Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Grundtabelle und der Sonderausgabenabzüge und des Kontakt-Freibetrages für geschiedene Ehegatten
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, daß geschiedene Ehegatten nicht zusammenveranlagt werden können und mithin die Anwendung des Splitting-Tarifs nicht in Betracht kommt.
2.Der Sonderausgabenabzug von 9000 DM für Unterhaltszahlungen an den geschiedenen Ehegatten und der Kontakt-Freibetrag für minderjährige Kinder von je 600 DM sind verfassungsgemäß.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG 1981 § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 33a Abs. 1, 1a
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 13.05.1985; Aktenzeichen IX B 63/84) |
Niedersächsisches FG (Urteil vom 01.03.1984; Aktenzeichen VI 86/83) |
Gründe
1. a) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es, daß geschiedene Ehegatten nicht zusammenveranlagt werden können (vgl. § 26 Abs. 1 EStG) und mithin die Anwendung des Splitting-Tarifs (vgl. § 32 a Abs. 5 EStG) nicht in Betracht kommt (vgl. BVerfGE 61, 319 ≪345≫).
b) Die wirtschaftliche Belastung mit Unterhaltszahlungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten mindert die steuerliche Leistungsfähigkeit; dies ist nach dem Gebot der Steuergerechtigkeit und dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) auch einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat hierfür zwei Formen zur Verfügung gestellt, zum einen den im Jahre 1981 auf 3600,– DM begrenzten Abzug von Unterhaltsaufwendungen unter Anrechnung eigener Einkünfte und Bezüge des Empfängers als außergewöhnliche Belastung (vgl. § 33 a Abs. 1 EStG), zum anderen den Abzug als Sonderausgaben bis zu 9000,– DM mit der Folge der Steuerpflicht beim unterhaltsberechtigten Ehegatten (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sogenanntes begrenztes Real-Splitting). Nach ständiger Rechtsprechung (BVerfGE 61, 319 ≪343≫; 66, 214 ≪223≫; 67, 290 ≪297≫) darf der Gesetzgeber für die Abzugsfähigkeit solcher zwar außerhalb der Sphäre der Einkommenserzielung – also im privaten Bereich – anfallender, jedoch für den Steuerpflichtigen unvermeidbarer Aufwendungen keine realitätsfremden Grenzen ziehen. Als wesentlichen Anhaltspunkt für die Zwangsläufigkeit derartiger Unterhaltsaufwendungen hat das Bundesverfassungsgericht die jeweils geltenden Regelsätze der Sozialhilfe zugrunde gelegt (vgl. BVerfGE 66, 214 ≪224≫). Das sozialhilferechtlich gewährleistete Existenzminimum, das jeweils verbrauchsbezogen ermittelt wird, soll eine menschenwürdige Lebensführung ermöglichen (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG). Es wird regelmäßig den steigenden Lebenshaltungskosten angepaßt. Der monatliche Regelsatz für den Haushaltsvorstand betrug laut Runderlaß des Niedersächsischen Sozialministers vom 18. November 1980 328,– DM. Selbst wenn diesem Betrag noch einmalige Leistungen (für Unterkunft, Heizkosten, Kleidung und Hausrat u.a.) hinzugerechnet werden würden, wäre der Gesamtbedarf durch den Betrag von 9 000,– DM im Jahre 1981 erkennbar abgedeckt.
2. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 43, 108 ≪123≫; 45, 104 ≪120 f.≫) hat die durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 erfolgte Einführung eines einheitlichen Kindergeldes und die Abschaffung der Kinderfreibeträge als verfassungsrechtlich zulässigen Systemwechsel angesehen. Ebenso wenig hat es beanstandet, daß das Kindergeld dem Elternteil gewährt wird, der die Personensorge trägt. Insbesondere ist es verfassungsrechtlich ausreichend, wenn der andere Elternteil, der den Unterhalt in bar leistet, nicht hierfür unmittelbar steuerlich, sondern mittelbar über die Bemessung der Unterhaltsleistungen entlastet wird (vgl. BVerfGE 45, 104 ≪123 f. und 132 f.≫; BGHZ 70, 151 ≪152 ff.≫).
Der sogenannte Kontakt-Freibetrag gemäß § 33 a Abs. 1 a EStG soll hingegen nicht den typischen Kindesunterhalt abgelten, sondern in typisierender Weise die Mehrbelastungen ausgleichen, die dem geschiedenen Elternteil, dem das Kind nicht zugeordnet ist, über die Unterhaltsleistungen hinaus, zum Beispiel durch den Besuch des Kindes, üblicherweise entstehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen