Entscheidungsstichwort (Thema)
Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Verfassungsmäßigkeit der BFH-Rechtsprechung zum Mietkaufmodell
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verfassungsbeschwerde ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der nur zulässig ist, wenn die gerügte Grundrechtsverletzung auf andere Weise nicht hätte beseitigt werden können. Danach ist eine Verfassungsbeschwerde in der Regel unzulässig, wenn der Bundesfinanzhof die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig verwirft, denn in diesen Fällen hat der Beschwerdeführer nicht von einem gegen die Entscheidung des Finanzgerichts zulässigen Rechtsmittel ordnungsgemäß Gebrauch gemacht.
2. Die Auslegung der §§ 2, 21 EStG dahingehend, daß nur Erwerbshandlungen besteuert werden, die darauf gerichtet sind, auf Dauer gesehen wirtschaftliche Vorteile und damit positive Einkünfte zu erzielen, bedeutet keine verfassungswidrige Ausweitung eines gesetzlichen Steuertatbestandes. Der in § 2 EStG normierte Einkommensbegriff ist ein eigenständiger steuerrechtlicher Tatbestand, der auslegungsfähig ist und eine entsprechende Interpretation zuläßt. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte zum Mietkaufmodell verstößt daher nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Normenkette
BVerfGG § 90 Abs. 2 S. 1; EStG §§ 2, 21
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 02.11.1989; Aktenzeichen IX B 33/89, IX B 34/89, IX B 35/89IX B 33/89IX B 34/89IX B 35/89) |
Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 15.11.1988; Aktenzeichen III 1171/88) |
Gründe
1. a) Soweit die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs eingelegt haben, sind sie unzulässig, weil sie nicht substantiiert sind. Nach § 92 BVerfGG muß ein Beschwerdeführer hinreichend deutlich die Möglichkeit einer Verletzung seiner Grundrechte vortragen. Der Bundesfinanzhof hat die Nichtzulassungsbeschwerden der Beschwerdeführer als unzulässig verworfen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerden aus rein prozessualen Gründen die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt.
b) Die Verfassungsbeschwerden sind auch im übrigen unzulässig, denn ihnen steht der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarit, der Verfassungsbeschwerde entgegen. Danach muß ein Beschwerdeführer die Beseitigung des Hoheitsaktes, dessen Grundrechtsverletzung er geltend macht, zunächst mit den ihm durch das Gesetz zur Verfügung gestellten anderen Rechtsbehelfen zu erreichen suchen (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 22, 287 ≪290 f.≫; 73, 322 ≪325≫). Die Verfassungsbeschwerde ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der nur zulässig ist, wenn die gerügte Grundrechtsverletzung auf andere Weise nicht hätte beseitigt werden können.
Danach ist eine Verfassungsbeschwerde in der Regel unzulässig, wenn der Bundesfinanzhof die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig verwirft, denn in diesen Fällen hat der Beschwerdeführer nicht von einem gegen die Entscheidung des Finanzgerichts zulässigen Rechtsmittel ordnungsgemäß Gebrauch gemacht (vgl. bereits BVerfGE 1, 13 ≪14≫).
Die Nichtzulassungsbeschwerden sind vom Bundesfinanzhof als unzulässig verworfen. Damit haben die Beschwerdeführer nicht alle Möglichkeiten genutzt, die von ihnen gerügten Grundrechtsverletzungen auf andere Weise zu beseitigen. Hätten die Beschwerdeführer die Nichtzulassungsbeschwerden prozessual ordnungsgemäß erhoben, hätte die Möglichkeit der Beseitigung der gerügten Grundrechtsverletzungen bestanden. Der Bundesfinanzhof hätte sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer sachlich auseinandersetzen müssen.
2. Die Verfassungsbeschwerden hätten im übrigen auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Beschwerdeführer rügen im wesentlichen, daß die Entscheidungen der Finanzgerichte nicht gesetzmäßig seien. Damit rügen sie die fehlerhafte Auslegung und Anwendung steuerrechtlicher Normen. Auslegung und Anwendung von Gesetzesvorschriften durch ein Gericht können vom Bundesverfassungsgericht jedoch nur in engen Grenzen nachgeprüft werden. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Auslegung unterverfassungsrechtlicher Gesetze und ihre Anwendung im konkreten Fall auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. BVerfGE 13, 85 ≪92≫; 19, 166 ≪175≫). Das Bundesverfassungsgericht hat daher nicht zu entscheiden, ob die Auslegung und Anwendung der einkommensteuerrechtlichen Vorschriften im vorliegenden Fall vom Standpunkt des Steuerrechts richtig ist.
Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung der Rechtsweggarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG rügen, sind die Verfassungsbeschwerden offensichtlich unbegründet. Art. 19 Abs. 4 GG eröffnet jedem, der durch die öffentliche Gewalt verletzt wird, den Rechtsweg. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt den Schutz durch den Richter, nicht gegen den Richter (BVerfGE 15, 275 ≪280≫). Daß den Beschwerdeführern durch die angegriffenen Entscheidungen die Möglichkeit genommen worden ist, angemessenen Rechtsschutz zu erlangen, ist nicht erkennbar.
Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung sei nicht gewahrt, käme lediglich ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Betracht. Die Verfassungsbeschwerden hätten auch insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung. Die Auslegung der §§ 2, 21 EStG dahingehend, daß nur Erwerbshandlungen besteuert werden, die darauf gerichtet sind, auf Dauer gesehen wirtschaftliche Vorteile und damit positive Einkünfte zu erzielen, bedeutet keine verfassungswidrige Ausweitung eines gesetzlichen Steuertatbestandes. Der in § 2 EStG normierte Einkommensbegriff ist ein eigenständiger steuerrechtlicher Tatbestand, der auslegungsfähig ist und eine entsprechende Interpretation zuläßt. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte zum Mietkaufmodell verstößt daher nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (vgl. zur sogenannten Liebhaberei auch den Beschluß der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. November 1986 – 1 BvR 330/86 –, HFR 1988, S. 34).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen