Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Aufwandsentschädigungen eines Versorgungswerks an ehrenamtliche Vorstandsmitglieder sind nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei, wenn sich das Versorgungswerk als juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenzuweisung auf die Gewährleistung der Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung für seine Zwangsmitglieder beschränkt und dabei die insoweit bestehenden Anlagegrundsätze beachtet.
Normenkette
§ 3 Nr. 12 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger erzielte Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Für seine ehrenamtliche Tätigkeit als Vorstandsmitglied im Verwaltungsausschuss eines Versorgungswerks erhielt er Aufwandsentschädigungen, die er in seinen Einkommensteuererklärungen unter Hinweis auf § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG als steuerfrei ansah.
Abweichend davon behandelte das FA die Aufwandsentschädigungen als nach § 18 Abs. 1 EStG steuerbare Einkünfte aus selbstständiger Arbeit.
Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das FG war der Auffassung, der Kläger habe keine "öffentlichen Dienste" i.S.v. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG geleistet (Schleswig-Holsteinisches FG vom 3.3.2011, 3 K 180/09, Haufe-Index 2827201, EFG 2011, 2129).
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Zu Unrecht sei das FG davon ausgegangen, dass die vom Kläger als Vorstandsmitglied eines Versorgungswerks bezogenen Aufwandsentschädigungen nicht für "öffentliche Dienste" i.S.d. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG gezahlt worden seien.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sei nicht ersichtlich, dass das Versorgungswerk (ungeachtet der insoweit bestehenden Rechtsaufsicht des zuständigen Ministeriums) unter Missachtung der für seine Tätigkeit geltenden Anlagegrundsätze tätig geworden sei oder ansonsten nicht zu seinen öffentlichen Aufgaben gehörende Tätigkeiten ausgeübt habe.
Die Sache sei nicht spruchreif. Zwar sei die Höhe der streitigen Aufwandsentschädigungen vom FG festgestellt und die Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für deren Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen worden. Aber die Frage, ob die Aufwandsentschädigungen zumindest teilweise für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt worden seien oder den tatsächlichen Aufwand des Klägers für seine ehrenamtliche Vorstandstätigkeit offenbar überstiegen hätten, sei weder vom FA noch vom FG geprüft worden.
Hinweis
1. Nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind Bezüge steuerfrei, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen.
2. Aufwandsentschädigungen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (hier: eines Versorgungswerks) stammen zwar immer aus einer "öffentlichen Kasse". Sie können aber nur dann steuerfrei sein, wenn sie "für öffentliche Dienste" gezahlt worden sind. Dieses Tatbestandsmerkmal bereitet einige Schwierigkeiten. Die Rechtsprechung führt hier seit alters her einen begriffsjuristischen Schwertertanz auf:
a) Zu den öffentlichen Diensten im Sinne der Vorschrift gehört neben der Ausübung einer eigentlichen hoheitlichen Tätigkeit der Gesamtbereich der hoheitlichen Verwaltung einschließlich der schlichten Hoheitsverwaltung.
b) Eine Betätigung in einem Betrieb gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) ist jedoch grundsätzlich kein öffentlicher Dienst i.S.d. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG.
c) Diese strenge Unterscheidung zwischen Hoheitsbetrieben einerseits und Betrieben gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts andererseits hat der Gesetzgeber indes teilweise verwischt, indem er manche Betriebe gewerblicher Art von der Körperschaftsteuer befreit hat (§ 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG).
Die Steuerbefreiung der dort genannten Betriebe gewerblicher Art ist nach der bisherigen Rechtsprechung nur ausgeschlossen, soweit die Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen Erträge aus Tätigkeiten außerhalb ihrer öffentlichen Aufgaben erzielen. Denn nach der gesetzgeberischen Wertung ist diese Steuerbefreiung deshalb gerechtfertigt, weil diese Pflichtversicherungseinrichtungen weitgehend Aufgaben der nicht der Körperschaftsteuer unterliegenden Sozialversicherungsträger (Hoheitsbetriebe) wahrnehmen.
d) Diese gesetzgeberische Wertung legt der VIII. Senat in dem hier besprochenen Urteil der Auslegung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG zugrunde: Der Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG, die dort genannten Körperschaften den Sozialversicherungsträgern gleichzustellen, ist auch für die Auslegung des Merkmals "öffentliche Dienste" heranzuziehen.
aa) Auf dieser Grundlage kann die durch gesetzliche Zwangsmitgliedschaft der Kammerangehörigen allgemein angeordnete und zugleich auf diesen Personenkreis beschränkte Tätigkeit des Versorgungswerks zur sozialen Absicherung der Mitglieder in der für die gesetzliche Rentenversicherung typischen Weise (Gewährleist...