Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Marktordnung Milch- und Fettgesetz. Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für Ausgleichsabgabe. falsche Prognose des Gesetzgebers keine Willkür
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einführung einer Marktordnung für bestimmte Produkte ist zulässig, soweit überwiegende Gründe des Gemeinwohls sie rechtfertigen.
2. Die Ausgleichsabgabe nach § 12 Abs. 3 Milch- und Fettgesetz vom 10. Dezember 1952 (BGBl. I S. 811) ist keine Steuer, sondern eine wirtschaftslenkende Maßnahme besonderer Art. Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers dafür ergibt sich aus Art. 74 Nr. 17 GG.
3. Dem Gesetzgeber kann nicht schon Willkür vorgeworfen werden, wenn die einer sachlich motivierten Einzelregelung innerhalb einer Marktordnung zugrunde gelegte wirtschaftliche Prognose sich als falsch erweist.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 74 Nrn. 11, 17, Art. 80 Abs. 1; MFG 52 § 12 Abs. 3
Gründe
A. – I.
Das Bundesgesetz über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten vom 28. Februar 1951 (BGBl. I S. 135 – MFG 51), das hier in der Fassung des Ergänzungs- und Änderungsgesetzes vom 10. Dezember 1952 (BGBl. I S. 807, 811 – MFG 52) zur Anwendung kommt, hat in Weiterentwicklung gesetzgeberischer Gedanken, die zuerst im Milchgesetz vom 31. Juli 1930 (RGBl. I S. 421) Ausdruck gefunden hatten, eine Marktordnung für die Milchwirtschaft in der Bundesrepublik geschaffen. Sie weist folgende Grundzüge auf (vgl. BVerfGE 11, 77 [78 ff.]):
Das Bundesgebiet wird in Molkereieinzugs- und -absatzgebiete eingeteilt. Jeder Milcherzeuger wird einer Molkerei zugewiesen, der er alle Milch und Sahne liefern muß, die er in Verkehr bringen will; umgekehrt ist diese Molkerei verpflichtet, alle ihr von Milcherzeugern ihres Einzugsgebiets angebotene Milch und Sahne abzunehmen, die Annahme von anderen Erzeugern ist untersagt (§ 1). Weiter geht die Bewirtschaftung bei Trinkmilch: Milch, entrahmte Milch, Buttermilch und geschlagene Buttermilch dürfen nämlich nur von bestimmten Molkereien bezogen werden, die den Abnehmern (Milchhandel und Molkereien) in einem bestimmten Gebiet zugewiesen werden. In diesem Gebiet sind die zugewiesenen Molkereien zur Lieferung verpflichtet, sie dürfen dagegen an Abnehmer außerhalb dieses Absatzgebietes nicht liefern (§ 2). Die Trinkmilchversorgung wird also bei diesen Molkereien monopolisiert. Dabei zwingen die geringe Haltbarkeit und die dadurch bedingte Beschränkung der Versandfähigkeit der Milch, zur Belieferung der großen Siedlungsgebiete die am nächsten gelegenen Molkereien heranzuziehen. Zugleich wurden auf Grund von § 20 MFG 52 für die Verbraucher Höchstpreise für Trinkmilch festgesetzt; die Monopolisierung der Lieferungen verhinderte ein Unterbieten; nach Abzug der ebenfalls staatlich festgesetzten Handels- und Bearbeitungsspannen ergab sich so der Auszahlungspreis der Molkerei an die Erzeuger.
Die Milch, die nicht als Trinkmilch abgesetzt werden kann, wird von den Molkereien möglichst günstig verwertet, indem sie zu Butter, Käse oder anderen Milcherzeugnissen (z.B. Schlagsahne, Sterilmilch, Kondensmilch, Milchpulver) verarbeitet oder hierzu an andere Hersteller weitergeliefert wird. Für den Absatz dieser Milch, der sogenannten Werkmilch, und der daraus hergestellten Erzeugnisse bestehen keine Liefer- oder Annahmepflichten, noch gibt es eine Preisfestsetzung. Jedoch genießen die Preise dieser Produkte dadurch einen gewissen Schutz, daß der Import ausländischer Speisefette durch eine „Einfuhr- und Vorratsstelle” gesteuert wird; diese kann vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auch mit einer Vorratshaltung in Speisefetten beauftragt werden (§§ 15 ff. MFG 52). Von dieser Abschirmung nach außen abgesehen, richtet sich der Preis, den die Molkerei an die Milcherzeuger bezahlt, nach dem von ihr im freien Wettbewerb erzielten Erlös. Da die Milcherzeugung seit der Währungsreform ständig zunimmt, während der Trinkmilchabsatz im wesentlichen gleichbleibt, drängt der Überschuß zur Verarbeitung als Werkmilch mit der Folge, daß deren Preis erheblich hinter dem der Trinkmilch zurückbleibt.
Daraus ergibt sich, daß die dargestellte Absatz- und Preisregelung für Trinkmilch bestimmte Molkereien und dementsprechend einen bestimmten Kreis von Milcherzeugern begünstigt. Allerdings werden die meisten Molkereien sowohl Trinkmilch absetzen wie auch Milch als Werkmilch verarbeiten oder zu dieser Verwendung weiterverkaufen (gemischte Molkereien). Jedoch lassen sich überwiegend landwirtschaftliche, stadtferne Gebiete und demgemäß Molkereien, deren Milch im wesentlichen als Werkmilch verarbeitet wird, unterscheiden von Gebieten und Molkereien, deren Milchanfall ausschließlich oder vorwiegend als Trinkmilch abgesetzt wird. Zum Ausgleich sahen schon die Ausführungsbestimmungen zum Milchgesetz vom 31. Juli 1930 die Erhebung einer Abgabe vor, deren Erträge zu Ausgleichszahlungen an die benachteiligten Molkereien und Milcherzeuger „Stützung”) verwendet wurden. Dieser Ausgleichsgedanke findet sich auch in späteren Regelungen und wurde vom Milch- und Fettgesetz übernommen (§ 12 MFG 52, ähnlich schon § 11 MFG 51). Das Gesetz unterschied einen gebietlichen Ausgleich, der den Ländern übertragen war, und einen übergebietlichen Ausgleich durch den Bund. Daher sah § 12 MFG 52 nebeneinander die Erhebung einer Bundes- und einer Landesausgleichsabgabe vor. Er lautete:
§ 12
Ausgleich
(1) Die obersten Landesbehörden haben durch ausgleichende Maßnahmen, insbesondere durch Gewährung von Zuschüssen aus den nach Absatz 2 erhobenen oder den nach Absatz 3 zugeteilten Ausgleichsabgaben, dafür zu sorgen, daß
- die Verwertung der Milch als Trinkmilch und als Werkmilch,
- die notwendige Versorgung der Trinkmilchmärkte trotz unterschiedlicher Entfernung der Molkereien vom Markt zu einer Annäherung der wirtschaftlichen Ergebnisse für Milcherzeuger und Molkereien führt.
(2) Die obersten Landesbehörden können nach Anhörung der Landesvereinigungen (§ 14) von den Molkereien, den Milchsammelstellen und den Rahmstationen Ausgleichsabgaben auf die von diesen abgesetzte Milch, Sahne (Rahm), entrahmte Milch, Schlagsahne sowie saure Sahne, Buttermilch und geschlagene Buttermilch erheben. Milcherzeuger, die Milch oder Sahne (Rahm) unmittelbar an Milchhändler, Groß- oder Einzelverbraucher abgeben dürfen, sind mit einem Pauschalbetrag zur Ausgleichsabgabe heranzuziehen. Die abgesetzten Einheiten von Sahne (Rahm), Schlagsahne, saurer Sahne sind zum Zwecke der Errechnung der Ausgleichsabgabe in die entsprechenden Einheiten von Milch umzurechnen. Soll die Ausgleichsabgabe mehr als einen Deutschen Pfennig je Kilogramm betragen, so ist die Zustimmung des Bundesministers erforderlich. Die aufkommenden Mittel sind gesondert zu verwalten und nach Anhörung der Landesvereinigung (§ 14) im laufenden oder folgenden Wirtschaftsjahr ausschließlich für die in Absatz 1 genannten Zwecke zu verwenden. Beeinträchtigen die von einem Lande festgesetzten Ausgleichsabgaben die Belange eines Nachbarlandes, so entscheidet auf Antrag einer beteiligten obersten Landesbehörde der Bundesminister über die in den beteiligten Ländern zu erhebenden Ausgleichsabgaben. Das gleiche gilt, wenn von einem Lande keine Ausgleichsabgaben festgesetzt und hierdurch die Belange eines Nachbarlandes beeinträchtigt werden.
(3) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 2 werden Abgaben von den in Absatz 2 genannten Betrieben sowie den Herstellern von sterilisierter Milch, Sahne (Rahm), entrahmter Milch und Schlagsahne erhoben, und zwar
- in Höhe bis zu einem Deutschen Pfennig je Kilogramm abgesetzter Milch und der in Absatz 2 genannten Milcherzeugnisse,
- in Höhe von zwei Deutschen Pfennig je Kilogramm hergestellter sterilisierter Milch, Sahne (Rahm), entrahmter Milch und Schlagsahne. Die abgesetzten Einheiten von Sahne (Rahm), Schlagsahne, auch sterilisiert, saurer Sahne sind zum Zwecke der Errechnung der Ausgleichsabgaben in die entsprechenden Einheiten von Milch umzurechnen. Die aufkommenden Mittel sind ausschließlich für die Durchführung eines übergebietlichen Ausgleichs im Sinne des Absatzes 1 im laufenden und folgenden Wirtschaftsjahr zu verwenden. Die für die Durchführung der Erhebung erforderlichen Bestimmungen erläßt der Bundesminister durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates. Die Verwendung der aufgekommenen Mittel erfolgt durch den Bundesminister nach Anhören der obersten Landesbehörden und eines Beirates, der beim Bundesministerium aus Vertretern der Erzeuger-, Be- und Verarbeitungsbetriebe der Milchwirtschaft gebildet ist.”
Auf Grund der ihm in Absatz 3 Satz 4 erteilten Ermächtigung erließ der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Verordnung über die Erhebung des Bundesausgleichs in der Milchwirtschaft vom 30. April 1953 (BAnz. Nr. 84 vom 5. Mai 1953).
Für die Landesausgleichsabgabe enthielt das Gesetz keine einheitliche Regelung. § 12 Abs. 2 MFG bezeichnete zwar die Produkte, die zur Landesausgleichsabgabe herangezogen werden konnten, und beschränkte auch die Höhe der Abgabe, stellte aber in diesem Rahmen die Erhebung der Abgabe ins Ermessen der obersten Landesbehörden; § 12 Abs. 1 MFG übertrug diesen auch die Verwendung der aufkommenden Mittel. Sowohl hinsichtlich der Höhe der Abgabe und der Auswahl der zu belastenden Produkte wie hinsichtlich der Voraussetzungen und des Ausmaßes der Stützung gingen die Regelungen der Länder weit auseinander.
Hierdurch entstanden vor allem bei Milcherzeugnissen, die über die Landesgrenzen hinaus abgesetzt werden, erhebliche Spannungen und Verfälschungen des Wettbewerbs. Daher hat das Vierte Gesetz zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes vom 22. Juni 1963 (BGBl. I S. 411 – MFG 63) mit Wirkung vom 1. Oktober 1963 an den § 12 MFG 52 grundlegend geändert: Die ausgleichenden Maßnahmen werden grundsätzlich dem Bund vorbehalten, der hierbei die „Erfordernisse ausgewogener Wettbewerbsverhältnisse” zu berücksichtigen hat. Die Höhe der Abgabe auf Trinkmilch richtet sich nach dem Unterschied zwischen den durchschnittlichen Nettoverwertungserlösen der Trinkmilch und der zu Butter verarbeiteten Milch, die Abgabe auf Milcherzeugnisse nach ihrer Marktstellung im Vergleich zur Trinkmilch und zueinander. Einzelheiten regelt der Bundesernährungsminister durch Rechtsverordnung (vgl. die Ausgleichsverordnung vom 2. August 1963, jetzt in der Fassung vom 17. Februar 1964; BAnz. Nr. 36 vom 21. Februar 1964).
II.
Die drei Beschwerdeführerinnen haben im Jahre 1953 abgabepflichtige Milcherzeugnisse hergestellt oder abgesetzt und sind demgemäß auf Grund von § 12 Abs. 3 Satz 1 MFG 52 und der erwähnten Verordnung des Bundesernährungsministers vom 30. April 1953 zur Bundesausgleichsabgabe herangezogen worden. Ihre Anfechtungsklagen wurden in letzter Instanz durch Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abgewiesen. Die Beschwerdeführerinnen halten ihre Heranziehung, zum Teil auch die zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen, für unvereinbar mit dem Grundgesetz; sie haben deshalb Verfassungsbeschwerde erhoben mit dem Antrag, die ihre Anfechtungsklagen zurückweisenden Erkenntnisse aufzuheben und die sie beschwerenden Bestimmungen für nichtig zu erklären.
1. Die Beschwerdeführerin zu 1) stellt sterilisierte Milch (Sterilmilch) her. Diese war nach dem MFG 51 nicht abgabepflichtig; das Ergänzungs- und Änderungsgesetz vom 10. Dezember 1952 hat aber die Abgabepflicht auf sie ausgedehnt. Wegen der Herstellung von Sterilmilch in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April 1953 wurde die Beschwerdeführerin auf Grund von § 12 Abs. 3 Satz 1b MFG 52 zu einer Bundesausgleichsabgabe in Höhe von 7 375,88 DM herangezogen. Ihre Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 6, 134) rügt Verletzung der Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 14 GG. Zur Begründung hat sie vorgetragen:
Die Auferlegung einer Abgabe auf Sterilmilch schränke ihre durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit im Wettbewerb und in der wirtschaftlichen Entfaltung ein, stehe aber mit der verfassungsmäßigen Ordnung nicht in Einklang. Sie begünstige ohne Grund die Trinkmilch, zu deren Gunsten die Sterilmilch absichtlich zurückgedrängt werde. Dies ergebe sich insbesondere aus der Bemessung und der Art der Erhebung der Abgabe. Wirtschaftslenkende Eingriffe könnten nur durch überragende Forderungen des gemeinen Wohls gerechtfertigt werden. Ein öffentliches Interesse an der Einbeziehung der Sterilmilch in die Abgabepflicht sei nicht gegeben; im Gegenteil sei sie willkürlich, zumal die Sterilmilch an dem der Trinkmilch gewährten Absatz- und Preisschutz nicht teilhabe. Zudem sei Sterilmilch, obwohl zu ihrer Herstellung Werkmilch verwendet werde, auch von der Stützung ausgeschlossen. Diese Belastung zwinge die Hersteller von Sterilmilch praktisch zur Aufgabe ihrer Produktion, wirke also erdrosselnd. Einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz sieht die Beschwerdeführerin auch darin, daß in dem hier in Betracht kommenden Zeitraum zwar Sterilmilch zur Ausgleichsabgabe herangezogen worden sei, Kondensmilch aber nicht. Unter diesen Umständen habe die Ausgleichsabgabe den Herstellern von Sterilmilch ein Sonderopfer auferlegt, ohne daß dafür ein rechtfertigender Grund gegeben sei. Daher sei auch in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, also in ihr Eigentum, rechtswidrig eingegriffen worden.
2. Die Beschwerdeführerin zu 2) stellt Schlagsahne her. Auch dieses Milcherzeugnis ist erst durch § 12 Abs. 3 Satz 1a MFG 52 der Abgabe unterworfen worden, die durch § 2 der erwähnten Verordnung des Bundesernährungsministers auf 0,5 Pfg. je kg unter Umrechnung in Milcheinheiten festgesetzt wurde. Auf Grund dieser Bestimmungen wurde die Beschwerdeführerin für in den Monaten April bis September 1953 abgesetzte Schlagsahne zu einer Bundesausgleichsabgabe in Höhe von 16 896,85 DM herangezogen.
Ihre Verfassungsbeschwerde rügt Verletzung von Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 14 GG. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Mai 1960 (BVerfGE 11, 77) macht sie geltend, das Gesetz enthalte keine ausreichende Bestimmung für die Verwendung der Ausgleichsmittel; infolgedessen sei die Erhebung einer Abgabe überhaupt unzulässig. Weiterhin behauptet die Beschwerdeführerin, die Einführung der Ausgleichsabgabe auf Schlagsahne sei nicht notwendig gewesen; die daraus aufgekommenen Millionenbeträge seien nicht ausgeschüttet, sondern gehortet worden. Es fehle überhaupt an einem für Wirtschaftslenkungsmaßnahmen vorauszusetzenden öffentlichen Interesse. Schlagsahne werde zwar zum Teil von Trinkmilchmolkereien als Nebenprodukt hergestellt und vertrieben, zum größten Teil aber von Spezialmolkereien. Die Belastung von Werkmilch widerspreche dem Sinne des ganzen Ausgleichssystems. Abgesehen hiervon habe der Gesetzgeber die Schlagsahne aus den Werkmilcherzeugnissen willkürlich herausgegriffen. Als Auferlegung eines Sonderopfers unter Verletzung des Gleichheitssatzes verletze die Abgabe auf Schlagsahne auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
3. Die Beschwerdeführerin zu 3) stellt seit etwa 1935 Tubensahne her. Sie ist auf Grund von § 12 Abs. 3 Satz 1b MFG 52 für die Produktion eines ihrer Betriebe vom 1. Januar bis 31. August 1953 mit einem Betrag von 21 188,12 DM zur Bundesausgleichsabgabe herangezogen worden. Ihre Verfassungsbeschwerde rügt Verletzung der Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 GG. In erster Linie wendet sie sich gegen die Auslegung des § 12 Abs. 3 Satz 1b durch das Bundesverwaltungsgericht, das zu Unrecht Tubensahne unter den Begriff „sterilisierte Sahne” im Sinn dieser Bestimmung gebracht habe. Tubensahne sei ein Dauermilcherzeugnis von unbegrenzter Haltbarkeit, das der – abgabefreien – Kondensmilch viel ähnlicher sei als den übrigen in § 12 MFG genannten abgabepflichtigen Milcherzeugnissen. Die Anwendung des § 12 Abs. 3 Satz 1b auf Tubensahne verstoße gegen die genannten Grundrechte und sei daher verfassungswidrig. Sollte diese Auslegung jedoch zutreffen, so wäre das Gesetz selbst insoweit verfassungswidrig. Da sie Werkmilch verarbeite, sei ihre Heranziehung zur Abgabe systemwidrig und daher willkürlich und ein verfassungswidriger Eingriff in ihre Berufsfreiheit und in ihr Eigentum.
III.
Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet.
Für die Belastung sterilisierter Milch und Sahne sei maßgebend gewesen, daß diese Produkte nach Zusammensetzung und Verwendbarkeit der nach § 12 Abs. 2 MFG abgabepflichtigen pasteurisierten Milch und Sahne gleichwertig seien. Die Dauer und der Grad der Erhitzung und der keimdichte Verschluß ergäben zwar gewisse Unterschiede, doch reiche dies nicht aus, die sterilisierten Produkte anders zu behandeln als die pasteurisierten. Sterilmilch und sterilisierte Sahne würden überwiegend von Trinkmilchmolkereien hergestellt und zusammen mit den nicht sterilisierten Produkten abgesetzt; als „Begleitprodukte” seien sie Nutznießer der Absatzregelung für Trinkmilch. Das rechtfertige ihre Einbeziehung in die Abgabepflicht. Demgegenüber sei Kondensmilch ein völlig anderes Erzeugnis.
Auch Schlagsahne sei im wesentlichen ein Begleitprodukt der Trinkmilch, da sie vorwiegend von Trinkmilchbetrieben hergestellt und vertrieben werde, obschon sich in den letzten Jahren eigene Schlagsahne-Spezialmolkereien entwickelt hätten. Im Verhältnis zum Preis des Produkts sei die Abgabe von untergeordneter Bedeutung.
Eine Prüfung der Verfassungsbeschwerden unter dem Gesichtspunkt des Art. 2 Abs. 1 GG scheide aus, da Prüfungsmaßstab nur die Sondervorschrift des Art. 12 Abs. 1 GG sein könne. Unter dem Blickpunkt dieser Norm wirke die Ausgleichsabgabe allenfalls auf die Berufsausübung ein; sie sei aber als Ausübungsregelung zulässig, wenn vernünftige Erwägungen des gemeinen Wohls sie zweckmäßig erscheinen ließen. Die Ordnung des Milchmarktes, deren notwendiger Bestandteil der Verwertungsausgleich sei, diene der Sicherung und Erhaltung der für die Ernährung überaus wichtigen Milchversorgung im Interesse der Verbraucher und Erzeuger und sei somit durch Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt.
Ebensowenig komme eine Verletzung des Art. 14 GG in Betracht. Die Auferlegung von Geldleistungspflichten sei keine Enteignung.
IV.
Das Bundesverfassungsgericht hat über die Verschiedenheit oder Gleichartigkeit von Sterilmilch und Tubensahne im Verhältnis zur Trinkmilch einerseits, zur Kondensmilch andererseits Gutachten der Sachverständigen Direktor M., Institut für Milchverwertung der Süddeutschen Versuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft Weihenstephan, und T. N., Diplomwirtschafts- und Fachberater für Milchwirtschaft in Brüssel, eingeholt. In der mündlichen Verhandlung, zu der die drei Verfassungsbeschwerden verbunden waren, waren die Beschwerdeführerinnen und die Bundesregierung vertreten. Die beiden Sachverständigen ergänzten ihre schriftlichen Gutachten; außerdem wurden vier sachverständige Zeugen vernommen.
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig, aber nicht begründet. Die Angriffe gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 12 Abs. 3 Satz 1 MFG und dessen Anwendung durch das Bundesverwaltungsgericht dringen nicht durch.
Die Verfassungsbeschwerde ist ein dem Staatsbürger eingeräumter außerordentlicher Rechtsbehelf, mit dem er Eingriffe der öffentlichen Gewalt in seine Grundrechte abwehren kann. Das Bundesverfassungsgericht hat in solchen Fällen nur über die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme zu entscheiden. Dagegen ist es nicht seine Aufgabe, nachzuprüfen, ob sie die beste, angemessenste oder zweckmäßigste Lösung darstellt (vgl. BVerfGE 3, 58 [135]; 3, 162 [182]). Wenn also ein mit der Verfassungsbeschwerde angegriffener Akt der öffentlichen Gewalt trotz vorhandener Bedenken bei Abwägung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte noch als mit der Verfassung vereinbar erscheint, so muß die Verfassungsbeschwerde abgewiesen werden. Hierin liegt lediglich die Feststellung, daß die beanstandete Maßnahme noch innerhalb der Verfassung bleibt. Eine solche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts enthebt daher die zuständigen Organe der öffentlichen Gewalt nicht der ihnen obliegenden Pflicht und Befugnis zur ständigen Überprüfung – und, wenn geboten, Verbesserung – ihrer Maßnahmen.
I.
Durch Beschluß vom 10. Mai 1960 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts § 12 Abs. 2 Satz 1 MFG für unvereinbar mit Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG und daher für nichtig erklärt, da der Bundesgesetzgeber nicht einen Landesminister unmittelbar zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigen könne (BVerfGE 11, 77; BGBl. I S. 429). Diese Nichtigkeit berührt die Gültigkeit des Absatzes 3 des § 12 MFG nicht.
Ein unmittelbarer Zusammenhang scheidet schon deshalb aus, weil die für nichtig erklärte Vorschrift die Rechtsgrundlage für die Landesausgleichsabgabe betraf, während es sich hier um die Ausgleichsabgabe des Bundes handelt. Die Gründe, die zur Nichtigerklärung des § 12 Abs. 2 Satz 1 führten, treffen für Absatz 3 nicht zu: Der Bundesernährungsminister, der in § 12 Abs. 3 Satz 4 MFG zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt wurde, ist nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG möglicher Delegatar.
§ 12 Abs. 3 MFG wird auch nicht mittelbar von der Nichtigkeit der in § 12 Abs. 2 Satz 1 MFG enthaltenen Delegation berührt. Zwar ging der Wille des Gesetzgebers offenbar nicht dahin, eine isolierte Bundesabgabe zu schaffen, denn der Bundesausgleich sollte den Landesausgleich nur ergänzen. Doch setzte die Erhebung der Bundesausgleichsabgabe nicht zwingend voraus, daß auch eine Landesausgleichsabgabe erhoben wurde. Dem § 12 Abs. 2 MFG stellte die Erhebung einer Landesausgleichsabgabe in das Ermessen der Länder; Satz 6 dieses Absatzes regelte sogar ausdrücklich den Fall, daß ein Land keine Ausgleichsabgabe erhob. Schon diese Erwägung steht der Annahme entgegen, daß der Gesetzgeber in Kenntnis der Nichtigkeit der in § 12 Abs. 2 Satz 1 MFG enthaltenen Delegation von der Einführung einer Bundesausgleichsabgabe abgesehen hätte. Der Zweite Senat hat die Erhebung einer Landesausgleichsabgabe wegen einer fehlerhaften Kompetenzübertragung, nicht aber schlechthin für unzulässig erklärt; diesen Fehler hat der Gesetzgeber durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes vom 4. August 1960 (BGBl. I S. 649) korrigiert, indem er die entsprechende Ermächtigung nunmehr den Landesregierungen übertragen hat.
II.
1. Die beanstandete Regelung ist ein wesentlicher Bestandteil der Marktordnung für die Milchwirtschaft. Verstieße diese Marktordnung im ganzen gegen Art. 2 Abs. 1 GG, so wäre auch die Erhebung der Ausgleichsabgabe nach § 12 MFG verfassungswidrig. Dies ist aber nicht der Fall.
Im System einer grundsätzlich freien Wirtschaft stellt eine Marktordnung für bestimmte Produkte allerdings einen Fremdkörper dar. Mit ihrem Geflecht von Liefer- und Annahmepflichten, Absatz- und Preisregelungen behindert sie erheblich die Freiheit des Einzelnen, sein wirtschaftliches Verhalten nach Gutdünken einzurichten. Diese Einschränkungen der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit sind aber zulässig, soweit überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Einführung einer Marktordnung rechtfertigen oder gar gebieten. Solche Gründe sind hier die Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreier Milch als einem unentbehrlichen Volksnahrungsmittel in stets ausreichender Menge zu angemessenem Preis und die Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft. Der Milchmarkt ist nach wie vor durch eine erhebliche Überproduktion gekennzeichnet; Milchproduzenten sind in großem Maße bäuerliche Familienbetriebe, auf deren Erhaltung die Agrarpolitik besonders bedacht ist. Unter diesen Umständen kann auf eine Marktordnung wenigstens zur Zeit schwerlich verzichtet werden; auch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wird eine Marktordnung für Milch haben. Der einzelne an der Milchwirtschaft beteiligte Betrieb muß deshalb die mit der Marktordnung notwendig verbundenen Beschränkungen seiner wirtschaftlichen Freiheit hinnehmen. Diese Beschränkungen erscheinen um so eher zumutbar, als die beteiligten Betriebe auch die Vorteile der Marktordnung genießen. Die Beschwerdeführerinnen haben denn auch die Marktordnung als solche nicht beanstandet.
2. Art. 2 Abs. 1 GG ist auch nicht deshalb verletzt, weil die Ausgleichsabgabe eine Steuer wäre, für die dem Bund die Kompetenz fehlen würde.
Die Ausgleichsabgabe erfüllt im Rahmen der Milchmarktordnung eine wichtige Funktion. Für die Milchwirtschaft ergeben sich aus dem Charakter des Produkts selbst, insbesondere seiner leichten Verderblichkeit, standortbedingte Vorteile und Nachteile für die Erzeuger und für die be- und verarbeitenden Betriebe. Die eingangs geschilderte Regelung knüpft hieran mit der Festsetzung von Einzugs- und Absatzgebieten und dem besonderen Schutz der Trinkmilchmärkte an; dadurch werden zwangsläufig einzelne Betriebe begünstigt, andere benachteiligt. Es liegt nahe, letzteren einen Ausgleich in Geld zu gewähren und die Mittel hierzu durch eine Abgabe der begünstigten Betriebe aufzubringen. Die Ausgleichsabgabe dient also nicht der Gewinnung von Mitteln für den allgemeinen Finanzbedarf des Staates. Sie soll vielmehr innerhalb der in die Marktordnung einbezogenen und durch sie auf besondere Weise wirtschaftlich verbundenen Betriebe einen annäherungsweisen Ausgleich der Erträge herbeiführen; es handelt sich gewissermaßen um eine erzwungene Selbsthilfe der Wirtschaft. Die Ausgleichsabgabe ist also ihrer Idee und Funktion nach eine Abgabe besonderer Art, keine Steuer. Dem entspricht ihre rechtliche Ausgestaltung: sie fließt nicht in die Staatskasse und wird nicht von den Finanzbehörden verwaltet, sondern sie wird in besonderen Fonds in den Händen des Bundesernährungsministers und der obersten Landesbehörden für Ernährung und Landwirtschaft angesammelt; das Aufkommen muß in voller Höhe für die Zwecke des Ausgleichs verwendet werden. Der Staat erhebt die Abgabe nicht für sich, er stellt sie deshalb auch nicht als Einnahme in seinen Haushalt ein; er tritt nur als Vermittler der innerhalb dieses geschlossenen Wirtschaftskreises erfolgenden Zahlungen auf.
Da die Ausgleichsabgabe somit gänzlich außerhalb des Bereichs des Finanzrechts bleibt, bestimmt sich die Kompetenz des Bundesgesetzgebers zu ihrer Erhebung nicht aus Art. 105 GG, sondern nach den Vorschriften über die Zuständigkeit zur Gesetzgebung im Bereich des Wirtschafts- und Landwirtschaftsrechts (Art. 74 Nr. 11 und 17). Daß der Bundesgesetzgeber befugt ist, ordnend und klärend in das Wirtschaftsleben einzugreifen, und daß er in diesem Zusammenhang auch Geldleistungen auferlegen kann, hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Investitionshilfe-Urteil (BVerfGE 4, 7 [13]) ausgesprochen; in seiner Entscheidung zum Preisgesetz hat es die Ausgleichsabgabe als besonderes Instrument der Wirtschaftslenkung genannt (BVerfGE 8, 274 [317]). Auch im Schrifttum ist außer Streit, daß derartige Abgaben zwar öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten, aber nicht Abgaben im Sinne des Finanzrechts sind (vgl. Götz, Wirtschaftsverwaltungsrechtliche Ausgleichsabgaben, AöR 85 S. 200 ff. und das dort zitierte Schrifttum; W. Weber, Rechtsfragen der milchwirtschaftlichen Marktordnung, 1962 S. 14 ff.; Rinck, Wirtschaftsrecht, 1963, Rdnr. 451 ff.). Für die Ausgleichsabgabe des § 12 MFG ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes jedenfalls aus Art. 74 Nr. 17 GG; es kann offenbleiben, ob sie auch aus Nr. 11 dieses Artikels hergeleitet werden kann.
Für die Frage der Kompetenz kommt es nicht darauf an, ob die Einzelausgestaltung der Ausgleichsabgabe sich allenthalben im Rahmen des Ausgleichssystems mit der ihm wesenseigenen Wechselbeziehung zwischen Begünstigung und Belastung hält. Eine systemwidrige Belastung einzelner Produkte mit der Ausgleichsabgabe könnte u.U. den Gleichheitssatz verletzen und würde dann nichtig sein; sie würde aber die Abgabe nicht insoweit zur Steuer machen, da das Aufkommen auch in diesem Falle nicht der Befriedigung des öffentlichen Finanzbedarfs, sondern einem Ertragsausgleich innerhalb der privaten Wirtschaft dienen würde.
3. Die Beschwerdeführerin zu 3) hat geltend gemacht, die Regelung der Abgabe verstoße gegen Art. 2 Abs. 1 GG, weil die Regelung der Verwendung des Aufkommens in § 12 Abs. 1 MFG bei Anwendung der Maßstäbe des Art. 80 Abs. 1 GG rechtsstaatlichen Anforderungen nicht entspreche und daher die ganze Ausgleichsabgabe nichtig sei. Zwar sei der Verwendungszweck genügend bestimmt, jedoch fehle eine nähere Regelung von Inhalt und Ausmaß der Begünstigung. Für diese Bedenken beruft sich die Beschwerdeführerin auf die Schlußbemerkungen des Zweiten Senats in der Entscheidung vom 10. Mai 1960 (BVerfGE 11, 77 [88 ff.]).
Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß § 12 Abs. 1 MFG nicht unmittelbar für die Verwendung der Bundesausgleichsabgabe gilt. Diese ist vielmehr in Absatz 3 Satz 3 und 5 geregelt, wonach die aufkommenden Mittel für die Durchführung eines übergebietlichen Ausgleichs bestimmt und demgemäß durch den Bundesernährungsminister nach Anhörung der obersten Landesbehörden und eines Beirats zu verteilen sind. Hierbei ist auf den Absatz 1 lediglich insoweit Bezug genommen, als auch der übergebietliche Ausgleich an die allgemeine Zielsetzung des Ausgleichs in Absatz 1 gebunden ist. Der Einwand der Beschwerdeführerin kann daher nur dahin verstanden werden, daß die Unbestimmtheit der Regelung des Ausgleichs durch die obersten Landesbehörden sich notwendig auch auf die Regelung des übergebietlichen Ausgleichs auswirke und wegen des inneren Zusammenhangs zwischen Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe auch die Erhebung der Bundesausgleichsabgabe ungültig mache.
Dieser Einwand ist schon deshalb nicht begründet, weil der Gesetzgeber in § 12 Abs. 3 MFG im Interesse der Abgabepflichtigen die Höhe der Abgabe teils selbst festgesetzt, im übrigen aber auch eng begrenzt hat. Diese Fixierung der Höhe der Abgabe im Gesetz selbst unterscheidet die Bundesausgleichsabgabe von den Landesausgleichsabgaben, bei denen eine solche Fixierung fehlte, so daß der Inhalt der Ermächtigung zur Abgabeerhebung dort wesentlich aus dem in Absatz 1 nur allgemein umrissenen Bedarf zu entnehmen war. Bereits aus diesem Grunde geht die Berufung der Beschwerdeführerin auf die in der zitierten Entscheidung des Zweiten Senats angedeuteten Bedenken fehl. Im übrigen konnte der Gesetzgeber nicht voraussehen, wie hoch das jährliche Aufkommen aus der Bundesausgleichsabgabe sein werde, in welchem Umfang die Länder von der ihnen erteilten Ermächtigung zur Erhebung von Ausgleichsabgaben Gebrauch machen würden und wo und in welcher Höhe sich demnach die Notwendigkeit eines übergebietlichen Ausgleichs ergeben würde. Infolgedessen konnte er nicht schon im einzelnen Vorschriften über die Verwendung der Bundesausgleichsabgabe treffen. Außerdem bestimmen sich Inhalt und Ausmaß der Begünstigung auch aus dem vernünftig ausgelegten Zweck der ganzen Regelung. Er ergibt sich hier aus dem Sinn der Marktordnung und des Ausgleichssystems. Der Zweck des Ertragsausgleichs zwischen den Betrieben „Annäherung der wirtschaftlichen Ergebnisse”) liefert einen Maßstab sowohl für die Auswahl der zu berücksichtigenden Betriebe wie für die Höhe des Stützungsbetrags (vgl. dazu auch allgemein BVerfGE 8, 274 [311, 315, 318]; 14, 105 [114]). Es bedarf daher keiner Prüfung der grundsätzlichen Frage, ob Regelungen nach Art des § 12 Abs. 1 MFG überhaupt an den Maßstäben des Art. 80 Abs. 1 GG zu messen sind.
III.
Der Haupteinwand der Beschwerdeführerinnen geht dahin: Die Ausgleichsabgabe sei nur dadurch gerechtfertigt, daß die belasteten Betriebe durch die Marktordnung für Trinkmilch gegenüber den Werkmilch verarbeitenden Betrieben begünstigt seien. Dies treffe bei den Herstellern von Sterilmilch, Tubensahne und Schlagsahne nicht zu, da sie durch die Absatzregelung für Trinkmilch nicht geschützt würden. Ihre Heranziehung zur Abgabe sei also systemwidrig. Sie habe zudem zur Folge, daß sie, obwohl sie Werkmilch verarbeiteten, von der Stützung, wie sie der Werkmilch sonst zugute komme, ausgeschlossen seien.
Dieses Vorbringen ist als Rüge der Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG anzusehen, insofern damit geltend gemacht wird, daß zu Unrecht gleiche Tatbestände ungleich und verschiedenartige Tatbestände gleich behandelt würden. Dieser Angriff ist nicht begründet. Die von dem Bundesverfassungsgericht bei Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes auf Gesetze allgemein geübte Zurückhaltung ist in besonderem Maße angezeigt, wenn es sich um wirtschaftslenkende Maßnahmen innerhalb einer Marktordnung handelt. Die rechtliche Ordnung wird hier weithin durch die Sachgesetzlichkeit des Marktes und die Wirtschaftstechnik bestimmt; sie muß der Entwicklung der wirtschaftlichen Lage folgen. Erweisen sich die ursprünglich angenommenen wirtschaftlichen Daten als unrichtig, dann müssen die gesetzlichen Vorschriften u.U. rasch geändert werden, ohne daß immer gewährleistet wäre, daß die neue Regelung sofort das Richtige trifft. Dem Gesetzgeber kann nicht schon Willkür vorgeworfen werden, wenn seine Prognose durch die Entwicklung nachträglich widerlegt wird. Ein gewisses zeitliches „Nachhinken” der Gesetzgebung muß dabei in Kauf genommen werden, da Veränderungen der wirtschaftlichen Lage sich nicht sofort in Rechtsvorschriften niederschlagen können. Noch weniger als sonst läßt sich aus der Änderung einer Vorschrift das Eingeständnis des Gesetzgebers herauslesen, daß die frühere Regelung verfassungswidrig gewesen sei. Gesetzgeberische Maßnahmen im Rahmen einer Marktordnung müssen oft in Einzelheiten gehen und sind häufig rein technischer Natur. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, solche vorwiegend wirtschaftsverwaltungsrechtlichen und wirtschaftstechnischen Fragen mit Hilfe umfangreicher Beweisaufnahmen zu klären. Sind diese Fragen wie hier in drei verwaltungsgerichtlichen Instanzen entschieden worden und ergeben diese Entscheidungen keine klaren Anzeichen für eine Willkür des Gesetzgebers, so wird für das Bundesverfassungsgericht in aller Regel kein Anlaß zu einem Eingreifen bestehen.
1. Über die Auslegung der in § 12 Abs. 1 MFG 52 gebrauchten Begriffe Trinkmilch und Werkmilch bestehen Unklarheiten. Der Sachverständige Nebe hat als Trinkmilch die „Konsummilch” bezeichnet, worunter er Trinkmilch in einem weiten Sinne unter Einschluß von Sterilmilch und Schlagsahne, also aller der Bundesausgleichsabgabe unterliegenden Erzeugnisse versteht. Der Sachverständige Mayr will zur Trinkmilch in erster Linie diejenigen Milchsorten rechnen, die nach § 2 MFG 52 Marktschutz genießen, also auch Magermilch und Buttermilch, die nach der Definition des § 4 Abs. 2 zu den Milcherzeugnissen gehören, im weiteren Sinne auch alle Milch- und Milcherzeugnisse, die dem Verbraucher täglich frisch angeboten werden müssen und daher zum typischen Sortiment des Trinkmilchhandels gehören.
Nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hat § 12 Abs. 1 MFG 52 nur den Sinn, eine allgemeine Leitlinie für den Ausgleich zu geben, wobei der Gesetzgeber an das im Mittelpunkt der Marktordnung stehende Produkt „Trinkmilch” anknüpft. Bei der Auslegung des Begriffs Trinkmilch ist zwar von der Legaldefinition des § 11 Abs. 1 auszugehen, wonach Trinkmilch „die zum unmittelbaren Genuß bestimmte Milch” ist. Die sinngemäße Auslegung der Ausgleichsvorschrift muß jedoch ihren Zusammenhang mit der gesamten Marktordnung, insbesondere mit der Absatzregelung des § 2 MFG 52 im Auge behalten. Nach dem MFG 51 stimmte die Auslegung nach dem Wortlaut mit dieser Auslegung nach dem Sinn überein: Der Kreis der abgabepflichtigen Produkte deckte sich mit denen, deren Absatz nach § 2 MFG geregelt war. Dementsprechend zog § 11 Abs. 2 zur Landesabgabe die in dem damaligen § 2 MFG genannten Produkte Milch, Sahne (Rahm), entrahmte Milch, Buttermilch und geschlagene Buttermilch heran; für denselben Kreis konnte der Bundesernährungsminister nach Absatz 3 die Erhebung eines Milchpfennigs zugunsten des übergebietlichen Ausgleichs anordnen.
Die Neufassung des Milch- und Fettgesetzes vom 10. Dezember 1952 übernahm zwar den bisherigen § 11 Abs. 1 als nunmehrigen § 12 Abs. 1, gab aber die Übereinstimmung des Kreises der abgabepflichtigen und der absatzgeschützten Produkte auf. So wurde die Sahne (Rahm) aus dem Absatzschutz herausgenommen, während ihre Belastung mit der Landes- und Bundesausgleichsabgabe bestehenblieb (§ 12 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1). Umgekehrt wurden durch § 12 Abs. 2 Satz 1b sterilisierte Erzeugnisse, nämlich „sterilisierte Milch, Sahne (Rahm), entrahmte Milch und Schlagsahne”, neu in die Abgabepflicht einbezogen, ohne daß zugleich die Absatzregelung des § 2 auf sie ausgedehnt wurde. Durch diese Erweiterung der Abgabepflicht verschob sich auch der Kreis der für eine Stützung in Betracht kommenden Produkte, da in der Regel ein Zusammentreffen von Abgabepflicht und Stützung für dasselbe Erzeugnis nicht sinnvoll wäre.
Somit hielt der Gesetzgeber bei der Neuregelung zwar grundsätzlich an dem Ausgleichssystem des MFG 51 fest, durchbrach es aber in den aufgezählten Punkten.
2. Eine solche Durchbrechung ist nicht als solche schon willkürlich und daher verfassungswidrig. Grundsätzlich steht es dem Gesetzgeber frei, durch Sonderbestimmungen von den einen Rechtskreis bestimmenden Grundregeln, die er selbst gesetzt hat, abzuweichen. Eine solche Abweichung kann zwar ein Indiz für Willkür sein, jedoch nur dann, wenn damit das System des Gesetzes ohne zureichende sachliche Gründe verlassen wird (BVerfGE 12, 151 [164] und die dort angeführte Rechtsprechung; 12, 341 [349]; 13, 31 [38]; 13, 331 [340]; 15, 313 [318]). Dies ist bei der Einzelprüfung der Verfassungsbeschwerden der drei Beschwerdeführerinnen für die von ihnen hergestellten Erzeugnisse gesondert zu erörtern.
IV.
Zur Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1)
1. Nach der gemäß § 4 Abs. 1 MFG maßgebenden Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 11a der Ersten Ausführungsverordnung zum Milchgesetz vom 15. Mai 1931 (RGBl. I S. 150) ist sterilisierte Milch „Vollmilch, die spätestens innerhalb 22 Stunden nach dem Melken nach einem als wirksam anerkannten Sterilisierungsverfahren sachgemäß erhitzt worden ist, wenn der dabei erforderliche keimdichte Verschluß unverletzt bleibt”. Von der Trinkmilch im üblichen Sinne unterscheidet sie sich dadurch, daß diese nur pasteurisiert, also durch Erhitzung zwar keimarm, aber nicht keimfrei gemacht wird. Ihr gegenüber hat Sterilmilch den Vorteil längerer Haltbarkeit; andererseits beeinträchtigt die Sterilisierung den Geschmack, zugleich zerstört sie einen großen Teil der in der natürlichen Milch enthaltenen Vitamine. Dagegen wird Sterilmilch üblicherweise in Glasflaschen abgefüllt, wie dies auch bei Trinkmilch häufig geschieht.
Die Sterilmilchherstellung hat in der Bundesrepublik erst nach der Währungsreform Bedeutung erlangt. Zunächst nahmen nur einige Spezialbetriebe, so die Beschwerdeführerin, die Herstellung auf (nach Angabe der Bundesregierung im Jahre 1952 nur fünf Betriebe); sie verwendeten Milch aus Werkmilchgebieten und vertrieben Sterilmilch durch eigene Organisationen und Transportmittel. Allmählich gingen jedoch auch zahlreiche Trinkmilchmolkereien dazu über, Milchüberschüsse zu Sterilmilch zu verarbeiten.
2. Für die Einbeziehung der Sterilmilch in die Abgabepflicht lassen sich sachliche Gründe finden.
a) Zwar trifft es nicht zu, daß – wie die Bundesregierung vorträgt – die Sterilmilch als Begleitprodukt der Trinkmilch von der für diese geltenden Absatzregelung profitiere. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß Trinkmilchmolkereien, die Sterilmilch herstellen, sie weit über ihre Trinkmilchabsatzgebiete hinaus zu vertreiben pflegen, umgekehrt aber in ihrem eigenen Absatzgebiet auf die Konkurrenz anderer, gebietsfremder Sterilmilchhersteller stoßen. Für Spezialmolkereien wie die Beschwerdeführerin – bei denen in den Jahren 1952 und 1953 der Schwerpunkt der Sterilmilcherzeugung lag – kam eine Ausnützung des Trinkmilchvertriebes für den Absatz ihres Erzeugnisses ohnehin nicht in Betracht.
b) Dagegen greift der Gesichtspunkt des Schutzes der Trinkmilchmärkte gegen eine Konkurrenz der Sterilmilch durch. Wie die Bundesregierung vorgetragen hat, sollte die Abgabeerhebung auf Sterilmilch die Gleichheit im Wettbewerb wiederherstellen und den auf der Belastung der Trinkmilch beruhenden Vorsprung der Sterilmilch im Wettbewerb ausgleichen. Dieser Grund reicht aus, um die Regelung nicht als willkürlich erscheinen zu lassen. Innerhalb einer Marktordnung ist das Motiv des Schutzes bestimmter Erzeugnisse gegen Konkurrenz nicht sachfremd, wenn dies zur Verwirklichung der Marktordnung erforderlich erscheint.
Kern der Milchmarktordnung ist der Absatz- und Preisschutz der Trinkmilch. Er beruht gerade in der örtlichen Monopolisierung des Absatzes der Trinkmilch, der sogar gegen das Eindringen von Trinkmilch aus Nachbargebieten geschützt wird. Es liegt in der Konsequenz dieser Regelung, die Trinkmilch auch gegen andere Produkte abzuschirmen, die ihr Konkurrenz machen könnten. Eine solche Konkurrenz zur Trinkmilch konnte der Gesetzgeber des MFG 52 von der Sterilmilch befürchten. Zwar nahm sie nicht an dem Absatz- und Preisschutz der Trinkmilch teil, sie unterlag aber auch nicht den damit verbundenen Verkaufsbeschränkungen; sie konnte einen Absatz überhaupt nur dadurch finden, daß sie mit der Trinkmilch in deren Absatzgebieten in Wettbewerb trat.
Die Frage, wieweit Sterilmilch und Trinkmilch ihrer Beschaffenheit nach konkurrieren können, haben die beiden Sachverständigen im wesentlichen übereinstimmend dahin beantwortet: Die chemische Zusammensetzung (Fettgehalt, Trockenmasse) sei annähernd gleich; der biologische Wert der Sterilmilch sei infolge weitgehender Zerstörung der Vitamine erheblich geringer, dem stehe die längere Haltbarkeit gegenüber. Unter natürlichen Wettbewerbsverhältnissen wird der Preis der Sterilmilch infolge der Verarbeitungskosten höher liegen als der der Trinkmilch. Dies wird jedoch u.U. durch ihre größere Haltbarkeit wettgemacht – ein Vorzug, der namentlich aus der Sicht des Gesetzgebers von 1952 eine Rolle spielen konnte, da damals die Haushalte und Geschäfte in wesentlich geringerem Umfang als heute über Kühlvorrichtungen verfügten. Unter diesen Umständen konnte es für die Konkurrenzfähigkeit der Sterilmilch wesentlich darauf ankommen, ob sie von der Ausgleichsabgabe frei und insoweit gegenüber der Trinkmilch bevorzugt wurde. Das bestätigt das von dem Sachverständigen Nebe in der mündlichen Verhandlung mitgeteilte Beispiel Belgiens, wo bei gleichem Preis der Absatz von Sterilmilch den der Trinkmilch übertraf.
Demgegenüber kann nicht geltend gemacht werden, daß die tatsächliche Entwicklung seit 1952 die Befürchtung einer „Unterwanderung” der Trinkmilchmärkte durch die Sterilmilch nicht bestätigt habe. Zunächst ist nicht auszuschließen, daß die Entwicklung anders verlaufen wäre, wenn die Sterilmilch von der Abgabe befreit geblieben wäre. Aber selbst wenn feststünde, daß die Befürchtungen des Gesetzgebers tatsächlich nicht begründet waren, wäre die damit motivierte Einbeziehung der Sterilmilch in die Abgabe noch nicht willkürlich. Wie bereits dargelegt, kann die Gültigkeit einer sachlich motivierten Einzelregelung innerhalb einer Marktordnung nicht dadurch berührt werden, daß die vom Gesetzgeber zugrunde gelegte wirtschaftliche Prognose sich als falsch erweist und sich dadurch Unausgewogenheiten ergeben.
3. Eine Willkür des Gesetzgebers liegt auch nicht darin, daß die Höhe der Abgabe und die Art ihrer Berechnung bei der Sterilmilch anders geregelt waren als bei der Trinkmilch. Die Beschwerdeführerin fühlt sich insoweit bereits dadurch beschwert, daß die Sterilmilchhersteller nach § 12 Abs. 3 Satz 1b MFG mit einer festen Abgabe in Höhe von 2 Pfg. je kg Milch belastet wurden, während Trinkmilch nur mit einer Bundesausgleichsabgabe von 1 Pfg. je kg abgesetzter Milch und einer im Gesetz nicht bestimmten Landesausgleichsabgabe belastet war. Dieser Einwand ist nicht haltbar.
Die Belastung lediglich mit einer Bundesausgleichsabgabe entsprach der Natur der Sache, weil das Absatzgebiet der Sterilmilch sich über die ganze Bundesrepublik erstreckt. Es ergab sich auch für die Sterilmilch keine höhere Belastung, wenn man für die Trinkmilch zu der Bundesabgabe von 1 Pfg. die Landesausgleichsabgabe hinzurechnet, die im Jahre 1952 im Durchschnitt 1,44 Pfg. pro kg Milch betrug und steigende Tendenz hatte. Daß nach § 12 Abs. 3 Satz 1b MFG bei Sterilmilch die Abgabe von der Produktion, bei Trinkmilch dagegen vom Absatz erhoben wurde, mag eine gewisse, nicht zwingend gebotene Benachteiligung der Sterilmilchhersteller darstellen. Diese Belastung ist jedoch im Gesamtbild von so untergeordneter Bedeutung, daß hieraus auf Willkür des Gesetzgebers noch nicht geschlossen werden kann.
4. Art. 3 Abs. 1 GG ist auch nicht dadurch verletzt, daß Sterilmilch zur Ausgleichsabgabe herangezogen wurde, Kondensmilch dagegen in dem hier in Betracht kommenden Zeitraum nicht. Die Beschwerdeführerin hat hierzu vorgetragen, daß der Gesetzgeber Gleiches ungleich behandelt habe, weil die beiden Produkte in allen entscheidenden Punkten gleich seien, und daß infolge dieser Diskriminierung die Absatzsteigerung bei Sterilmilch hinter der bei Kondensmilch weit zurückgeblieben sei.
Dieses Argument ist bereits in der angefochtenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit zutreffenden Gründen widerlegt worden. Danach unterscheiden sich Sterilmilch und Kondensmilch sowohl in ihrer Beschaffenheit wie in der daraus folgenden Verwertbarkeit. Kondensmilch sei „eingedickte Milch” im Sinne des § 2 Nr. 11 c der Ersten Ausführungsverordnung zum Milchgesetz, also ein Erzeugnis, das aus Milch nach Zusatz von Zucker und Einstellung auf einen bestimmten Fettgehalt durch Entziehung eines erheblichen Teiles des Wassers gewonnen werde. Wenn auch Kondensmilch durch Verdünnung mit Wasser eine im Volumen, Geruch und Geschmack der Sterilmilch ähnliche Beschaffenheit erhalten könne, so bestätige doch gerade die Notwendigkeit eines solchen Wasserzusatzes die ursprüngliche Ungleichheit beider Produkte. Diese Verschiedenheit in der Beschaffenheit führe notwendig dazu, daß Kondensmilch im wesentlichen als Zusatzmittel zu Getränken verwertet, Sterilmilch dagegen auch als Trinkmilch genossen werde.
Die Gutachten der beiden Sachverständigen haben diese Beurteilung bestätigt. Nur in der Gegenüberstellung zur lediglich pasteurisierten Milch scheinen Sterilmilch und Kondensmilch gleichartig zu sein: Jener fehlt die für Steril- und Kondensmilch charakteristische Haltbarkeit; dafür zerstört die zur Herstellung der Keimfreiheit notwendige Erhitzung den größten Teil der Vitamine, so daß Kondensmilch und sterilisierte Milch in dieser Hinsicht den Wert pasteurisierter Milch nicht erreichen. Trotz dieser gemeinsamen Unterschiede von der Trinkmilch sind aber Sterilmilch und Kondensmilch unter sich verschieden. Maßgebend für die Einführung der Ausgleichsabgabe auf Sterilmilch war, wie ausgeführt, die Abschirmung der Trinkmilch gegen ihre Konkurrenz. Diese beruht vor allem darauf, daß Sterilmilch sofort trinkfertig ist, dagegen bedarf Kondensmilch hierzu der Verdünnung mit Wasser, also eines besonderen Vorgangs, der ihren Genuß als Trinkmilch erschwert. Angesichts dieser Verschiedenheit ist es nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber zwar von der Sterilmilch, nicht aber von der Kondensmilch eine ernste Konkurrenz für die Trinkmilch fürchtete und dementsprechend handelte.
Unter diesen Umständen läßt sich ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht feststellen.
5. Schließlich behauptet die Beschwerdeführerin, die Ausgleichsabgabe erdrossele die Produktion von Sterilmilch. Damit will sie offenbar eine Verletzung ihres Grundrechts auf Freiheit des Berufs (Art. 12 Abs. 1 GG) geltend machen (vgl. BVerfGE 13, 181 [186 ff.]; 16, 147 [162]). Diese Rüge geht schon deswegen fehl, weil die Beschwerdeführerin nach ihrem eigenen Vortrag die Herstellung von Sterilmilch nicht nur nicht aufgegeben, sondern ihren Umsatz von 1952 bis 1959 um 75% gesteigert hat.
Verletzt die Einbeziehung der Sterilmilch in die Abgabepflicht nach dem Ausgeführten nicht die Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 GG, so entfällt damit auch ihr Einwand, daß ihr ein Sonderopfer zugemutet werde. Auch Art. 14 GG ist daher nicht verletzt.
V.
Zur Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2)
Die Beschwerdeführerin hält die Belastung von Schlagsahne mit der Ausgleichsabgabe schlechthin für willkürlich. Dies ergebe sich schon daraus, daß die dadurch aufgekommenen Mittel gar nicht ausgeschüttet, sondern gehortet worden seien. Vor allem sei die Schlagsahne aus einer Vielzahl von Milcherzeugnissen mit gutem Verwertungserlös nach Gutdünken herausgegriffen worden, während andere Erzeugnisse mit ebenso gutem oder besserem Verwertungserlös wie Joghurt, Sahneschichtkäse und Kondensmilch freigelassen worden seien. Dieser Angriff ist nicht begründet.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Behauptung der Beschwerdeführerin über die Hortung der aufgekommenen Mittel tatsächlich zutrifft; dies würde allenfalls eine mangelhafte Ausführung der Vorschriften über die Verwendung der Abgabe dartun, könnte aber die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen über ihre Erhebung nicht in Frage stellen.
2. Wie bereits eingangs dargelegt, ist die Erhebung einer Ausgleichsabgabe im Rahmen einer Marktordnung als solche nicht zu beanstanden. Die Auswahl der zur Abgabe heranzuziehenden Produkte ist grundsätzlich dem Ermessen des Gesetzgebers anheimgegeben, das sich am Zweck der Marktordnung zu orientieren hat. Als ein sachlicher Grund kann hier anerkannt werden, daß die Schlagsahne im Zeitraum des Erlasses des MFG 52 noch in erheblichem Umfang den Charakter eines Begleitproduktes trug. Zwar war sie dem Absatzmonopol der örtlichen Trinkmilchmolkereien nicht eingeordnet, sie gehörte aber zum typischen Trinkmilchsortiment (so Gutachten M.). Sie wurde in der Regel von Trinkmilchmolkereien hergestellt und im Zusammenhang mit der Trinkmilch vertrieben, sie profitierte daher mittelbar von der Festsetzung der Absatzgebiete. Es mag schon damals in einem gewissen Umfang Spezialmolkereien wie die Beschwerdeführerin gegeben haben; der Gesetzgeber konnte sich aber am Regelfall orientieren und war nicht gehalten, für Spezialmolkereien dieser Art Sonderbestimmungen zu treffen. Er brauchte auch nicht den Anstieg des Schlagsahnekonsums und die damit verbundene stärkere Spezialisierung der Produktion vorauszusehen.
3. Als weiterer sachlicher Grund für die Einbeziehung der Schlagsahne in die Abgabe kommt in Betracht, daß der Verwertungserlös der Werkmilch bei der Verarbeitung zu Schlagsahne besonders günstig ist. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß es außer der Schlagsahne auch noch andere Werkmilcherzeugnisse mit günstigen Verwertungserlösen gab, die das MFG 52 nicht in die Abgabe einbezog; erst das MFG 63 hat die Verwertungsmöglichkeit des einzelnen Milcherzeugnisses zum Kriterium für die Heranziehung zur Ausgleichsabgabe gemacht und insoweit ein ausgewogenes System geschaffen. Daß dies 1952 noch nicht geschehen ist, vermag den Vorwurf der Willkür nicht zu begründen. Angesichts der Schwierigkeit, unter komplizierten wirtschaftlichen Verhältnissen eine funktionierende Marktordnung zu entwickeln, muß dem Gesetzgeber – wie oben dargelegt – bei der Einzelregelung eine angemessene Gestaltungsfreiheit zugestanden werden. Daher ist es noch kein Indiz für Willkür, wenn die Regelung des MFG 52 zunächst zu Ungereimtheiten führte, die erst auf Grund praktischer Erfahrungen und neuer Einsichten behoben wurden.
Schließlich ist zu berücksichtigen, daß es sich bei Schlagsahne um ein Produkt des gehobenen Bedarfs handelt und bei dem hohen Preis des Produkts die Abgabe nicht wesentlich ins Gewicht fällt.
4. Soweit die Beschwerdeführerin die Verfassungswidrigkeit ihrer Abgabepflicht darauf stützen will, daß die Abgabe die Produktion von Schlagsahne in Spezialbetrieben erdrossele, gilt Entsprechendes wie für die Beschwerdeführerin zu 1). Diese Behauptung wird bereits durch die erhebliche Steigerung des Schlagsahneabsatzes widerlegt, ebenso auch durch die von der Bundesregierung und der Beschwerdeführerin übereinstimmend vorgetragene Tatsache, daß der größte Teil der Schlagsahne heute in Spezialmolkereien hergestellt wird.
VI.
Zur Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 3)
1. Die Beschwerdeführerin stellt Tubensahne in der Weise her, daß Sahne aufbereitet (pasteurisiert, homogenisiert), in kleine Metallbehälter abgefüllt, luftdicht verschlossen und dann auf 117 Grad erhitzt wird. Bis vor einigen Jahren war sie die einzige Herstellerin im Bundesgebiet.
Ihre Heranziehung zur Ausgleichsabgabe nach § 12 Abs. 3 Satz 1b MFG hatte das Oberverwaltungsgericht aufgehoben mit der Begründung, „sterilisierte Sahne” im Sinne der genannten Bestimmung sei ebenso wie „sterilisierte Milch” nur solche Sahne, die lediglich durch Erhitzen bearbeitet und daher nur begrenzt haltbar sei; demgegenüber sei Tubensahne infolge ihrer Bearbeitung und Verpackung eine „unbegrenzt haltbare Milchvollkonserve”, für die keine Abgabepflicht vorgesehen sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch aus dem geschilderten Herstellungsverfahren entnommen, daß Tubensahne unter den Begriff der sterilisierten Sahne in § 12 Abs. 3 Satz 1b MFG falle.
Der Angriff der Beschwerdeführerin richtet sich in erster Linie gegen diese Subsumtion. Sie behauptet, die Auslegung des Begriffs „sterilisierte Sahne” durch das Bundesverwaltungsgericht sei verfassungswidrig, weil sie zu dem Ergebnis führe, Tubensahne und Kondensmilch, die in allen wesentlichen Punkten, vor allem in ihrer Marktstellung, gleich seien, verschieden, also unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG Gleiches ungleich zu behandeln. Die Unterschiede in der Zusammensetzung von Tubensahne und Kondensmilch seien unwesentlich und für den Konsumenten belanglos. Beide Erzeugnisse würden in gleicher Weise verwendet, vor allem als Zusatz zu Kaffee und Tee und zur Zubereitung von Speisen. Die Besonderheit der Tubensahne sei ebenso wie die der Kondensmilch die Verpackung in Metallbehälter, die den Zutritt von Licht verhindere und damit eine größere Haltbarkeit gewährleiste als die bei Trink- und Sterilmilch übliche Verpackung in Glasflaschen. Da demnach beide Erzeugnisse wirtschaftlich völlig gleich erschienen, müßten sie auch abgaberechtlich gleich behandelt werden. Eine dem Rechnung tragende Auslegung des § 12 Abs. 3 Satz 1b MFG 52 sei möglich und hätte daher als verfassungskonform gewählt werden müssen. Sollte aber entgegen dieser Ansicht die vom Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegte Auslegung zwingend geboten sein, so sei das Gesetz selbst insoweit verfassungswidrig.
Diese Einwendungen sind nicht begründet.
2. Die Einbeziehung der sterilisierten Sahne in die Abgabepflicht ist aus ähnlichen Gründen wie die Belastung der Sterilmilch (vgl. oben IV 2 a) mit dem Grundgesetz vereinbar. Allerdings ist Sahne (Rahm) im Unterschied von der Trinkmilch nach dem MFG 52 nicht mehr in den Absatzschutz des § 2 MFG einbezogen. Jedoch ist sie – offenbar als Begleitprodukt der Trinkmilch – nach wie vor abgabepflichtig. Dann erscheint es aber nicht als willkürlich, sterilisierte Sahne genauso zu behandeln wie frische Sahne.
Die Auslegung des Begriffs „sterilisierte Sahne” ist als eine Frage der Anwendung einfachen Rechts grundsätzlich allein Sache der dafür zuständigen Gerichte und der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts entzogen. Dieses kann nur eingreifen, wenn hierbei spezifisches Verfassungsrecht verletzt wird. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist, sondern im allgemeinen nur dann, wenn Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen (Beschluß vom 10. Juni 1964 – 1 BvR 37/63 = NJW 1964, 1715). Solche Auslegungsfehler sind hier nicht ersichtlich. Das Bundesverwaltungsgericht ist auf Grund tatsächlicher Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, daß Tubensahne unter den Begriff der sterilisierten Sahne im Sinne des § 2 Nr. 11b der Ersten Verordnung zur Ausführung des Milchgesetzes vom 15. Mai 1931 (RGBl. I S. 150) fällt, der nach § 4 MFG auch für die Anwendung des § 12 dieses Gesetzes maßgebend ist. Es hat dabei unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG eingehend geprüft, in welchem Verhältnis die Tubensahne zu der abgabefreien Kondensmilch steht. Dabei ist es zu dem Ergebnis gekommen, daß Tubensahne der Kondensmilch zwar im Gebrauch nahezu gleichkommt, daß sich die beiden Erzeugnisse aber in bezug auf das Herstellungsverfahren und auf die Beschaffenheit wesentlich unterscheiden. Bei der Kondensmilch werde das überschüssige Wasser durch Eindampfen entfernt, während bei der Herstellung der Tubensahne die Magermilch abgeschieden werde. Diese andere Verarbeitung führe zu einer verschiedenen Beschaffenheit des Produkts: Während Kondensmilch, abgesehen vom Wassergehalt, die Bestandteile der Frischmilch unverändert enthalte, ändere bei Sahne die Abscheidung der Magermilch die chemische Zusammensetzung, insofern Sahne mehr Fett enthalte, dagegen das in der Vollmilch enthaltene Eiweiß großenteils verloren gehe.
3. Diese Erwägungen lassen unter den oben erwähnten Gesichtspunkten einen Verfassungsverstoß nicht erkennen. Es ist auch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, wenn die gesetzliche Regelung nicht, wie die Beschwerdeführerin dies der Sache nach fordert, für die in Metallfolien verpackte sterilisierte Sahne wegen ihrer weitgehenden Gleichheit zur Kondensmilch eine Ausnahme von der Abgabepflicht für andere sterilisierte Sahne vorsieht. Der Gesetzgeber kann nicht gehalten sein, Tubensahne nur wegen der Art der Verpackung von der Abgabepflicht zu befreien; gleicht Tubensahne in einer Hinsicht der – abgabepflichtigen – nicht sterilisierten Sahne, in der anderen Hinsicht der – nicht abgabepflichtigen – Kondensmilch, so ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei darin, welche dieser Ähnlichkeiten er richtunggebend sein lassen will.
4. Die Beschwerdeführerin hat die Rüge, die Ausgleichsabgabe greife in ihre Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ein, in der mündlichen Verhandlung dahin klargestellt, daß sie eine Erdrosselung ihrer Produktion nicht behaupte, wohl aber eine empfindliche Hemmung der Entwicklung ihres Absatzes. Nach ihrer eigenen Angabe hat sie diesen Absatz jedoch erheblich steigern können: 1953 hat sie 962 t Tubensahne hergestellt, 1962 dagegen 1737 t; von einer unzumutbaren Belastung kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden.
Auch diese Verfassungsbeschwerde ist somit unbegründet.
Fundstellen