Alexander Schlüter, Deborah Nasca
2.4.1 Der Wandel zum dynamischen Controlling
Die Beschaffenheit der Start-Ups mit ihren besonderen Anforderungen an das Controlling machen vor dem Hintergrund des klassischen Controllings eines besonders deutlich: Das Controlling entwickelt sich mehr und mehr zu einem dynamischen Controlling, in dem der Controller als Business-Partner unterstützt (s. Abb. 6). Das Bild des Controllers, der eng in Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und Geschäftsführung alle Kosten im Überblick hat, regelmäßig reported und ggf. Gegenmaßnahmen zur Korrektur einleiten kann, lässt sich nicht immer und nicht jederzeit auf Start-Ups und Start-Up-Initiativen anwenden. Der klassische Controller als einzige Schnittstelle reicht heute meist nicht mehr aus. An seine Stelle treten nun Controller, die je nach Ausgestaltung des Lebenszyklusgrades eines Unternehmens nicht nur ihre Kompetenzen vermutlich erweitern müssen, sondern auch wissen müssen, wann großzügige Freiheitsgrade gewährt werden sollten und wann tendenziell eher restriktiv eingegriffen werden sollte. Hier muss ein Umdenken stattfinden, wenn das Controlling sich mit Start-Ups auseinander setzen will. Der Controller von heute hat sich an die veränderten Rahmenbedingungen (Organisationsformen, Maßnahmen, Aktivitäten und Entwicklung im Verlauf des Lebenszyklus) angepasst. Im Zuge der Digitalisierung ist der Controller besonders verantwortlich für den aufstrebenden Bereich der Predictive Analytics. Damit ist er auch ein Herrscher über das gesamte Zahlen- und Datenkonstrukt des Unternehmens, welches langfristig selbständige Prognosen über die zukünftigen Entwicklungen des Unternehmens treffen soll. Diese Entwicklung steht heute noch recht am Anfang. In gestandenen Unternehmen ist das Controlling heute fest in der Berichts- und Finanzplanung verankert. Vor dem Hintergrund der Start-Ups (kleine Teams, hohe Entscheidungsgeschwindigkeit, schnelle Abläufe) sind diese Entwicklungen des Controllings notwendig – nicht nur Organisationsformen ändern sich, der Controller muss sich auch anpassen. Er muss erkennen, wann es Zeit ist, dass im Laufe der Start-Up-Entwicklung auch das Controlling im Formalisierungsgrad ansteigen muss. Außerdem muss er zu Beginn Freiheiten zum Testen und Ausprobieren von Produkten ermöglichen und darf die Kreativität durch scharfe Budgetrichtlinien nicht einschränken.
Abb. 6: Wandel des Controllings
2.4.2 Das Controlling muss sich an die Lebenszyklusphasen der Start-Ups anpassen
Start-Ups und Start-Up-Initiativen bringen gerade wegen ihrer jungen Unternehmenshistorie Besonderheiten mit sich, weshalb die etablierten Controllingkonzepte sich nicht einfach übertragen lassen. Diese gefühlte Flexibilität hat jedoch auch eine Kehrseite: Start-Ups haben entweder wegen mangelnder Erfahrung, knappen Ressourcen oder nicht ausgereifter Robustheit einen hohen Managementbedarf, der häufig fehleranfällig sein kann. Das traditionelle Controlling lässt sich folglich aufgrund der fehlenden Vergangenheitswerte und aufgrund der hohen Start-Up-Dynamik nicht anwenden. Des Weiteren fehlt es durch den geringen Formalisierungsgrad an definierten Verantwortlichkeiten und geschaffenen Strukturen. Diese scheinbar geringe Unternehmenskomplexität innerhalb von Start-Ups macht das Controlling damit aber nicht hinfällig.
Die in Kap. 1.2 und 1.3 dargestellten Controllingfacetten bzgl. interner und externer (stand-alone) Start-Ups sind in Abb. 7 zusammenfassend skizziert. Sowohl interne als auch externe Start-Ups durchlaufen die unterschiedlichen Lebenszyklusphasen. Typischerweise erstreckt sich ein CBH über alle Lebenszyklusphasen, während CBLs und CBIs in der Gründungsphase angesiedelt sind. Das ist durch die Natur der beiden Initiativen begründet: ein Lab, welches in erster Linie Ideen generieren und Konzepte entwickeln und testen möchte und ein Inkubator, der im Sinne eines Brutkastens das Start-Up fördert, passen zeitlich in die Gründungsphase eines Start-Ups. Ein Akzelerator, der Start-Ups mit zusätzlichen Ressourcen, Arbeitsräumen und Coaching ausstattet, ist verstärkt in der Wachstumsphase anzusiedeln, da sich die Kernidee bzw. das Geschäftsmodell des Start-Ups bereits bewiesen hat. Ein CVC stattet letztlich in der Reifephase Unternehmen mit zusätzlichen finanziellen Ressourcen zum Wachstum und zur Expansion aus (ggf. auch in andere Märkte).
Abb. 7: Konsolidiertes Start-Up Framework: Das Controlling aus Sicht interner und externer Start-Ups
Aus diesen Begebenheiten lässt sich ableiten, dass sich das Controlling nicht nur an Start-Ups in unterschiedlichen Phasen anpassen muss; vielmehr gibt es nun neben den Start-Ups und etablierten Unternehmen auch noch letztere, die selbst Start-Ups mit Initiativen ausgründen, unterstützen und vermutlich letzten Endes wieder in die eigene Unternehmensumwelt integrieren möchten. Dafür braucht es Controller, die mit Fingerspitzengefühl auf diese Besonderheiten eingehen können. Es ist durchaus ratsam, zusätzliches Know-how durch externe Controller, die bereits mit solchen Organisationsformen und Prozessen, wie bspw. der Ausgliederung und Reintegration, Erfahrung haben, zu integrieren.