Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei falscher Sortierung des Posteingangs
Leitsatz (redaktionell)
Wird die eingehende Post einschließlich der umfangreichen Fanpost ungeöffnet sortiert und werden nur die der Geschäftspost zugeordneten Eingänge inhaltlich sofort überprüft, sind bei umfangreichem Posteingang Fehler vorprogrammiert; das die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließende Verschulden liegt damit in der Organisation der Postbearbeitung, nicht in einem individuellen Sortierfehler. Die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt unter diesen Umständen nicht die Rechte auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 56 Abs. 1; AO 1977 § 110
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 02.12.1991; Aktenzeichen IV B 102/90) |
BFH (Beschluss vom 02.12.1991; Aktenzeichen IV B 103/90) |
FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 29.03.1990; Aktenzeichen XIII K 76/89) |
FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 29.03.1990; Aktenzeichen XIII K 70/89) |
Gründe
Streitig ist, ob die Rechte der Beschwerdeführer aus Art. 103 Abs. 1 GG im finanzgerichtlichen Verfahren betreffend die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt worden sind.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen keine Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte der Beschwerdeführer. Der Vortrag der Beschwerdeführer läßt insbesondere keine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG erkennen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann eine gerichtliche Entscheidung nur dann wegen eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG aufgehoben werden, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Anhörung des Beteiligten zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte; nur dann beruht die Entscheidung darauf, daß der Beteiligte nicht gehört wurde (st. Rspr. seit BVerfGE 7, 239 ≪241≫). Hieraus ergibt sich für die Beschwerdeführer eine besondere Substantiierungspflicht; der Rüge des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG muß zu entnehmen sein, was die Beschwerdeführer bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätten. Nur dann kann geprüft und entschieden werden, ob die angegriffene Entscheidung auf dem Anhörungsfehler beruht (BVerfGE 28, 17 ≪19 f.≫). Die Begründung der Verfassungsbeschwerden enthält dazu keinen erheblichen Vortrag; nach der Begründung der Verfassungsbeschwerden wäre bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen und Beweis dafür angeboten worden, daß der Brief von der Beschwerdeführerin erstmals bei der Durchsicht der in der Wanne liegenden Fanpost gesehen worden sei, sowie, daß der Brief von außen als vom Finanzamt stammend erkennbar gewesen sei. Dieser Vortrag ist nach dem verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsstandpunkt des Finanzgerichts unerheblich. Einen Anhörungsfehler unterstellt, beruht darauf jedenfalls nicht die angegriffene Entscheidung. Sie sieht das Verschulden nicht in einem individuellen Sortierfehler, sondern in der Organisation der Postbearbeitung als solcher. Wörtlich führt das Finanzgericht dazu aus: „Der Bearbeitungsfehler der Klägerin liegt darin, daß sie die eingehende Post ungeöffnet sortiert und nur die dabei der Geschäftspost zugeordneten Eingänge auch inhaltlich überprüft hat. Bei dieser Bearbeitungsweise sind angesichts des Umfangs der bei den Klägern eingehenden Post Fehler vorprogrammiert.” Die Begründung der Verfassungsbeschwerden enthält keine Ausführungen dazu, was unter Zugrundelegung dieses finanzgerichtlichen Rechtsstandpunktes vorgetragen worden wäre.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen