Leitsatz
Ein Grundstück, auf dem sich leer stehende, aber benutzbare Gebäude befinden, ist bei der Feststellung des Einheitswerts des Grundvermögens (auch nach dem in den neuen Bundesländern geltenden Bewertungsrecht) nicht allein deshalb als unbebautes Grundstück zu bewerten, weil am Stichtag eine Nutzung aus dem formalen Grund einer fehlenden Genehmigung oder aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht zulässig gewesen wäre.
Normenkette
§ 72 Abs. 1 BewG , § 129 Abs. 2 BewG , § 33 a Abs. 2 RBewDV
Sachverhalt
Streitig war die Höhe des Einheitswerts Grundvermögen für einen aufgelassenen Militärflugplatz in Ostdeutschland. Auf dem Gelände befand sich eine Vielzahl von Gebäuden zu den verschiedensten Zwecken.
Die Klägerin, die Bundesrepublik, war der Ansicht, das Gelände sei als unbebautes Grundstück zu bewerten, weil die aufstehenden Gebäude aus Rechtsgründen nicht mehr nutzbar seien. Die Widmung zu militärischen Zwecken sei aufgehoben; eine Genehmigung nach dem Luftverkehrsgesetz für die zivile Nutzung als Flugplatz liege nicht vor. Zu anderen Zwecken könnten die Gebäude gem. § 35 des Baugesetzbuchs nicht genutzt werden, da sie im Außenbereich liegen.
Demgegenüber nahm das FA an, abzustellen sei nicht auf die rechtliche Zulässigkeit einer Gebäudenutzung, sondern auf die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit. Diese sei gegeben. Daher liege ein bebautes Grundstück vor. Während das FG der Klägerin folgte, gab der BFH dem FA recht.
Entscheidung
Sowohl für den Übergang eines Grundstücks vom unbebauten zum bebauten als auch umgekehrt für den Rückfall eines bebauten Grundstücks in den Zustand eines unbebauten ist darauf abzustellen, ob eine Benutzung der aufstehenden Gebäude schon bzw. nicht mehr zugemutet werden kann. Dies richtet sich nach ihrem tatsächlichen Zustand.
Für die Frage, ab wann es aus tatsächlichen Gründen nicht mehr zumutbar ist, ein Gebäude zu benutzen, kann auf § 16 Abs. 3 des früheren Zweiten Wohnungsbaugesetzes bzw. § 16 Abs. 2 des nunmehrigen Wohnraumförderungsgesetzes zurückgegriffen werden. Danach ist ein Gebäude nicht mehr benutzbar, wenn ein zu seiner Benutzung erforderlicher Gebäudeteil zerstört ist oder wenn das Gebäude sich in einem Zustand befindet, der aus Gründen der Bau- und Gesundheitsaufsicht – d.h. aus bauordnungsrechtlichen Gründen – eine Benutzung nicht gestattet. Lediglich das in den genannten Vorschriften enthaltene Erfordernis der Dauerhaftigkeit des schlechten Gebäudezustands entfällt für Zwecke der Einheitsbewertung.
Hinweis
Auf den Streitfall waren gem. § 129 Abs. 2 BewG noch das in den neuen Bundesländern fortgeltende Bewertungsrecht der DDR sowie die RBewDV anzuwenden. Die Ausführungen des BFH gelten aber auch für die Bewertung des Grundvermögens in den alten Bundesländern.
Vereinfacht ausgedrückt liegt ein bebautes Grundstück dann nicht mehr vor, wenn aufstehende Gebäude in solch einem Zustand sind, dass dann, wenn sich gleichwohl noch jemand in ihnen aufhielte, die zuständigen Ordnungsbehörden zu dessen Schutz eine Räumungsverfügung erlassen oder gar das Gebäude selbst räumen lassen müssten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.12.2002, II R 20/01