Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung für Rechtsgutachten zur Begründung einer Verfassungsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Rechtsgutachtens, das zur Unterstützung einer Verfassungsbeschwerde vorgelegt wurde.
Normenkette
BVerfGG § 34a Abs. 2; ZPO § 91
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 20.02.1987; Aktenzeichen 6 U 224/86) |
LG Bonn (Urteil vom 16.07.1986; Aktenzeichen 12 O 52/86) |
Tatbestand
I.
1. Die Beschwerdeführer – ein Interessenverband von Lohnsteuerhilfevereinen und sein Vorstandsvorsitzender – erhoben Verfassungsbeschwerde gegen zivilgerichtliche Urteile, mit denen ihnen untersagt worden war, die Zahl der Mitgliedsvereine des Interessenverbandes öffentlich bekannt zu geben. Die in der Begründung knapp gehaltene Verfassungsbeschwerde verwies ergänzend auf ein beigefügtes Gutachten zur verfassungsrechtlichen Lage. Das Bundesverfassungsgericht hob die angegriffenen Entscheidungen auf, weil sie das Grundrecht des Beschwerdeführers zu 1) aus Art. 9 Abs. 1 GG und das Grundrecht des Beschwerdeführers zu 2) aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzten. Dem Land Nordrhein-Westfalen wurden die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer auferlegt (BVerfGE 84, 372).
2. Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragten die Beschwerdeführer, neben den Anwaltsgebühren und Auslagen auch das Honorar für das vorgelegte Rechtsgutachten zu berücksichtigen. Der Rechtspfleger setzte die erstattungsfähigen Kosten nur in Höhe der Gebühren und Auslagen des Prozeßbevollmächtigten fest. Hinsichtlich der Kosten für das Rechtsgutachten wies er den Antrag zurück: Gründe, die die Erstattungsfähigkeit eines privat eingeholten Rechtsgutachtens ausnahmsweise rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Dagegen richtet sich die Erinnerung der Beschwerdeführer, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
II.
Die Erinnerung ist unbegründet.
Das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht regelt nicht, wie der Begriff der „notwendigen Auslagen” im Sinne von § 34 a Abs. 2 BVerfGG zu definieren ist. Im allgemeinen werden darunter diejenigen Auslagen verstanden, die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht aufgewendet werden müssen. Die Erstattungsfähigkeit kann nicht im Wege eines schematischen Rückgriffs auf § 91 ZPO beurteilt werden. Vielmehr sind die Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 46, 321 ≪323≫; 81, 387 ≪389≫).
Im vorliegenden Fall besteht kein Grund für eine Ausnahme von der Regel, daß die Kosten für Rechtsgutachten, die eine Partei eingeholt hat, nicht erstattungsfähig sind. Eine Ausnahme ist nach herrschender Rechtsauffassung nur dann gerechtfertigt, wenn es um die Klärung außergewöhnlich schwieriger Fragen geht (vgl. OLG Koblenz, JurBüro 1988, S. 1026). Ein solcher Fall lag hier jedoch nicht vor.
Für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung der Beschwerdeführer war es nicht erforderlich, die verfassungsrechtlichen Fragen, die den Gegenstand der Verfassungsbeschwerde bildeten, durch ein Rechtsgutachten beurteilen zu lassen. Zwar hätte die Verfassungsbeschwerde ohne das beigefügte Gutachten dem Erfordernis einer hinreichenden Begründung kaum genügt, doch läßt dies keinen Rückschluß auf die Schwierigkeit der Rechtsmaterie zu. Auch die Würdigung der verfassungsrechtlichen Bedenken durch die Zivilgerichte ist kein Indiz dafür. Vielmehr waren Art und Intensität der Grundrechtsbetroffenheit unschwer zu erkennen und darzulegen. Schon vor der Erstellung des Gutachtens war das in der Berufungsinstanz geschehen. Eine nähere Begründung der These, daß das Werbeverbot für den Interessenverband nicht in gleicher Weise wie für den einzelnen Lohnsteuerhilfeverein gelten könne, dem Interessenverband vielmehr von Verfassungs wegen eine wirkungsvolle Selbstdarstellung und damit der Hinweis auf seine Mitgliederzahl ermöglicht werden müsse, hätte von dem Prozeßbevollmächtigten der Beschwerdeführer ohne weiteres erwartet werden können. Von einem Rechtsanwalt, der das Mandat zur Führung eines Prozesses vor dem Bundesverfassungsgericht annimmt, ist nämlich zu verlangen, daß er sich mit der Materie vertraut macht und auch verfassungsrechtliche Fachliteratur benutzt.
Danach war es allein die Aufgabe des Prozeßbevollmächtigten der Beschwerdeführer, eine hinreichend begründete Verfassungsbeschwerde auszuarbeiten. Daß er sich diese Arbeit durch die Beifügung eines privaten Rechtsgutachtens erleichterte, kann nicht zur Erstattungsfähigkeit der dafür entstandenen Kosten führen.
Fundstellen
Haufe-Index 1513762 |
BVerfGE, 382 |
NJW 1993, 2793 |
EuGRZ 1993, 483 |