Gina Heller-Herold, Prof. Dr. Patrick Link
1.1 Agile ESG-Integration mit Design Thinking
Design Thinking ist eine vielfältig anwendbare Denkhaltung zur kreativen Problemlösung und zielt darauf ab, in einem interdisziplinären Team möglichst unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven hinsichtlich einer Problemstellung zusammenzubringen und Empathie für den Nutzer aufzubauen. Es basiert auf den Dimensionen Wünschbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Machbarkeit sowie den Kernelementen (Mikro-)Prozess, interdisziplinäres Team, variable Räume, Mindset, Tools und Templates.
Design Thinking kann Unternehmen dabei unterstützen, ESG ganzheitlich und integrativ umzusetzen und die nachhaltige Transformation – auch unter Risikogesichtspunkten – zum Erfolg zu führen. Wird Design Thinking ergänzend zu den bekannten analytischen Methoden angewandt, ergeben sich zahlreiche Mehrwerte. Gerade für die authentische Integration der Nachhaltigkeit in das Unternehmen ist die innere Haltung der Mitarbeiter von Bedeutung. Die Integration gelingt sehr gut, wenn möglichst viele Mitarbeitende und Stakeholder auch in Risikomanagement und Controllingprozesse integriert werden.
Abb. 1: Risikomanagement-Prozesse (eigene Darstellung)
Abb. 1 gibt einen Überblick über die Risikomanagementprozesse und deren Kontext. Im Rahmen der ESG-Integration sind im Kern – dem Inner Circle – die klassischen Risk Assessments, die Key Performance Indikatoren und Key Risk Indikatoren, die Szenarienbetrachtungen sowie die Berichterstattung zu betrachten. Darüber hinaus gilt es, die Bereiche Risikostrategie, Neuproduktprozess (NPP), internes Kontrollsystem (IKS), Verantwortungsstrukturen, Outsourcing-Management sowie das Business Continuity Management (BCM) anzupassen. Ausgewählte Elemente werden im Nachfolgenden detailliert beschrieben.
1.2 Das Risk Assessment, das Nachhaltigkeit integriert
In den Risk Assessments werden die im Unternehmen vorhandenen Risiken identifiziert, mit mathematischen Modellen quantifiziert und einem Review unterzogen. Die Herausforderung bei der Integration von Nachhaltigkeit in Risk Assessments liegt in der Quantifizierung, da zum einen meist nur ungenügende Datenhistorien, zum anderen keine Erfahrungen mit Szenarien vorliegen. Dieses Manko kann durch die Integration von agilen Denkansätzen aufgelöst werden. In Workshops, die mit Design Thinking-Tools umgesetzt werden, werden die dringend benötigten ESG-Szenarien erarbeitet, die dann mit mathematischen Modellen kalkuliert und verifiziert werden.
Abb. 2: Herausforderungen beim Risk Assessment
ESG wird so anhand der folgenden Prozessschritte in die bereits bestehende Infrastruktur der Risk Assessments integriert:
1. Auswahl der Geschäftsbereiche
Priorisierung der Geschäftsbereiche nach:
- den Trends- und Megatrends, z. B. aus der Megatrend-Map, für Controlling und Risikomanagement
- den Ergebnissen aus der vorangegangenen Stakeholder Analyse
- dem größten Nachhaltigkeitsimpact
- dem signifikanten Wertbeitrag für die Nachhaltigkeit
- hohen Kostentreibern
- einem hohen strategischem Nachhaltigkeitsimpuls
- hohen Reputationschancen oder -risiken
2. Identifikation der Wertreiber im Unternehmen
Analyse der Geschäftsfelder nach:
- Anteil am Gesamtertrag des Unternehmens
- Wertbeitrag für die Nachhaltigkeit
- Sichtbarkeit des Geschäftsfeldes für die Stakeholder
- Einfluss und Impact der Nachhaltigkeitsmaßnahmen, z. B. aktivem oder passivem Impact Investing
3. Darstellung der wesentlichen Chancen und Risiken im Risk Assessment
Erarbeitung der Chancen und Risiken in Bezug auf:
4. Maßnahmenmanagement
Erarbeitung von nachhaltigkeitswirksamen Maßnahmen:
- Gegenüberstellung der Chancen und Risiken
- Darstellung von Brutto- und Nettorisiken (vor und nach den Maßnahmen)
5. Erstellung Gesamtrisikoprofil
Konsolidierung und Integration der ESG-Risiken in das Gesamtrisikoprofil:
- Reflexion und ggf. Anpassung des Risikoappetits unter ESG-Gesichtspunkten
- Aggregation der unterschiedlichen ESG-Risiken in den Risikoarten zu einem Gesamtrisikoprofil
- Integration der ESG-Risiken in das Risiko-Limitsystem
- Erarbeitung aller Voraussetzungen für den Strategieprozess
- Proaktives Steuerungskonzept für ESG-Maßnahmen
6. Reflexion
Erarbeitung von Optimierungsmöglichkeiten in Bezug auf die folgenden Fragestellungen:
- Was lief gut und soll beibehalten werden?
- Wo gibt es Optimierungsmöglichkeiten?
- Ist die Kultur reif für den ESG-Change / die ESG-Transformation?
- Wurde ein gemeinsames Chancen-/Risikoverständnis mit dem Ziel nachhaltiger Lösungen geschaffen?
- Wurden quantitative und qualitative Mehrwerte durch das Risk Assessment ausreichend erarbeitet?
- Wu...