Prof. Harald Schnell, Prof. Dr. Peter Saile
Die Umsetzung der Prinzipien von Lean Production wirkt sich direkt auf die Effizienz der Anlagen aus, eine wichtige Voraussetzung um Liegezeiten und damit Durchlaufzeiten und Bestände zu reduzieren. Aus diesem Grund ist die Messung der Anlageneffizienz unerlässlich. Allerdings variieren die Methoden zur Berechnung der Zuverlässigkeit von Maschinen und Anlagen von Unternehmen zu Unternehmen sehr stark. Aussagen bezüglich Nutzungsgrad und Verfügbarkeit lassen sich demnach oftmals nur schwer vergleichen. Zwei Kennzahlen haben sich aber im Zuge der Wertstrom-Methode stark verbreitet: die Gesamtanlageneffektivität (englisch Overall Equipment Effectiveness (OEE)) sowie die Kennzahl EPEI (Every Part Every Interval).
3.2.1 Gesamtanlageneffektivität/Overall Equipment Effectiveness (OEE)
Beurteilung der Anlagenzuverlässigkeit
Die Gesamtanlageneffektivität ist eine standardisierte Rechenweise, mit dem Ziel, Transparenz und Vergleichbarkeit herzustellen. In der Automobilindustrie hat sich der OEE-Faktor zur Bewertung der Zuverlässigkeit von Anlagen im eigenen Betrieb und bei den Lieferanten seit Jahren etabliert. Bei der Berechnung werden sowohl die geplante Produktionszeit, geplante und ungeplante Unterbrechungen als auch die Ausschussrate berücksichtigt. Für die Berechnung des OEE-Faktors gilt:
OEE = VF × LF × QF |
wobei: |
VF= Verfügbarkeitsfaktor |
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LF= Leistungsfaktor |
|
QF= Qualitätsfaktor |
Formel 3: Berechnung der Gesamtanlageneffektivität
Geplante Unterbrechungen sind hierbei:
- geplante Wartungsarbeiten (Ölwechsel, Inspektion, Reinigung etc.),
- Pausen nach dem Arbeitszeitgesetz,
- geplante Bandpausen aufgrund der persönlichen Verteilzeit,
- für die Produktion nicht vorgesehene Schichten.
Planbelegungszeit als Maximalkapazität
Rechnet man bei einem 24-Stunden-Tag die geplanten Unterbrechungen heraus, ergibt sich die Planbelegungszeit. Diese lässt sich in der Praxis aufgrund ungeplanter Verfügbarkeitsverluste meist nicht vollständig produktiv ausnutzen und reduziert sich damit zur Nettobetriebszeit. Typische Gründe für Verfügbarkeitsverluste können hierbei sein:
- große Störungen,
- Werkzeugbruch,
- Rüsten,
- Werkzeugwechsel,
- Teilemangel.
Verfügbarkeitsfaktor (VF)
Das Verhältnis aus Nettobetriebszeit zur Planbelegungszeit ist der Verfügbarkeitsfaktor (VF); er ist ein Maß für die organisatorische Stabilität des Bereichs.
Verfügbarkeitsfaktor = |
Nettobetriebszeit |
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Planbelegungszeit |
|
Formel 4: Berechnung des Verfügbarkeitsfaktors (VF)
Leistungsfaktor (LF)
Der Leistungsfaktor (LF) gibt hingegen an, ob die geplante Taktzeit der Anlage tatsächlich erreicht wird oder ob die Maschine langsamer läuft. Hierbei wird die gesamte produzierte Menge inkl. Ausschuss und Nacharbeit berücksichtigt. Der Leistungsfaktor beurteilt somit primär den technischen Zustand der Maschine.
Leistungsfaktor = |
Produzierte Stückzahl × geplante Taktzeit |
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Nettobetriebsmittelbelegungszeit |
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Formel 5: Berechnung des Leistungsfaktors (LF)
Qualitätsfaktor (QF)
Der Qualitätsfaktor (QF) entspricht dem Quotienten aus der Anzahl der Gutteile bezogen auf die gesamte Menge der produzierten Teile. Hierbei werden als Schlechtteile Ausschuss, Nacharbeit, Einrichtvorgänge und Anfahrverluste gewertet. Der Qualitätsfaktor drückt die Beherrschung der Prozessparameter bezogen auf die vorgegebene Spezifikation aus.
Qualitätsfaktor = |
Gutteile |
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Gutteile + Qualitätsverluste |
|
Formel 6: Berechnung des Qualitätsfaktors (QF)
3.2.2 EPEI zur Messung der Flexibilität
Kundenwünsche erfordern hohe Flexibilität
Ein Anspruch vieler Unternehmen besteht heutzutage darin, den Wünschen der Kunden möglichst exakt gerecht zu werden. Entsprechend gibt es hinsichtlich Design und Funktionalität zahlreiche kundengruppenspezifische Produkte. Die sich dadurch ergebende Vielzahl an Produktvarianten trägt jedoch zu einem Anstieg der Unternehmenskomplexität bei: aufwändigere Steuerungsprozesse und Rüstvorgänge verbunden mit erhöhtem Dispositionsaufwand und Fehlern aufgrund der Verwechslungsgefahr von Teilen. Vermehrte Rüstvorgänge gehen gleichzeitig zu Lasten der verfügbaren Produktionskapazität, da während des Rüstvorgangs nicht gefertigt werden kann. Aus diesem Grund ist eine sorgfältige und gewissenhafte Reihenfolgeplanung der Varianten erforderlich. Leerlaufzeiten, Kapazitätsengpässe oder ungünstige Rüstreihenfolgen sollen dabei vermieden werden und eine möglichst hohe Variantenflexibilität erreicht werden. Zur Messung der Variantenflexibilität wurde die Kennzahl EPEI (Every Part Every Interval) eingeführt. Sie besagt, welcher Zeitraum erforderlich ist, um alle Varianten einmal zu fertigen und zeigt damit auf, wie lange ein Unternehmen benötigt, um auf Variantenwünsche von Kunden zu reagieren. Das so ermittelte Zeitvolumen wird dabei jeweils auf die pro Tag verfügbare Kapazität bezogen.
Abb. 4: Schematische Darstellung der Berechnung der EPEI-Zeit
EPEI zur Messung der Produktionsflexibilität
Wie aus der Grafik ersichtlich, ergibt sich der EPEI-Wert aus der Summe der Bearbeitungszeiten aller Produktvarianten – jeweils in vorgegebenen Losgrößen – zuzüglich deren Rüstzeiten und sonstiger Stillstände. Auch wird der EPEI vom im...