen. Der Bundesfinanzhof konnte davon ausgehen, daß die Rechtsmittelfrist mit der Zustellung des Finanzgerichtsurteils zu laufen begonnen hatte und daß die Rechtsmittelbelehrung, die in dem Finanzgerichtsurteil enthalten war, ausreichte. Daß nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine dem Gesetz genügende Rechtsmittelbelehrung eine Berechnung des Streitwerts im konkreten Fall oder eine Anleitung zur Streitwertberechnung nicht zu enthalten braucht, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es reicht aus, wenn in der Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich der Streitwertrevision über die Wertgrenze belehrt wird. Zu prüfen, ob der Streitwert im konkreten Fall die Wertgrenze erreicht, so daß Revision eingelegt werden kann, oder ob mangels Erreichens der Wertgrenze nur eine Nichtzulassungsbeschwerde in Betracht kommt, fällt in den eigenen Verantwortungsbereich des Rechtsmittelführers und seines Prozeßbevollmächtigten. Allerdings ließe sich die Rechtsmittelsicherheit in Finanzstreitsachen erhöhen, wenn § 546 Abs. 2 ZPO nach § 155 FGO sinngemäß angewendet würde. Ob jedoch § 546 Abs. 2 ZPO der sinngemäßen Anwendung im finanzgerichtlichen Verfahren zugänglich ist, ist eine Frage des einfachen Rechts, die das Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen hat (BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫). Es verletzt keine Grundrechte des Beschwerdeführers, wenn der Bundesfinanzhof stillschweigend davon ausgegangen ist, § 546 Abs. 2 ZPO sei im finanzgerichtlichen Verfahren nicht sinngemäß anwendbar.

3. Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Finanzgerichts ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht erschöpft hat (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Denn dazu hätte gehört, daß er gegen das Urteil des Finanzgerichts eine an sich statthafte Nichtzulassungsbeschwerde in formell zulässiger Weise erhoben hätte (vgl. BVerfGE 1, 12 ≪13≫; 16, 1≪2≫). Daran fehlt es. Durch Verwerfung der unzulässig erhobenen Rechtsmittel wurde die Frist für die Einlegung der Verfassungsbeschwerde nicht neu in Lauf gesetzt (BVerfGE 5, 17 ≪19≫).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1586417

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