Dipl.-Finanzwirt Bernhard Paus
Zusammenfassung
Erstreckt sich der steuerlich bedeutsame Sachverhalt über die Grenze, wird also das Gebiet zweier Staaten berührt, würde es zu einer doppelten Besteuerung derselben Einkünfte führen, wenn sich beide Staaten für steuerberechtigt erklären. Um grenzüberschreitende Wirtschaftsbeziehungen nicht zu behindern, haben die Staaten in internationalen Verträgen, den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), geregelt, wie eine doppelte Besteuerung im Einzelfall zu vermeiden ist. Die hier verbliebenen Lücken werden meist durch innerstaatliche Maßnahmen vermieden oder zumindest gemildert, z. B. durch eine Pauschalierung der deutschen oder eine Anrechnung der ausländischen Steuer.
Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist im Einzelfall das DBA mit dem betreffenden ausländischen Staat. Zur Auslegung zweifelhafter Regelungen kann das OECD-Musterabkommen herangezogen werden. Weitere Einzelheiten werden in den inländischen Vorschriften zur Anwendung der DBA geregelt, s. §§ 34c, 32d Abs. 5, 50a, 50d50g und 50h EStG. Umstritten war bisher die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen sich der deutsche Gesetzgeber über Vorschriften der DBA hinwegsetzen darf, sog. Treaty Overriding. Hierzu hat das BVerfG mit Beschluss v. 15.12.2015, 2 BvL 1/12, entgegen der Auffassung des BFH (s. Vorlagebeschluss v. 11.12.2013, I R 4/13) entschieden, die gesetzliche Regelung des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG sei als verfassungsgemäß anzusehen. Damit ist zwar nicht ausdrücklich entschieden, ob die Regelung des § 50d Abs. 9 EStG, die andere Fallgruppen betrifft, ebenfalls als verfassungsgemäß anzusehen ist. Allerdings ist kaum zu erwarten, dass die Karlsruher Richter dazu eine abweichende Auffassung vertreten werden.
1 Überblick
Bei Inländern besteuert Deutschland im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht sämtliche Einkünfte, also auch solche, die aus dem Ausland stammen. Bei Ausländern unterliegen dagegen regelmäßig nur die inländischen Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht der Einkommensteuer. Eine Ausnahme gilt, wenn sich ein Ausländer wegen weit überwiegend inländischer Einkünfte als unbeschränkt steuerpflichtig behandeln lässt.
Da fast alle anderen Staaten ähnlich verfahren, könnte es zu einer doppelten Besteuerung führen, wenn entweder ein Inländer ausländische Einkünfte oder ein Ausländer inländische Einkünfte bezieht.
Eine doppelte Besteuerung wird jedoch i. d. R. durch das entsprechende DBA verhindert. Bei der technischen Durchführung bedient man sich dabei entweder des Freistellungs- oder des Anrechnungsverfahrens:
- Freistellungsverfahren bedeutet, dass einer der beteiligten Staaten auf die Besteuerung der Einkünfte verzichtet, diese bei ihm somit steuerfrei gestellt werden. Das Besteuerungsrecht steht dann allein dem anderen der beiden Staaten zu. Anknüpfungspunkt kann dabei z. B. der Wohnsitz des Steuerpflichtigen sein oder die Belegenheit eines Betriebs oder Grundstücks, sog. Wohnsitz- bzw. Quellenbesteuerung. Der Staat, der auf die Besteuerung der Einkünfte verzichtet, berücksichtigt sie jedoch regelmäßig im Rahmen des Progressionsvorbehalts, also bei der Bemessung des Steuersatzes für die übrigen, insbesondere inländischen Einkünfte.
- Beim Anrechnungsverfahren wird einer der beiden Staaten, meist der Wohnsitzstaat, verpflichtet, die von dem anderen Staat erhobene Steuer auf die eigene Steuer anzurechnen.
Einschlägige Verwaltungsanweisungen befassen sich mit der Bindungswirkung der Verständigungsvereinbarungen und der Anwendung der DBA auf Personengesellschaften.
2 Zuteilungsgrundsätze der DBA
Welcher Staat die jeweiligen Einkünfte von der Besteuerung freizustellen bzw. die ausländische Steuer anzurechnen hat, ist in verschiedenen DBA (also je nach dem beteiligten Staat) und je nach der Art der Einkünfte unterschiedlich geregelt. Auch dasselbe DBA sieht oft für verschiedene Einkünfte teils das Anrechnungs-, teils das Freistellungsverfahren vor. Dabei kann das Besteuerungsrecht an unterschiedliche Merkmale anknüpfen, z. B. den Wohnsitz (bei Doppelwohnsitz den Mittelpunkt der Lebensinteressen), den Tätigkeitsort, die Belegenheit eines Grundstücks, das Vorliegen einer Betriebsstätte oder die Bestellung eines ständigen Vertreters. Verschiedene DBA treffen oft für gleichartige Einkünfte unterschiedliche Regelungen.
Die meisten DBA orientieren sich an dem OECD-Musterabkommen, das im Jahr 2003 neu gefasst worden ist. Danach gilt im Allgemeinen Folgendes:
- Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft werden nur in dem Staat besteuert, in dem der Betrieb liegt. Für landwirtschaftliche Betriebe in Spanien gilt allerdings das Anrechnungsverfahren.
- Auch Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken werden regelmäßig nur dort besteuert, wo das Grundstück belegen ist. Eine Ausnahme gilt für Ein...