Leitsatz
1. Ein auf die Vorschriften des AnfG gestützter Duldungsbescheid, der den Anfechtungsgegner verpflichtet, die Vollstreckung einer gegen den Schuldner bestehenden Steuerforderung zu dulden, die aus einem rechtsbeständigen Vorauszahlungsbescheid resultiert, ist mit einer Bedingung gemäß § 14 AnfG zu versehen.
2. Fehlt diese Bedingung, ist der Duldungsbescheid rechtswidrig. Der für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 AnfG maßgebliche Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der FG-Entscheidung.
3. Verpflichtet der Duldungsbescheid zur Duldung der Vollstreckung mehrerer Steuerforderungen, die nur zum Teil auf einem Vorauszahlungsbescheid beruhen, und fehlt insoweit die gemäß § 14 AnfG aufzunehmende Bedingung, ist der Duldungsbescheid nur insoweit rechtswidrig.
4. Das FA kann die fehlende Bedingung im finanzgerichtlichen Verfahren durch Erlass eines Änderungsbescheids nachholen.
Normenkette
§ 191 Abs. 1 AO, § 14 AnfG
Sachverhalt
Der Kläger erwarb von seinem Vater ein Grundstück. Da gegen diesen offene Steuerforderungen bestanden, erließ das FA einen gegen den Kläger gerichteten, auf § 191 AO und § 4 AnfG gestützten Duldungsbescheid, mit dem der Kläger unter Angabe der im Einzelnen gegen seinen Vater bestehenden Steuerforderungen verpflichtet wurde, wegen der bezeichneten Forderungen die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden oder zur Abwendung der Vollstreckung den Betrag zu entrichten.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG urteilte, der Duldungsbescheid sei aufzuheben, weil es sich bei den im Bescheid angegebenen Steuerforderungen zum Teil um Forderungen aus Vorauszahlungsbescheiden handele, weshalb insoweit die Vollstreckung gemäß § 14 AnfG davon hätte abhängig gemacht werden müssen, dass die Vorauszahlungsbescheide durch rechtskräftige Jahresbescheide ersetzt und damit endgültig würden. Weder enthalte der angefochtene Duldungsbescheid eine solche Vollstreckungsklausel noch könne er um diese ergänzt werden. Auch komme keine Aufteilung nach den zugrunde liegenden Steuerrückständen in Betracht (FG Köln, Urteil vom 11.10.2017, 9 K 1566/14, Haufe-Index 11395013, EFG 2017, 1925).
Entscheidung
Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH auf die Revision des FA das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen, das aufgrund seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen zum Anfechtungsgrund getroffen hatte.
Hinweis
Wird eine Rechtshandlung des Schuldners durch den Gläubiger erfolgreich nach dem AnfG im Wege der Klage angefochten, liegt aber nur ein vorläufig vollstreckbarer Schuldtitel des Gläubigers oder ein unter Vorbehalt ergangenes Urteil vor, ist nach § 14 AnfG die Vollstreckung im Urteil davon abhängig zu machen, dass der Titel gegen den Schuldner rechtskräftig oder vorbehaltlos wird.
Diese Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des BFH und des BGH entsprechend anzuwenden, wenn die Finanzbehörde im Wege des Duldungsbescheids gemäß § 191 Abs. 1 AO die Anfechtung nach dem AnfG erklärt und ihre Forderung auf einem zwar vollstreckbaren, jedoch noch nicht rechtsbeständigen Steuerbescheid oder auf einem Vorauszahlungsbescheid beruht. Auch in solchen Fällen muss der Duldungsbescheid mit einer Bedingung i.S.d. § 14 AnfG versehen sein.
Im Streitfall hat der BFH an dieser Rechtsprechung festgehalten, ist jedoch nicht der Auffassung des FG gefolgt, der zufolge im Fall eines auf mehrere Forderungen gestützten Duldungsbescheids, die nur zum Teil auf nicht rechtsbeständigen Steuerbescheiden bzw. auf Vorauszahlungsbescheiden beruhen, der Duldungsbescheid bei fehlender Bedingung i.S. d. § 14 AnfG zur Gänze aufzuheben sei. Vielmehr sei insoweit nur von einer teilweisen Rechtswidrigkeit des Duldungsbescheids auszugehen.
Im Sinne gleicher rechtlicher Bedingungen für eine im Wege der zivilrechtlichen Klage und eine durch Duldungsbescheid geltend gemachte Anfechtung hat der BFH zudem (anders als das FG) entschieden, es komme hinsichtlich der Voraussetzungen des § 14 AnfG auch im Fall der Anfechtung durch Duldungsbescheid auf den Zeitpunkt der FG-Entscheidung und nicht auf den Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung an. Ob eine Bedingung i.S.d. § 14 AnfG erforderlich sei, hänge also davon ab, ob die zu vollstreckenden Steuerforderungen im Zeitpunkt der FG-Entscheidung auf nicht rechtsbeständigen Steuerbescheiden oder auf Vorauszahlungsbescheiden beruhten.
Schließlich hat der BFH darauf hingewiesen, dass das FG den Duldungsbescheid zwar nicht um eine ggf. fehlende Bedingung i.S.d. § 14 AnfG ergänzen könne, dass aber für die Finanzbehörde die Möglichkeit bestehe, dies im Wege des Änderungsbescheids zu tun.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.10.2018 – VII R 44/17